Druckartikel: "Rennpferde" und Boten des Eheglücks

"Rennpferde" und Boten des Eheglücks


Autor: Helmut Will

Memmelsdorf, Freitag, 26. Dezember 2014

Frank und Benjaporn Schelhorn aus Memmelsdorf betreiben einen Sport, der viel Zeit und Geduld erfordert: die Zucht von Brieftauben. Unter den 117 Tieren gibt es aber auch einige schneeweiße Exemplare, die bei Hochzeiten ihren großen Auftritt haben.
Die weißen Tauben von Frank Schelhorn kommen bei Hochzeiten zum Einsatz. Foto: Helmut Will


Immer dann, wenn das erste Licht des erwachenden Tages die Nacht zurück drängt und der Morgen dämmert, führt der erste Weg von Frank Schelhorn zu seinem Taubenschlag. Die erste Fütterung seiner 117 Tauben steht an. Vor mehr als 50 Jahren hat sein Vater Harry, der im Jahr 2012 verstorben ist, mit der Zucht von Brieftauben begonnen. "Rennpferde des kleinen Mannes" werden Brieftauben auch genannt. Der älteste Brieftaubenzüchterverein ist aus dem Jahr 1837 in Aachen bekannt.

"Meine Tauben geben mir viel, nehmen aber auch viel Zeit in Anspruch", sagt Frank Schelhorn. Zeit nimmt sich der Mediendesigner und Vater von einem Kind für seine Tiere immer. "So zwei Stunden benötigen mich meine Tiere täglich".

Seine Liebe zu Tauben hat er von seinem Vater. "Der hat sich, solange ich denken kann, schon mit Tauben beschäftigt, allerdings erst mit ganz normalen Haustauben", sagt Frank Schelhorn.

"Mein Vater war in seiner Kindheit schon immer gerne im Taubenschlag und auf Taubenmärkten unterwegs. Ich fand an den Tieren Gefallen. Was kann es auch für Kinder interessanteres geben als Tiere", fragt Schelhorn. So muss wohl auch seine Tochter Wilawan gedacht haben. Sie und ihre Mutter Benjaporn sind gerne im Taubenschlag und versorgen die Tiere.

Täuber mit Heimweh

"Mein Vater Harry hat seine erste Brieftaube, einen Täuber, aus Mittelberg bei Coburg geholt, sagt Frank Schellhorn. Den bekam er geschenkt und er hatte noch nicht so viel Erfahrung. Der Täuber riss häufiger aus. "Immer dann, wenn er ihn von anderen Haustauben trennte, flog er in seinen ehemaligen Schlag nach Mittelberg zurück. Er konnte sich wohl mit dem Alleinsein nicht anfreunden, oder hatte er Heimweh", lacht Frank Schelhorn.

"Früher", so erinnert sich der Taubenfreund, "hatten wir in Memmelsdorf selber einen Brieftaubenverein der sich ,Alsterbote Memmelsdorf' nannte". Sechs aktive Züchter hat es zu dieser Zeit in Memmelsdorf und Untermerzbach gegeben und man war der Reisevereinigung Ebern verbandsmäßig angegliedert. "Das Interesse der Jugend am Züchten von Brieftauben hat nachgelassen", sagt der passionierte Taubenliebhaber. "Das Züchten von Brieftauben ist ein Sport der Geduld", weiß Schelhorn. Die Tiere brauchen Vertrauen. Deshalb müsse man einfach auch manchmal längere Zeit im Taubenschlag sitzen um die Tiere zu beobachten. "So kann man Vertrauen zwischen Tier und Züchter schaffen und erhalten."

Das Rätsel der Orientierung

Es ist immer noch nicht vollständig erforscht, wie sich Brieftauben orientieren. "Man erzählt, dass sie sich an Magnetfeldern orientieren, aber auch die Sicht ein entscheidender Faktor für zielgerichtetes Fliegen ist", so Frank Schelhorn. Es kommt häufiger vor, dass sich Brieftauben bei Gewittern verfliegen oder auch bei Nebel. Daraus schließt man, dass dies negative Faktoren für systematisches Fliegen sind. "Eine unserer Tauben hat sich im Jahr 1980 auch verflogen, bzw. ist nicht wieder zurück gekehrt. Dies wäre, neben dem Verlust des Tieres umso bedauernswerter, weil diese Taube bereits zwölf Flüge als erfolgreich absolviert und immer Preise errungen hatte. "Bei dreizehn Flügen hätte sie einen sogenannten "Vollen Preis" zugestanden bekommen, was den Wert eines Tieres erheblich erhöht".

