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Ruhestätte legt beredtes Zeugnis ab


Autor: Gerhard Schmidt

Ermershausen, Montag, 08. Juli 2013

Im Judenfriedhof von Ermershausen finden sich die Namen von Vorfahren berühmter Leute. Gäste aus Paris begaben sich dieser Tage auf Spurensuche.


Wenn vom Judentum die Rede ist, wird kaum einer auf die kleinste Gemeinde im Norden des Landkreises kommen. Dabei zeigen sich dort die internationalen Verbindungen. Besonders im Judenfriedhof, der wegen der nahen Bundesstraße 279 ob des Verkehrslärms zumindest tagsüber keinen Ort der Ruhe darstellt.
Berühmt wurde dieses "Haus der Ewigkeit", weil dort Nina Kissinger, die Großmutter des späteren US-Außenministers und Friedensnobelpreisträgers Henry Kissinger (90) begraben liebt. Während Kissinger stets mit seiner Heimatstadt Fürth (und den "Kleeblättlern" ) in Verbindung gebracht wird, liegen seine eigentlichen Wurzeln in Ermershausen, wo 1887 der Vater des populären US-Politikers, Louis Kissinger, geboren wurde.
Erst am Sonntag informierte sich wieder eine jüdische Besuchergruppe.

Die Gäste aus Paris wandelten auch auf den Spuren der Vorfahren des renommierten Geldhauses Goldman & Sachs, die ebenfalls in Ermershausen bestattet wurden.
Am Sonntag befanden sich Mitglieder der jüdisch-liberalen Kultusgemeinde Paris mit ihrem Rabbiner Stephen Borkowwitz in Ermershausen, um den Friedhof und die Synagoge im nahen Memmelsdorf zu besichtigen.
Die Verbindung zur jüdischen Gemeinde aus Frankreich, die Wurzeln in Deutschland und Spanien hat, geht auf Anouk Chiche, eine geborene Antje Ebert aus Maroldsweisach, zurück. Anouk Chiche heiratete den Franzosen Alain Chiche aus Paris und zog dorthin. Alain ist Jude, und so kam die Verbindung zur jüdischen Gemeinde zustande. Ein Besuch von Bamberg mit einer Stadtführung bildet den Abschluss des Deutschlandbesuchs der Franzosen.

Zeugnis

Bürgermeister Werner Döhler betonte, dass es wichtig sei, solche Gedenkstätten als Zeitzeugen einer unsäglichen Zeit zu erhalten. "Wir sind als Ermershäuser stolz darauf, dass so berühmte Persönlichkeiten hier beerdigt sind." Bis zu zehn Prozent der Einwohner von Ermershausen seien jüdischen Glaubens gewesen, erklärte Bürgermeister Döhler. Dadurch sei der jüdische Friedhof (er liegt in Höhe der Rehbergkuppe am Rande des Waldes) überregional bekannt und werde oft besucht.
Anouk Chiche, die als Übersetzerin fungierte, dankte im Namen der Franzosen für die freundliche Aufnahme in ihrer ehemaligen Heimat. Der 70-jährige Israel Schwierz, ehemaliger Rektor der jüdischen Militärgemeinde in Würzburg, übernahm den geschichtlichen Part des jüdischen Friedhofs von Ermershausen, der 1830 entstand. Zuvor herrschte in Unterfranken, wo die meisten jüdischen Kultusgemeinden bestanden haben, Kleinstaaterei. Da vor der Anlegung des Friedhofes in Ermershausen die Toten zum Bezirksfriedhof nach Ebern oder nach Kleinsteinach gebracht werden mussten, bedeutete dies nicht nur einen weiten Weg, sondern auch erhebliche Kosten. In jedem Hoheitsgebiet mussten Zölle entrichtet werden. Die Juden seien zu einer guten Einnahmequelle geworden, erklärte Israel Schwierz. Nach der napoleonischen Zeit fürchteten die Menschen wieder die Kleinstaaterei und damit verbundene Kosten und errichteten in Ermershausen an der alten Handelsstraße 1830 den jüdischen Friedhof, auf dem die Juden aus Ermershausen, Maroldsweisach und Altenstein ihre letzte Ruhe fanden.