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Syrische Schüler lernen eifrig


Autor: Ronald Heck

Tretzendorf, Montag, 22. Februar 2016

Seit fünf Monaten besuchen drei Flüchtlingskinder die Grundschule in Trossenfurt. Wie kommen sie zurecht und welche Erfahrungen macht die Familie?
Sham, Laith und Judy (von links) bei den Hausaufgaben: Die syrischen Flüchtlinge besuchen seit einem halben Jahr die Grundschule. Foto: Ronald Heck


"Meine Kinder gehen so gerne zur Schule. Manchmal, wenn ich sie dort abhole, wollen sie sogar noch bleiben", sagt Saneh Kanawati stolz. Seit fünf Monaten besuchen seine Drillinge Laith, Judy und Sham (sieben Jahre) die erste Klasse der Grundschule in Trossenfurt. Die Kanawatis sind Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien. Seit August leben Vater Saneh, Mutter Wissam, die Drillinge (zwei Mädchen und ein Bub) und ihre jüngeren Geschwister Besher und Alma in Tretzendorf.


Die Hausaufgaben

Auf dem Wohnzimmertisch breiten die drei Grundschüler ihre Bücher und Hefte aus. Sie müssen noch ihre Hausaufgaben machen, heute geht es um die Zahlen neun und acht und verschiedene Tiernamen. Über ihre Lehrerin sagt die kleine Sham auf Deutsch: "Frau Rauh ist sehr nett." Sham und ihre Geschwister mögen die Schule besonders, weil sie dort mit anderen Kindern spielen können, meint Papa Saneh. Der Nachwuchs der Kanawatis spricht schon etwas Deutsch, sogar besser als ihre Eltern. Das erste Schulhalbjahr ging diese Woche zu Ende und der syrische Familienvater ist schon gespannt auf das anstehende Lerngespräch mit der Klassenlehrerin.

Wie andere Grundschüler in Unterfranken und ganz Bayern erhielten Laith, Judy und Sham gestern eine Zwischenbilanz ihrer schulischen Leistungen. Die Eltern sind zuversichtlich, dass sich ihre Kinder gut entwickeln. "Noch sprechen sie nicht so gut Deutsch, aber es sind auch erst fünf Monate vergangen," sagt der 38-jährige Syrer in perfektem Englisch.


Zukunft in Deutschland

Die Familie hatte ein gutes Leben in Syrien: Der Vater arbeitete in Damaskus als Ingenieur bei einer Ölfirma, seine Frau als Englischlehrerin. Wegen des Bürgerkriegs entschieden sie sich letztes Jahr für die Flucht. "Wir sind für unsere Kinder aus Syrien geflohen," sagt Wissam Kanawati. Nach einer langen, gefährlichen Reise, unter anderem auf einem Schlauchboot über das Mittelmeer, kamen sie im August in den Landkreis Haßberge. Die Kanawatis sind als Asylberechtigte anerkannt und dürfen für vorerst drei Jahre in Deutschland bleiben. "Wir können uns im Moment nicht vorstellen, zurück nach Damaskus zu gehen. Die Situation in Syrien wird sogar immer schlimmer," sagt Saneh Kanawati, der regelmäßig Kontakt mit Verwandten in der Heimat hat. Gerne würden sie Wissams Mutter, die alleine in Damaskus lebt, nach Deutschland holen. Den Kindern erzählen sie nichts über den Bürgerkrieg. "Sie sollen Syrien in guter Erinnerung behalten," begründet die 33-jährige Mutter ihre Entscheidung.

Die syrische Familie sieht ihre Zukunft jetzt in Deutschland. "Wir möchten, dass die Kinder in Deutschland aufwachsen, aber neben der deutschen auch ihre arabische Kultur bewahren," erklärt Saneh Kanawati. In Tretzendorf fühlt sich die Familie willkommen und sie sind gut aufgenommen worden. Auch die Eltern lernen die deutsche Sprache, zurzeit noch bei einem ehrenamtlichen Lehrer. Demnächst möchten sie einen Integrationskurs besuchen.


Wunsch: ein Auto

"Alles läuft gut hier", sagt Saneh Kanawati, aber die Großstädter aus Damaskus müssen sich noch an die unterfränkische Provinz gewöhnen. Die öffentlichen Verkehrsmittel seien nicht so gut, es fahren wenig Busse und Bahnen. Deswegen ist der größte Wunsch beider Eltern: Deutsch lernen und Arbeit finden. Dann könnten sie sich ein Auto kaufen. Außerdem sei das Haus zu klein für die siebenköpfige Familie, alle fünf Kinder müssten zusammen in einem Zimmer schlafen. Das Gebäude sei zudem recht alt. "Die Kinder sind recht häufig krank. Aber das liegt vielleicht auch an dem kalten Wetter. Wir sind wärmere Temperaturen gewöhnt," sagt Saneh Kanawati. Im Moment sind sie auf der Suche nach einer größeren Wohnung. Gerne in der Nähe von Haßfurt oder Bamberg, merkt Saneh Kanawati an. Sie könnten sich aber auch vorstellen, in Tretzendorf zu bleiben, wenn sie denn ein Auto hätten.

Während ihr Vater von seinen Zukunftsplänen berichtet, sitzen Laith, Judy und Sham noch an ihren Hausaufgaben. Neugierig beobachtet ihr Bruder Besher die drei Geschwister bei der Arbeit. Der Sechsjährige geht noch in den Kindergarten. "Besher freut sich auch schon darauf, in die Schule zu kommen, zusammen mit seinen Freunden aus dem Kindergarten," sagt Saneh Kanawati.

Dann holen Besher und sein großer Bruder Laith freudig zwei goldene Medaillen hervor. Stolz präsentieren sie die Trophäen, die sie vor kurzem bei einem Fußballturnier gewonnen haben. Die beiden Brüder spielen in der Kindermannschaft des TSV Kirchaich mit. Am Sonntag steht das nächste Spiel an.



Infobox: Zwischenzeugnisse

In der siebten Kalenderwoche ging in Bayern das erste Halbjahr des Schuljahres 2015/16 zu Ende. Am Freitag, 19. Februar, erhielten die Schüler an unterfränkischen Grund-, Mittel und Förderschulen ihre Zwischenzeugnisse. Sie sollen Schülern und Eltern eine Zwischenbilanz der schulischen Leistungen geben, Erfolge bestätigen oder Anreize für Verbesserungen liefern,

Seit dem Schuljahr 2014/15 gibt es an den Grundschulen (erste bis dritte Klassen) die Möglichkeit, statt der Zwischenzeugnisse ein sogenanntes Lernentwicklungsgespräch zwischen Schüler, Eltern und Lehrer zu führen. Die Buben und Mädchen der Jahrgangsstufe vier erhielten bereits im Januar einen Zwischenbericht. Anfang Mai erhalten sie ein Übertrittszeugnis (Gymnasium, Realschule, Mittelschule).