Druckartikel: Ruhe und Stille am wichtigsten

Ruhe und Stille am wichtigsten


Autor: Ulrike Langer

Haßfurt, Freitag, 24. April 2015

Michael Rosenberger aus Linz referierte im Pfarrsaal unter anderem über das "Kleinod Ritterkapelle".
Zu seinem Vortrag "Die Ritterkapelle als Pilgerziel im 21. Jahrhundert" hatte Professor Michael Rosenberger (rechts) eine Umfrage unter den Besuchern der Kapelle durchgeführt. Die Ergebnisse wurden im Pfarrsaal ausgestellt - hier von links Elisabeth Sinner, Adolf Dirschbacher und Pfarrer Stephan Eschenbacher. Foto: Langer


Die Pfarreiengemeinschaft St. Kilian Haßfurt nimmt das Jubiläumsjahr "550 Jahre Ritterkapelle Haßfurt" zum Anlass, dieses Gotteshaus auch wieder als Wallfahrtskirche Heilige Jungfrau Maria in den Blickpunkt rücken. Einen Weg dahin zeigte der Professor für Moraltheologie an der Katholisch-Theologischen Privatuniversität Linz, Michael Rosenberger, in einem beeindruckenden Vortrag im Pfarrsaal auf.

Pfarrer Stephan Eschenbacher hieß den Referenten zusammen mit gut 40 Zuhörern herzlich willkommen. "Ich habe ihn eingeladen, weil er auch für den Wallfahrtsservice der Diözese Würzburg tätig ist und ein Buch mit dem Titel "Auf Gottes Wegen - eine kleine Theologie der Wallfahrt"verfasst hat", erklärte er. Die Pfarreiengemeinschaft St. Kilian wolle im Jubiläumsjahr nicht nur zurückblicken, sondern auch vorausschauen und überlegen, wie der Raum der Ritterkapelle inhaltlich gefüllt werden könne. Die Impulse aus dem Vortrag wolle man aufnehmen, um die Wallfahrt wiederzubeleben.

Michael Rosenberger hatte sich die Frage gestellt, wie man aus dem "Kleinod Ritterkapelle" etwas machen könne, das die Gläubigen in ihrem Leben weiterbringen kann. "Die Kirchen werden immer leerer, die Pilgerwege aber immer voller", sagte er und verwies beispielhaft auf den Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Waren es dort 1989 rund 5760 Pilger, so habe sich die Zahl bis 2012 auf über 192 000 gesteigert. Erstaunlich sei, dass etwas mehr Männer als Frauen auf dem Jakobsweg unterwegs und fast ein Drittel der Menschen 30 Jahre und jünger seien, dass auch die evangelische Kirche das Pilgern für sich entdeckt habe und dass es zu seinem eigenen Buch einen evangelischen Zwillingsbruder, das Buch mit dem Titel "Sich fremd gehen - warum Menschen pilgern", gebe.

"Wallfahren ist die religiöse Form der Moderne und eine Wallfahrt kann die Bedürfnisse der Menschen erfüllen, die die heutige Zeit immer weniger stillt", konstatierte Michael Rosenberger. "Denn heute wird der Mensch verplant, er ist immer mehr fremdbestimmt, er lebt größtenteils anonym, er hat kaum noch Möglichkeiten für den Körpereinsatz und muss sein ganzes Handeln immer wieder hinterfragen lassen." Bei einer Wallfahrt, vor allem, wenn man alleine oder in einer kleinen Gruppe unterwegs sei, könne sich der Pilger aus dem Planungsdruck befreien, selbst bestimmen, wie er pilgern wolle, sich als Individuum wahrnehmen und den Körper spüren.
Zur Vorbereitung auf den Vortrag mit dem Titel "Die Zukunft kommen lassen - Die Ritterkapelle als Pilgerziel im 21. Jahrhundert" hatte Michael Rosenberger eine kleine Umfrage in der Ritterkapelle durchgeführt und die Ergebnisse im Pfarrsaal präsentiert. 54 Besucher hatten schriftlich festgehalten, was ihnen die Ritterkapelle bedeutet. Auffallend sei, dass für 21 von ihnen vor allem Ruhe und Stille wichtig sind. 15 Personen nannten die Schönheit, zwölf den Gebetsort, elf die Heimat, zehn die Kultur und die Geschichte, acht das Marienheiligtum und drei das Pilgerziel. Einige hatten auch Kritik an der Neugestaltung geäußert. Bedeutsam ist, dass 40 Besucher 40 Jahre und älter waren, die jungen Menschen also "fehlen". "Aus der Umfrage ist deutlich abzulesen, dass das Wichtigste, was der Mensch heute braucht, Ruhe ist. Und genau das kann die Kirche am besten", so der Referent. Ein Grund, warum die Kirchen sonntags immer leerer seien, sei, dass die Menschen einfach mal ausschlafen wollten. Denn der Druck im Beruf und in der Schule sei immens gestiegen. Die Kirche müsse daher umschalten und nicht immer mehr und immer tollere Angebote machen, sondern den Sabbat als Ruhetag ernst nehmen. "Als Linz 2009 Kulturhauptstadt war, wurden die Ruhe-Angebote am stärksten nachgefragt", so Rosenberger. "Wir hatten im Domturm einen Raum der Ruhe, den man eine Woche lang bewohnen konnte, und dieses Angebot läuft aufgrund der übergroßen Nachfrage bis heute!" "Samuel hat im Tempel geschlafen. Warum also sollten Menschen heute nicht ein Nickerchen in der Kirche machen?" Für Rosenberger wäre das kein Problem.

Durchgangsort

Um jüngere Menschen zu erreichen, könnte man regelmäßig Taizé-Gebete oder andere ruhige Angebote machen. Die Ritterkapelle könnte aber auch eine Station auf einem Weg sein, liegt sie doch am Fränkischen Marienweg und am Mainradweg. Entsprechende Wegweiser, Fahrradständer, Ruhebänke, Toiletten und Informationstafeln könnten dies unterstützen. "Wenn Sie sich als Radwegkirche - bisher ein Angebot mit Signet der evangelischen Kirche - bewerben, könnten Sie Eis brechen", forderte der Referent die Pfarreiengemeinschaft auf. Die Ritterkapelle ist laut Rosenberger als Pilgerziel aber auch ein Durchgangsort. "Man sieht für einen Moment ein Stück Himmel auf Erden, der uns versprochen ist", sagte er. "Sie war und ist ein regionales Pilgerziel, sie hat ein Gnadenbild und es gibt schon eine Sternwallfahrt der Pfarreiengemeinschaft." Man könnte die Bedeutung für das Dekanat Haßberge stärken, Pilgerwege aussuchen und markieren, sie selbst gehen und Pilgerwegsbegleiter ausbilden, Rituale des Ankommens, Einziehens und Gottesdienstfeierns einführen, Beichtgespräche sowie Pilgerandenken anbieten. "Eine Wallfahrt lässt sich nicht machen. Aber eine spirituell ausstrahlende Kirche zieht von selbst Menschen an und die Ritterkapelle hat diese Ausstrahlung! Lassen Sie also die Zukunft kommen", so Rosenberger abschließend.