Die Sozialdemokraten im Stimmkreis Rhön/Haßberge stellten die personellen Weichen für die Landtags- und Bezirkstagswahl 2018.
Zu den im nächsten Jahr stattfindenden Landtags- und Bezirkstagswahlen haben die Delegierten der SPD das Tandem René van Eckert (30) aus Mellrichstadt und Bernhard Ruß (63) aus Sand als Direktkandidaten auf den Schild gehoben. Damit setzen die Genossen auf eine Kombination aus langjähriger kommunalpolitischer Erfahrung und jugendlichem Sturm und Drang. Eberns Bürgermeister Jürgen Hennemann als Versammlungsleiter im Hotel Goger in
Augsfeld rief seine Parteifreunde dazu auf, sich beherzt und voller Elan in die bevorstehenden Wahlkämpfe zu stürzen.
Die Bewerbungsrede des jungen René van Eckert war der Höhepunkt der Nominierungsversammlung für den Stimmkreis Rhön/Haßberge, der aus dem gesamten Landkreis Haßberge und einem Teil des Landkreises Rhön-Grabfeld gebildet wird. Während man ihm anfangs noch sein Lampenfieber anmerkte und er merklich angespannt war, gewann er nach kurzer Zeit an Selbstsicherheit. Er steigerte sich mit kämpferischen Attacken auf den politischen Gegner und versuchte, eine zuversichtliche Aufbruchstimmung zu vermitteln.
Unter dem Motto "Es wird Zeit" formulierte der Kreisrat und Vorsitzende des SPD-Kreisverbands Rhön-Grabfeld seine politischen Ziele. So will er sich unter anderem einsetzen für die Stärkung des Pflegebereiches und des Ehrenamtes, für einen leistungsfähigen öffentlichen Personennahverkehr, für die ausreichende Versorgung des ländlichen Raumes mit Haus- und Fachärzten, für den Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz und für die ausreichende staatliche Finanzierung von Sportstätten und Schwimmbädern.
Der ehrenamtlich als Fußballschiedsrichter aktive van Eckert prangerte den ausufernden Niedriglohnsektor an und verlangte, dass die Zeitarbeit stärker reguliert wird. Im Bereich der Kinderbetreuung müssten die Gebühren für Kindertagesstätten und -gärten gestrichen werden, verlangte der Mellrichstädter. "Der Geldbeutel der Eltern", so der Masterstudent, "darf nicht über die Zukunftsaussichten der Jugendlichen bestimmen."
Ausführlich ging der Kandidat auf das kommunalpolitisch heiße Eisen Krankenhausversorgung in strukturschwachen Gebieten ein. Mit "Hilferufen" der Kommunen an die "große Politik" sei es nicht getan, nötig sei vielmehr eine ausreichende finanzielle Ausstattung.
Der Kandidat wurde in der geheimen Abstimmung mit einem deutlichen Ergebnis belohnt. Von 65 abgegebenen Stimmen erhielt er 58 Ja-Stimmen. Sein Haupt-Gegenkandidat wird Steffen Vogel von der CSU. Der Thereser ist aktuell der Stimmkreiskandidat und gilt auch bei der Wahl im Herbst 2018 als Favorit.
Zügig ging die Nominierung von Bernhard Ruß als Stimmkreiskandidat für den Bezirkstag über die Bühne. Der Sozialdemokrat trat 1978 in die Partei ein und amtiert seit 1993 als hauptamtlicher Bürgermeister in Sand. Seit 1996 gehört er dem Kreistag Haßberge an und war auf Kreisebene unter anderem als Fraktionsvorsitzender und stellvertretender Landrat aktiv. Seit 2008 bringt er seine Erfahrung im unterfränkischen Bezirkstag ein.
Bei der Nominierung bekam er 64 von 65 abgegebenen Stimmen. Der erst im April bei zwei Gegenkandidaten erneut mit über 60 Prozent zum Gemeindechef gewählte Ruß machte seinen Genossinnen und Genossen Mut: "Ich bin noch im Wahlkampf-Modus und weiß: Die CSU ist auch in Bayern nicht unschlagbar!"
Anschließend an die Nominierungen wurde noch jeweils ein Listenkandidat für den Landtag und für den Bezirkstag per Akklamation benannt. Nach ihrer Vorstellung bestimmten die Wahlberechtigten die Diplom-Soziologin Johanna Bamberg-Reinwand (35) aus Zeil für die Landtagsliste und den Einrichtungsfachberater Thorsten Raschert (45) aus Burglauer für die Bezirkstagsliste.
Eine kurze Pause nutzte unser Reporter, um eine "Stimme aus dem Volk" zu hören. Zufällig stieß er dabei auf die Gemeinderätin und Rentweinsdorfer Ortsvereinsvorsitzende Ulrike Trunk. Die Angestellte nennt es "menschenunwürdig", dass es eine Vielzahl von Menschen gibt, die in Vollzeit arbeiten und trotzdem nicht anständig davon leben können. Sie wünscht sich auch für untere Einkommensschichten ein Lohnniveau, das eine verlässliche Lebensplanung ermöglicht und Altersarmut verhindert.
Bevor die Stimmkreiskonferenz endete, eröffnete die Tagesordnung die Möglichkeit zur Diskussion über die aktuelle bundespolitische Situation. Etwa ein Dutzend der Anwesenden inklusive der Bundestagsabgeordneten Sabine Dittmar, der Landtagsabgeordneten Kathi Petersen und der ehemaligen Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, Susanne Kastner, meldeten sich zu Wort. Dabei drehte sich fast alles um die Frage, welche Rolle die SPD bundespolitisch einnehmen sollte. Konkret: Ob sie sich an einer Regierung beteiligten sollte - und wenn ja in welcher Art und Weise.
Nur August Werner von der SPD-Arbeitsgemeinschaft "60plus" sprach sich ohne Wenn und Aber für die erneute Beteiligung an einer neuen großen Koalition aus. Alle anderen Debattenredner plädierten zwar für ergebnisoffene Gespräche, warnten aber davor, sich von einer übermächtigen Kanzlerin wieder die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Immerhin wurden keine Messer gewetzt, und niemand stellte die Person von Martin Schulz als Parteichef in Frage. Schließlich bekannte sich Bernhard Ruß zu seiner "Lieblings-Koalition": Für ihn wäre das ein Bündnis von CDU, SPD und Grünen - ohne die CSU.
mw