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Seit zehn Jahren in Spitzenschuhen: Ballett ist Lisas Leben


Autor: Carmen Schmitt

Zeil, Donnerstag, 26. Sept. 2013

Die 13-jährige Lisa Hermann aus Zeil lebt in Mannheim. Dort lernt und trainiert sie für ihren Traum - Ballett. Sie will hoch hinaus.
Lisa Hermann aus Zeil macht seit fast zehn Jahren Ballett. Ihr Hobby wurde zum Berufswunsch. Fotos: bcst


Lisa Hermann kreuzt die rosafarbenen Bänder ihres Ballettschuhs über ihrem Fuß. Die 13-Jährige verknotet sie am Knöchel. Viele Stunden hat sie in diesen Schuhen schon getanzt. Lisa ist an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Mannheim. Fast 300 Kilometer entfernt von ihrer Familie in Zeil tanzt sie dort jeden Tag.


Opa förderte das Talent

Ein Leben ohne Ballett kann sich Lisa nicht vorstellen. "Das geht gar nicht. Wenn ich kein Ballett mehr machen könnte, würde ich auf jeden Fall trotzdem tanzen." Seit fast zehn Jahren trainiert sie. Sie war nicht einmal vier Jahre alt, als sie zum ersten Mal eine Unterrichtsstunde in einer Ballettschule besuchte. Wie es dazu kam, weiß ihre Mutter Yvonne Hermann noch genau.

"Eigentlich ist der Opa schuld", sagt sie und schmunzelt.

"Lisa hat schon als Kind immer auf den Zehenspitzen gestanden, egal welche Schuhe sie anhatte. Irgendwann hat dann der Opa vorgeschlagen, dass wir sie mal zu einer Ballettstunde schicken." Seitdem hat sich das Hobby der 13-Jährigen zur Leidenschaft entwickelt und ist mittlerweile zu einem Berufswunsch geworden.


Weit weg von Familie und Freunde

Lisa hat sich in ihre Trainingsklamotten geschmissen: eine rosafarbene Strumpfhose und ein schwarzer Body. Dazu die Spitzenschuhe mit dem Holzeinsatz am vorderen Fußende. Sie zwirbelt ihre langen blonden Haare und knotet sie zu einem Dutt am Hinterkopf fest. Sie steht in der Küche neben ihrer Mutter.

Gerade ist Lisa zu Hause. Ausnahmsweise, weil sie krank ist. Ohne Ballett kann sie aber auch dann nicht. Lisa wirft sich in den Spagat - ohne sich aufzuwärmen. Das ist das Aufwärmen für sie. Ihren Oberkörper legt sie nach vorn ab. "Ich muss mich jeden Tag dehnen", erzählt sie.

"Wenn Lisa zu Hause ist, tänzelt sie ständig herum. Das merkt sie schon gar nicht mehr", sagt ihre Mutter Yvonne. Das kommt in der Regel einmal im Monat vor. Dann ist sie mit dem Zug dreieinhalb Stunden unterwegs, bis sie bei ihrer Familie ankommt. Daheim trifft sie auch ihre Freunde. "Die finden das alle interessant, was ich mache", freut sie sich. Ansonsten lebt die 13-Jährige in Mannheim in einem betreuten Wohnheim. Um halb sechs beginnt ihr Tag.

Wenn sie nach dem Frühstück in der Schule ankommt, hat sie bis 13 Uhr Unterricht. Danach steht Lernen auf dem Programm. Den Rest des Tages trainiert sie. Charaktertanz, Spitzenschuh-Training, Pilates, Klassisches Ballett oder Moderner Tanz. Sie übt auch, mit ihren Bewegungen Gefühle auszudrücken. "Am besten ist es, damit zu zeigen, wie man traurig oder glücklich ist", sagt Lisa. Sie steht zusammen mit den anderen Balletttänzern ständig unter Beobachtung der Trainer. Prüfungen stehen an. "Das ist schon viel Druck.


Alles muss passen

Bei einer Ballerina muss alles passen." Auch auf den Körper werde sehr viel Wert gelegt. Haben die Schüler nach Meinung der Ballettlehrer etwas zu viel auf den Rippen, hören sie schon einmal den Hinweis: "Pass doch mal etwas auf deine Ernährung auf". Man dürfe sich aber nicht hineinsteigern, erklärt die 13-Jährige. Sie hat auch schon mitbekommen, wie eine Ballett-Kollegin magersüchtig wurde und die Schule verlassen musste.

Wenn Lisa gegen 20 Uhr nach Hause kommt, stehen außerdem noch Wäschewaschen, Aufräumen und Kochen auf dem Programm. Eben der normale Alltag. Jeden Abend telefoniert sie auch mit ihrer Mutter zu Hause in Zeil. "Ich bin froh, wenn sie anruft. Dann weiß ich, es ist alles in Ordnung", sagt ihre Mutter. Sie ist stolz auf ihre älteste Tochter. "Ich bewundere, wie sie das alles macht. Andere Mädels in ihrem Alter würden das gar nicht schaffen." Yvonne Hermann hat Vertrauen in Lisa. "Sie ist sehr selbstständig."

Als Lisa neun Jahre alt war, ging sie nach Stuttgart auf ein Internat. Ihre damalige Ballettlehrerin riet der Familie, Lisa solle sich bei der John-Cranko-Ballettschule in Stuttgart bewerben. "Von allein wären wir darauf gar nicht gekommen. Wir haben es probiert und sie wurde genommen", erzählt Yvonne Hermann. "Wir haben hunderte Mädchen vor und hinter uns gesehen, alle wollten auf diese Schule. Aber es werden immer nur wenige Schüler ausgewählt." Lisa hatte es geschafft.

Drei Jahre verbrachte sie auf der Privatschule. Lernte und trainierte. Dann ging sie ab und verbrachte ein Jahr zu Hause in Zeil. War auf der Realschule und machte fast jeden Tag Ballett. Aber es war nicht das Gleiche. Sie bewarb sich an der Mannheimer Hochschule und wurde prompt genommen, obwohl die Aufnahmeprüfungen schon vorbei waren. "Das war eine ganz große Ausnahme", sagt ihre Mutter stolz.

Seit diesem Monat lernt und trainiert sie in Mannheim. Sie hofft, dass sie mit ihrer Ausbildung, wenn alles klappt nach fünf Jahren, mit dem Ballett ihr Geld verdienen kann. Das auch, obwohl sie weiß, dass für eine Ballerina mit spätestens 35 Jahren Schluss ist in dem Tanzgeschäft. Mit einigen ihrer Idole vom Russischen Staatsballett stand sie sogar schon bei Aufführungen am Stuttgarter Theater auf der Bühne. Wer weiß, vielleicht nicht zum letzten Mal.