Druckartikel: "Sie kann schlecht lügen"

"Sie kann schlecht lügen"


Autor: Philipp Demling

Haßfurt, Freitag, 24. Juli 2015

Das Landgericht Bamberg hat einen 35-Jährigen aus dem Kreis Haßberge wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu sechseinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Die Große Jugendkammer glaubte der Aussage des Opfers.


Der Mann hatte seine damals zwölf Jahre alte Stieftochter offenbar mindestens viermal zum Sex gezwungen. Das Mädchen soll laut Zeugenaussagen damals sexuell völlig unaufgeklärt gewesen sein und überhaupt nicht verstanden haben, was der Stiefvater mit ihr machte.

Später begab sich das Kind freiwillig in die Obhut des Jugendamtes und kam in eine Pflegefamilie. Zunächst erzählte es "nur" von Schlägen und psychischen Erniedringungen durch den Ehemann der Mutter. Erst nach einem halben Jahr schilderte die damals 13-Jährige ihrer Pflegemutter die schlimmen Vorfälle in ihrem Schlafzimmer.

Der Angeklagte hatte vor Gericht zu den Vorwürfen geschwiegen. Kurz nachdem die Stieftochter und ihre Pflegemutter ihn angezeigt hatten, soll er seine Sexualtaten in einer polizeilichen Vernehmung abgestritten haben - mit dem Hinweis, das Mädchen lüge öfter.

Im Gespräch mit einem Psychiater, der ihn begutachtete, soll der 35-Jährige dann zwei Übergriffe zugegeben haben.

Niemand von den Zeugen und Sachverständigen, die die heute 14-Jährige kennen, konnte sich aber vorstellen, dass diese eine solche Geschichte erfinde. "Sie kann schlecht lügen", erläuterte eine Mitarbeiterin des Haßfurter Jugendamtes als Zeugin. "Sie hat Entwicklungsverzögerungen. Man kann sie nicht mit anderen Mädchen ihres Alters vergleichen", erklärte die Zeugin.

Von der Schuld überzeugt

Auch die Richter der Großen Jugendkammer des Landgerichts Bamberg sind von der Schuld des 35-Jährigen Angeklagten überzeugt und verurteilten ihn am Ende des dreitägigen Prozesses zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten. Der Staatsanwalt Thomas Förster und die Rechtsanwältin Kerstin Pausch-Trojahn, die das Mädchen als Nebenklägerin vertrat, hatten acht Jahre beantragt. Verteidiger Alexander Wessel hatte einen Freispruch gefordert, weil er an der Glaubhaftigkeit der Aussage der 14-Jährigen zweifelte. Das Urteil des Landgerichts ist nicht rechtskräftig.