Schiedsrichter Alfred Mennel: Ein Leben lang unparteiisch
Autor: Ralf Naumann
LKR Haßberge, Dienstag, 12. August 2014
Vor einem halben Jahrhundert nahm Alfred Mennel zum ersten Mal die Pfeife in den Mund. Mit 77 Jahren steht er noch immer als Schiedsrichter auf dem Feld. Seinem jungen Kollegen Julius Lang gibt er nützliche Tipps mit auf den Weg.
Alfred Mennel und Julius Lang sind "Arbeits"-Kollegen. Dass der Altersunterschied zwischen dem erfahrenen Stettfelder und dem jungen Königsberger 63 Jahre beträgt, spielt keine Rolle. Der 77-jährige Rentner und der 14 Jahre junge Schüler sind Schiedsrichter in der Gruppe Haßberge und üben ihr Hobby mit großer Freude aus.
Dies ist zumindest beim äußerst rüstigen Alfred Mennel, dem ältesten Aktiven seiner Zunft im Kreis, keine Selbstverständlichkeit. Immerhin hat die Anzahl der von ihm geleiteten Partien längst die 1000er-Marke überschritten. Wie oft er bei den von ihm geleiteten Nachwuchs-, Reserve-, Erstmannschafts- oder Altherrenspielen bereits auf Strafstoß entschieden, beruhigend auf Spieler und Zuschauer eingeredet, eine hitzige Diskussion auf dem Platz beendet oder Gelbe und Rote Karten verteilt hat, weiß er nicht.
Früher ist man rausgeflogen
Apropos Karten: "Das hat es früher nicht gegeben", sagt Mennel. Und was passierte mit einem Spieler bei einem krassen Regelverstoß oder einem groben Foul? "Ganz einfach: Der ist rausgeflogen, fertig, aus", antwortet er lachend. Erst Jahre später seien die farbigen Karten und andere Regeln eingeführt worden.
Seine Karriere als Unparteiischer startete Mennel eher ungeplant: Schließlich war er eigentlich nur als aktiver Fußballer, entweder als so genannter Läufer (heute Mittelfeld), in der Abwehr, im Sturm oder auch als Torwart, "wo ich halt gebraucht wurde", bei seinem Heimatverein SC Stettfeld im Einsatz. Der Schiedsrichtermangel war schuld. "Sie haben einfach Jemanden gebraucht", begründet er seine Entscheidung Anfang der 1960er Jahre.
Beim damaligen Obmann Peter Dütsch hat er zusammen mit seinen Teamkollegen Gregor Schlee und Peter Spath die Prüfung abgelegt. "Wir drei sind dann als Schiedsrichtergespann sehr oft zusammen im Einsatz gewesen", sagt der Rentner und erinnert sich an die Anfangszeit: "Zunächst haben wir noch ohne Pass gepfiffen. Den haben wir erst einige Monate später bekommen."
Heute gibt es eins auf den Deckel
Aufgrund seiner jahrzehntelangen Erfahrung kann Alfred Mennel natürlich viele Vergleiche ziehen. Sein Fazit: "Heutzutage werden die Schiedsrichter nicht mehr so angegangen wie früher." Die Begründung liefert er gleich hinterher: "Alle wissen ja, was dann passiert: Wenn eine Meldung gemacht wird, gibt es eins auf den Deckel. Früher war es dagegen lange nicht so streng."
Bis zu seinem 60. Geburtstag war der Stettfelder als Fußballer im Einsatz. "Sonntagfrüh habe ich gepfiffen, nachmittags selbst gespielt." Eigentlich wollte sich der Unparteiische nach der vergangenen Saison in den wohl verdienten Schiedsrichterruhestand verabschieden. Obmann Josef Raab machte ihm aber einen Strich durch die Rechnung und bekniete ihn weiterzumachen. So schwer war das nicht. "Noch macht es mir ja Spaß", versichert der 77-Jährige.
Wenngleich es im Laufe der letzten fünf Jahrzehnte neben der Einführung Gelber und Roter Karten zahlreiche weitere Änderungen gab. Als Beispiel nennt er den elektronischen Spielberichtsbogen (ESB). "Das kann ich ja gar nicht allein", sagt Mennel, der dabei von Schwiegertochter Sandra Naumann tatkräftig unterstützt wird.
Schreiende Spielereltern
Sein endgültiger Rückzug ist nicht absehbar, denn "der SC Stettfeld hat, wenn ich aufhöre, gar keinen eigenen Schiedsrichter mehr." Also pfeift er weiter. Unter anderem bei Schüler- und Jugendspielen, die bei vielen seiner Kollegen nicht gerade beliebt sind, denn dort sorgen die zuschauenden Eltern der Spieler oft für Geschrei und teilweise auch für Aussagen, die sprichwörtlich unter die Gürtellinie gehen. "Das macht mir aber gar nichts aus", meint Mennel, der unqualifizierte Äußerungen einfach von sich abprallen lässt.
Noch viel zu lernen
Im Gegensatz zu Mennel steht Julius Lang am Anfang seiner Karriere und muss demzufolge noch viel lernen. Doch der 14-Jährige, einer der jüngsten Schiedsrichter der Gruppe Haßberge, hat immerhin schon "ungefähr 30 Spiele" geleitet. Zumeist wird er im Nachwuchsbereich eingesetzt. Julius hat aber auch schon die zweite Mannschaft des TSV Königsberg gepfiffen.
Warum ist er eigentlich Schiedsrichter geworden? "Mich hat einfach interessiert, wie das so ist", sagt der junge Königsberger, der bei der U15 der JFG Hofheimer Land das Tor hütet. Und es sei häufig "nicht so, wie man Situationen als Spieler sieht." Seine bisherigen Erfahrungen sind überwiegend positiv. "Klar", sagt er, "werde ich bei einer Fehlentscheidung auch angemotzt." In erster Linie von Leuten, die viel älter als er seien.
Den Umgang mit unsachlicher Kritik hat der Gymnasiast aber schon gelernt: "Das ignoriere ich, und wenn die Zuschauer beleidigend werden, schreibe ich es in den Bericht und mache Meldung an den Verband." Aber alles ist halb so wild, denn "so richtige Probleme hatte ich noch nie." Eine getroffene Entscheidung nimmt Julius allerdings nicht zurück. "Ich passe halt beim nächsten Mal noch besser auf." Er hält es für wichtig, zu seiner Entscheidung zu stehen und sich nicht von anderen verunsichern zu lassen. Und seit er Schiedsrichter ist, sieht er auch als Torwart manche Situationen auf dem Spielfeld anders. Es komme durchaus vor, dass er seine Teamkollegen noch auf dem Feld über eventuell strittige Pfiffe seines Schiedsrichterkollegen aufklärt.
Klaren Kopf behalten
Einen Tipp bekommt Newcomer Julius noch von Routinier Alfred Mennel: "Behalte weiterhin eine klaren Kopf. Lass dich nicht verrückt machen." Und Fehlentscheidungen hält der Rentner für menschlich. "Mein Gott. Wenn ein Schiedsrichter einmal einen Fehler macht, dann macht er ihn halt. Wir sind doch alles nur Menschen. Auch die Spieler machen Fehler."