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Stabil oder Instabil? Härtetest für die Zeiler Haardtslinde


Autor: Jutta Rudel

Zeil am Main, Donnerstag, 29. November 2018

Schon seit vielen Jahren wird die markante Linde in Zeil regelmäßig geprüft. War nun womöglich ihr letzter Test?
Rainer Gerber (vorne) und Philip Krämer (dahinter) sehen sich nach dem Zugversuch die Messwerte an.  Fotos: Jutta Rudel


Hält die Zeiler Haardtslinde Stürmen stand? Dieser Frage sind der Baumsachverständige Rainer Gerber und Stadtgärtner Philip Krämer nachgegangen. Sie machten an dem etwa 110 Jahre alten Baum in der Krumer Straße eine Zugprüfung. Bürgermeister Thomas Stadelmann beobachtete interessiert, wie die Prüfung verläuft, denn es ist nicht der erste Test, den die Linde über sich ergehen lassen muss.

"In den 60er Jahren wurde die Wurzel anscheinend durch Straßenarbeiten beschädigt", erzählte der Bürgermeister. Seitdem wird der Baum regelmäßig kontrolliert, denn an der offenen Stelle dringt Fäulnis ein. "Das Problem ist, wir können nicht sehen, wie tief die Fäulnis eingedrungen ist", erklärte Rainer Gerber. Auf den ersten Blick macht die alte Linde aber eine gute Figur: "Sie sieht relativ vital aus, das erkennt man an der Spitze. Sie hat zwar einige Faulstellen und an einem Ast ist ein Pilz gewachsen, aber sie hat gut reagiert und die Schäden durch neue Triebe kompensiert."

Dennoch hat sich Stadtgärtner Krämer nach einer Regelkontrolle an den Baumsachverständigen gewandt, weil der Verdacht besteht, dass die Linde zur Gefahr werden könnte. Die letzte größere Prüfung fand bereits vor acht Jahren statt.

Für die Linde war es gestern der erste Zugversuch. "Solche Tests werden meistens in größeren Städten durchgeführt, weil dort die Verkehrsdichte unter den Bäumen viel höher ist als im ländlichen Raum", sagte Gerber. Da die Haardtslinde aber ein markanter Baum ist, wird auch sie einem solchen Test unterzogen. Dabei soll herausgefunden werden, ob die Wurzeln, die um der Fäulnisstelle herum liegen, den Baum noch halten.

Wie läuft die Prüfung ab?

Zunächst wurde ein Zugseil in der Baumkrone befestigt und an ein Baufahrzeug festgebunden. Geber kümmerte sich um die Messinstrumente: An die Wurzeln brachte er Neigungsmesser an und verband sie mit dem Elektromessgerät, das kleinste Abweichungen verzeichnet. In die Baumstämme bohrte er noch zwei Längensensoren. "Zwischen dem oberen und unteren Punkt der Stange misst ein Sensor, ob und wie sehr das Material gedehnt - beziehungsweise auf der gegenüberliegenden Stammseite gestaucht wird."

Zuletzt hat er das Zugseil mit einer Lastmessdose versehen. Danach kurbelte Krämer mit Hilfe seines Kollegen das Seil mit voller Kraft langsam auf - eine Zugkraft von bis zu drei Tonnen ist möglich! So wird die Bewegung im Wind simuliert. Bei Sturmböen kann eine solche Windkraft in der Baumkrone durchaus entstehen.

Ein lautes Krachen aus der Wurzel

2,4 Tonnen Zugkraft lasteten auf dem Baum - und dann ein lautes Knacken! "Das war deutlich zu hören", sagte Stadelmann. "Wenn es kracht ist das ein schlechtes Zeichen", erklärte Gerber. Wirklich überrascht waren die Männer nicht: "Schon vor zehn Jahren haben wir zur Vorbeugung zwei neue Linden gepflanzt, weil wir wussten, dass der Baum irgendwann entfernt werden muss", erzählt Krämer. Ob das schon bald der Fall ist, ist aber noch ungewiss. Der Baumsachverständige will sich kein voreiliges Urteil bilden: "Ich muss das jetzt erst alles durchrechnen, in spätestens sechs Wochen liegen die Ergebnisse vor."

Im schlimmsten Fall war das der letzte Test der Linde. "Wenn die Wurzel wirklich verfault ist, dann können wir den Baum leider nicht mehr retten", so Philip Krämer. "Das wäre natürlich schade, die Haardtslinde ist ja schon ein kleines Wahrzeichen Zeils. Aber wir machen das ja nicht grundlos. Viele verstehen nicht, wieso wir Bäume fällen und sind verärgert." Doch es nützt im Ernstfall nichts, den Baum aus historischen Gründen stehen zu lassen: "Am wichtigsten ist die Sicherheit, vor allem bei Bäumen, die am Straßenrand stehen", machte der Bürgermeister deutlich.