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Sie sind unvergessen in den Familien Knetzgaus


Autor: Sabine Weinbeer

Knetzgau, Dienstag, 16. April 2013

Das Knetzgauer Kriegerdenkmal ist im Moment im Ort ein heiß umstrittener Platz, denn es hat Gedankenspiele gegeben, es an einer anderen Stelle zu errichten. Etliche Bürger wollen das nicht. Sie wollen, dass die Namen der Menschen, die sie einst liebten, in der Ortsmitte bleiben.
Maria Albert und ihr Bruder Karl gehören zu den jüngsten Opfern des Zweiten Weltkriegs aus Knetzgau. Das Knetzgauer Kriegerdenkmal erinnert an sie. Fotos: Sabine Weinbeer


Wenn Betty Sauer von ihrer Schwester Maria spricht, treten ihr noch heute Tränen in die Augen. 13 Jahre war Betty, als sie ihre Schwester vom Bus abholen wollte, Maria aber nicht ausstieg. Die junge Eisenbahn-Schaffnerin war beim Luftangriff auf Schweinfurt am 14. Oktober 1943 ums Leben gekommen.

Geschwister sind unvergessen

Maria Albert ist eine der Gefallenen des Zweiten Weltkriegs, derer am Knetzgauer Kriegerdenkmal gedacht wird, deren kurze Lebensgeschichten in den Familien noch vor Augen steht. Auf der Tafel für die Vermissten steht außerdem der Bruder Karl Albert.

Karl war 17 Jahre, hatte gerade die Lehre abgeschlossen, als er zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Im letzten Brief informiert er seine Familie, wie Betty Sauer erzählt, dass er noch nicht wisse, wo es hingeht. "Richtung Osten", nur so viel wusste er. Danach gab es kein Lebenszeichen mehr, Karl galt als vermisst, wurde viele Jahre später für tot erklärt.

Den Tod der Tochter nie verkraftet

Das erlebte der Vater von Betty Sauer schon nicht mehr. "Er hat den Tod von Maria nie verkraftet", erzählt die heute 83-Jährige. Die Schwester war mit 18 Jahren dienstverpflichtet worden als Schaffnerin der Reichsbahn. Zwei Wochen lang war sie immer am Stück unterwegs, dann kam sie mit dem Bus für ein Wochenende heim.

Ein solcher Kurzurlaub daheim sollte auch mit dem 14. Oktober 1943 beginnen, doch die junge Frau starb beim Bombenangriff. Sie kann Betty Sauer wenigstens am Grab besuchen. Maria Albert wurde zwar zunächst im Massengrab im Schweinfurt beigesetzt, 1946 konnte sie jedoch umgebettet werden. "Der Vater wollte sie unbedingt hier in Knetzgau haben", erinnert sich Betty Sauer. An Bruder Karl hingegen erinnert nur die Inschrift am Kriegerdenkmal.

Emotionale Bindung ist stark

Wenn Betty Sauer erzählt, versteht man, welche emotionale Bindung sie an dieses Denkmal hat und was es für sie bedeutet. Sie gehört zu der Gruppe Knetzgauer Bürger, die sich gegen alle Bestrebungen wenden, das Denkmal zu verlegen. "Das Denkmal steht mitten im Ort, und da gehört es auch hin", betont Betty Sauer. Mahnmal für den Frieden, Warnung vor den Folgen von Krieg, das ist es für sie, und deshalb sollte es saniert und aufgewertet werden. Ihre Geschwister sind zwei der Jüngsten, die dort eingemeißelt sind - jeder Name steht für eine Geschichte, für eine Familie in Knetzgau.

Für Betty Sauer ist der Zweite Weltkrieg täglich gegenwärtig, denn ihr Mann Albert leidet bis heute an den Folgen seines Kriegseinsatzes. Bis Oktober 1948 war er in französischer Gefangenschaft, 1951 heiratete er seine Betty. Von seinen schweren Kriegsverletzungen zeugten damals nur die Narben am Rücken.

Granatsplitter in der Lunge

Ab 1965 hatte Albert Sauer zunehmend Probleme beim Atmen, schließlich musste ihm die halbe Lunge entfernt werden - mehrere Granatsplitter steckten noch im Lungenflügel. Der Mann ist seitdem pflegebedürftig, inzwischen auch fast taub und blind.

Weitere Schicksalsschläge, unter anderem den Unfalltod ihres einzigen Sohnes hatte Betty Sauer zu verkraften - und dennoch fühlt sie sich verpflichtet, sich an der Diskussion um den Standort des Denkmals zu beteiligen.

"Die Leute, die da diskutieren, sollen mal drüber nachdenken, was das Kriegerdenkmal für Knetzgau bedeutet", wünscht sie sich. Schließlich müsse man sich auch mit den ernsten Dingen des Lebens auseinandersetzen und sie nicht wegschieben.


Bilder:
1 und 2: Karl und Maria Albert sind zwei der jüngsten Kriegsopfer, an die die Schrifttafeln am Kriegerdenkmal in Knetzgau erinnern. Foto: sw


3: Maria Albert war 18, ihr Bruder Karl 17 Jahre alt, als sie Opfer des Zweiten Weltkrieges wurden. Foto: sw