Druckartikel: Stern überm Weihnachtsgeschäft

Stern überm Weihnachtsgeschäft


Autor: Marian Hamacher

Zeil am Main, Freitag, 27. November 2015

Wenn am Sonntag die erste Kerze auf den Adventskränzen angezündet wird, dürfen Blumenhändler einmal durchatmen. Die Zeiler Floristin Jutta Markert ist mit den bisherigen Verkaufszahlen zufrieden, doch etwas bereitet ihr Sorge.
Neben goldenen Ziersternen nutzt Jutta Markert auch natürliche Beeren, Koniferen der Muschelzypresse oder aus Filz ausgeschnittene Bänder, um Adventskränze in ihrem Zeiler Blumengeschäft zu dekorieren. Foto: Marian Hamacher


Wie die etwas zu schmal geratene Version eines silbernen Rennwagens flitzt die Schere durch den roten Stoff. Kaum ist das Ende der Filzbahn erreicht, wird zweimal hart nach rechts abgebogen, so dass der Ansatz eines Quadrates entsteht - und schon macht sich der scharfe Silberpfeil wieder auf den Rückweg. Er wird dieses Manöver noch einige Male wiederholen müssen, ehe eine unterarmlange, leicht gezackte Stoffbahn entstanden ist.

Geführt wird die Schere von Jutta Markert, die mit den Jahren ihre ganz eigene Schneidetechnik entwickelt. "Dadurch verbrauche ich nicht so viel Material, um eine hübsche Verzierung zu erhalten", erklärt die Zeiler Floristin und dreht das Ergebnis der schnellen Scherenfahrt in sich zusammen. Drapiert wird es zwischen vier Kerzen, die knapp fünf Minuten später einen ansehnlichen Adventskranz zieren werden.



Nur wenig Platz

Es ist nicht der erste, den Markert in diesem Jahr hergestellt hat. "Schon nach Allerheiligen haben wir begonnen, alles auf Weihnachten hin zu dekorieren", sagt die 58-Jährige. "Spätestens zwei Wochen vor dem ersten Advent muss man die meisten Werkstücke fertig haben." Denn nachdem die ersten Kerzen auf den runden oder länglichen Gestecken angezündet sein werden, breche die Nachfrage nahezu abrupt ab.

Seit acht Jahren betreibt Markert - kurze rote Haare, gold-silberne Brille, Wollpullover, Weste - am Zeiler Marktplatz das Blumenfachgeschäft "Pusteblume" und hat wenige Tage vor dem ersten Adventswochenende alle Hände voll zu tun. "Früher wurde mehr vorbestellt, doch das wird immer weniger", sagt sie. Wie zum Beweis klingelt gleich das Telefon - diesmal gibt es wenigstens eine mündliche Vorwarnung. Wer in den Laden komme, brauche mittlerweile sofort etwas. "Wir müssen daher auf alles vorbereitet sein."

Ein Kleinwagen würde kaum in den Verkaufsraum des Ladens hineinpassen. Jede Ecke wird daher effizient genutzt. Weiße Ziersterne baumeln an den Wänden über grünen Kränzen, die von tiefer gelegenen Regalen aus wahlweise von Porzellan-Eulen oder Stoff-Elchen beobachtet werden. Zufällig sind die Farben nicht gewählt. "Weiß und Silber sind dieses Jahr neben dem traditionellen Rot und Grün der Trend", sagt Markert. Auch kupferfarbene Gestelle seien in diesem Winter recht begehrt, doch dafür sei in ihrem Laden einfach zu wenig Platz.
Modezeitschriften oder Deko-Magazine muss die Floristin aber nicht durcharbeiten, um auf den richtigen Trend aufmerksam zu werden. Das erledige alles der Großmarkt.


Große Konkurrenz

Bereits ein halbes Jahr im Voraus muss sie dort die Weihnachtsartikel ordern. Gefühlt seien davon heuer schon mehr über die Ladentheke gegangen als im Vorjahr, sagt Markert. Zu kämpfen habe sie mit der Konkurrenz der Discounter und großen Supermärkte dennoch. "Bei Aldi habe ich zuletzt einen Adventskranz für sieben Euro gesehen. Für das Geld könnte ich hier nicht einmal einen grünen Kranz anbieten", sagt sie.

Heidi Sündermann nickt zustimmend mit dem Kopf. Die 40-Jährige gründete den Blumenladen vor 14 Jahren, ehe sie ihn vor einer Babypause an ihre damalige Angestellte übergab. "Die großen Discounter müssen damit ja kein Geld verdienen", sagt Sündermann, die nun für Markert arbeitet. "Für die sind das Mitnehmartikel, die maschinell hergestellt werden können."

In dem kleinen Zeiler Geschäft müssen Kunden hingegen zwischen 25 und 30 Euro für einen Adventskranz auf die Ladentheke legen. "Unsere Arbeitskosten sind dabei noch nicht einmal sonderlich groß einkalkuliert", sagt Jutta Markert. Sie ist offenbar nicht die einzige, die unter der Konkurrenz zu leiden hat. "Das ist schon ein Thema bei uns", sagt Nicola Fink von der Pressestelle des Fachverbands deutscher Floristen (FDF). "Der Druck der Discounter wird immer größer." Allerdings ganzjährig.

Sind die Weihnachtsartikel aus dem Sortiment verschwunden, werden sie gegen frische Schnittblumen ausgetauscht, sobald diese verfügbar sind. "Umso mehr legen sich die Händler ins Zeug, ein möglichst hohes Niveau herzustellen", erklärt Fink. Jedes Produkt sei immerhin handgefertigt. Auf diesen Vorteil und eine regionale Herkunft setzt auch Markert. Die Adventskränze, die sie in ihrem Zeiler Geschäft ausschmückt und verkauft, bezieht sie aus dem Steigerwald. "Da werden sie noch mit der Hand gebunden", erklärt sie.


"Ich nehme das, was übrig bleibt"

Angaben dazu, wie groß der Jahresumsatz von deutschen Floristen in den Wintermonaten ist, gibt es nicht. "In dieser Hinsicht ist unsere Branche zahlenmäßig nicht so gut aufgestellt", sagt die FDF-Pressesprecherin Fink .
Jutta Markert ist mit den bisherigen Verkaufszahlen der Wintersaison zufrieden. Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, wie der Kranz aussehen soll, an dem sie morgen die erste Kerze anzündet, hatte die 58-Jährige jedenfalls noch nicht: "Das wird wie jedes Jahr: Ich nehme das, was übrig bleibt."