Statt in Amerika in Kirchlauter gelandet
Autor: Ralf Kestel
Kirchlauter, Freitag, 11. Juli 2014
Der indische Theologieprofessor Thomas Paul kommt seit 1977 regelmäßig in die "Heiligen Länder". In Kirchlauter feiert er am Samstag auch sein goldenes Priesterjubiläum. Seit 25 Jahren wohnt er bei den Kirchners.
Eigentlich wollte er damals 1977 in seinem ersten Sabbatjahr in die USA, weil er dort einen Universitätspräsidenten kannte. Wegen der Probleme mit einem Visum dachte er um - und landete nach einem Zwischenaufenthalt bei Professor Heinrich Fries in München und einem Schreiben ans Ordinariat Würzburg in Kirchlauter. Der indische Theologie-Professor Thomas Paul (73) kommt seither regelmäßig als Aushilfspfarrer im Rahmen des Austauschprogrammes der Weltkirche in die "Heiligen Länder". Am Samstag feiert er dort auch sein goldenes Priesterjubiläum um 17 Uhr in der Pfarrkirche.
Begegnungsabend
Ein gemütlicher Begegnungsabend im Oskar-Kandler-Zentrum schließt sich an. Für die kostenlose Bewirtung , u.a. mit indischem Topf, sorgt der Pfarrgemeinderat.
Über 6000 Kilometer Luftlinie von Zuhause entfernt, zieht der Hochschulprofessor aus dem Staat Kerala im Süden Indiens in seiner zweiten Heimat eine Bilanz. "Als ich damals von München aus die Anfrage ans Ordinariat Würzburg geschrieben hatte, kam sofort eine Antwort: Fahren Sie nach Kirchlauter." Damals war Kaplan Franz Grumbach als Geistlicher im Einsatz, das Pfarrhaus im Bau.
Es folgten viele weitere Begegnungen mit den Pfarrern Manfred Zentgraf, Alfred Kraus und Martin Wissel. Seit 25 Jahren wohnt Thomas Paul in der Familie von Altbürgermeister Peter Kirchner. Wie auch jetzt seit Anfang Juni bis Ende Juli, ehe er als Vertretung nach Pflaumheim (Gemeinde Großostheim bei Aschaffenburg) wechselt.
Nach Kirchlauter und Pflaumheim kommt der Hochschulprofessor regelmäßig in den Sommermonaten. Während seines Urlaubs und auch in Sabbatjahren. "Ich fühle mich hier Zuhause. Ich liebe die Leute und sie mich."
Viele Bücher geschrieben
In Kerala fungiert der Hochschulprofessor als geistlicher Berater für 35.000 Christen. In dem dicht besiedelten Gebiet, er schätzt es auf 100 Quadratkilometer, kommen jeden Tag tausende Gläubige.
Zwölf Bücher hat er mittlerweile zu theologischen Themen verfasst, die Skripte entstanden zum Teil auch in Kirchlauter, wo er Stunden lang über der Bibel "brütet", wie sein Gastgeber Peter Kirchner beobachtet hat.
Im Verlauf der zurückliegenden 25 Jahren hat sich einiges geändert. Der Hochschulprofessor kann immer besser Deutsch, obwohl es in Kerala höchstens zwei, drei Leute gibt, die Deutsch sprechen, aber "wir sind auch älter geworfen", gibt Peter Kirchner zu: "Früher haben wir bis in die Morgenstunden über Gott und die Welt, meist über Gott geredet, jetzt geht er aber schon vor mir ins Bett."
Pauls Vita liest sich echt spannend. Unter zehn Geschwistern aufgewachsen, studierte er zunächst vier Jahre lang Atomphysik, um dann quasi in die Metaphysik zu wechseln.
"Ich wollte schon immer Priester werden", berichtet Thomas Paul. Wie auch einer seiner Brüder. Eine Schwester wurde Nonne. Sein Cousin schaffte es zum Kardinal und auch seinen Schülern gelang der Aufstieg: "Zwei wurde Kardinäle von Kerala, das 40 Millionen Einwohner zählt, fünf wurden Erzbischöfe, 17 Bischöfe."
In Deutschland suchte Thomas Paul stets den Kontakt zu Geistesgrößen. Hans Küng hat er getroffen, Karl Rahner zählte er zu seinen guten Freunden. "Als Doktorand habe ich an seinen Lesungen über die Offenbarung teilgenommen und alle Abende durchgehalten. Später sind wir zusammen zu Symposien nach Wien gereist und ich habe ihn auch nach Indien eingehalten, was er mit einer Bemerkung abgelehnt hat: Ich bin krank und dumm."
Im Haus Kirchner laufen die Vorbereitungen auf das Priesterjubiläum auf Hochtouren, was auch so manche Änderung erfordert. "Beim Essen mussten wir uns bisher komplett auf Fisch umstellen, aber jetzt isst er sogar eine Weißwurst", erzählt Peter Kirchner über seinen Gast ais Indien.