Mit zehn Tieren zur Hochzeit

In den Schlägen der Familie Schelhorn sind gegenwärtig 117 Tiere beheimatet. Wettflugrennen veranstaltet Schelhorn derzeit mit seinen Tauben nicht. Aber auch etwas ganz besonderes ist im Schlag von Frank Schelhorn zu finden und zwar sogenannte Hochzeitstauben. Hierbei handelt es sich um reinweise, oder "schneeweiße" Tauben, deren Zucht besonderer Kenntnis und Aufmerksamkeit bedarf.

Gerne können Hochzeitstauben bei Frank Schelhorn "gebucht" werden, wenn ein Brautpaar den Start in das Eheglück wagt. "In so einem Fall fahren wir mit zehn Hochzeitstauben zur Hochzeitsgesellschaft und lassen die Tiere, zum Beispiel nach der kirchlichen Trauung, als Symbole des Glücks in die Lüfte steigen", sagen Frank und Benjaporn Schelhorn. Bekannter Weise gelten Tauben unter anderem ja auch als Symbole des Friedens.

Die Glocke am Anflugbrett

Das Ehepaar zeigt eine "Taubenuhr". "Mit dieser Uhr wurde früher die Zeit genommen", sagt Frank Schelhorn. Bei Wettbewerbsflügen wurde die Taube mit einem Gummiring, in dem eine Metallhülse eingearbeitet war, am Bein beringt und zum Startplatz gebracht. Wenn sie in den Heimatschlag zurück kam, wurde dieser Metallring in besagter Taubenuhr "abgedreht" und es erfolgte auf einer Banderole der Zeitausdruck. "Bei dieser Zeitermittlungsmethode musste man höllisch aufpassen, um die Rückkehr der Taube möglichst zeitnah mit zu bekommen. Die Flugzeit zählte so lange, bis sie mit der Taubenuhr abgedreht war", sagt Frank Schelhorn. Es wurden deshalb auf den Anflugbrettern "Alarmanlagen" installiert, so dass eine Glocke ertönte, wenn die Taube zurückkehrte.

Heute ist das kein Problem mehr. Die Tauben werden mit einem elektronischen Magnetstreifen versehen, der in einer Glashülse steckt. Dieser Ring wird der Taube elektronisch zugewiesen. Das Einflugbrett ist mit einem Computer verbunden. Sobald die Taube aufsetzt, wird die Zeit auf dem Rechner ermittelt, sodass "Fehlzeiten" ausgeschlossen sind.

Bei Wettflügen werden die Tiere mit einem speziell ausgerüsteten Lkw zum Startplatz gebracht und dort, in der Regel vom Lkw-Fahrer, unter Aufsicht und Anordnung eines Flugleiters "aufgelassen".

Zahlreiche Urkunden und Preise haben Frank und auch sein Vater Harry schon mit ihren Tieren ergattert. "Mit seinem Täuber "Schorsch" errang mein Vater am 1.Juli 1979 einen ersten Preis für die Strecke Meaux - Memmelsdorf, freut sich noch heute Frank über den Erfolg seines Vaters Harry. Ziel eines jeden Züchters ist es zudem, "Spitzentauben" zu züchten. "10 000 Euro sind für solche Tiere keine Seltenheit", sagt Frank Schelhorn. Vor allem in Japan und Saudi-Arabien sind Spitzentiere heiß begehrt.

"810 Kilometer war die weiteste Strecke, welche eine meiner Tauben von Le Mans bis nach Memmelsdorf zurück gelegt hat. Heute werden in der Regel kürzere Strecken geflogen. Wenn heute ein Tier Strecken, wie meine Tiere früher geflogen sind, zurücklegt, nennen die das schon Weitstreckenflug", sagt Frank Schelhorn. Früher waren das ganz normale Strecken. "Manchmal verschießt sich auch ein Tier. So haben wir im Jahr 2002 in Chiemsee und in Passau zwei unserer Tiere abgeholt", sagte Frank Schelhorn. Auf dem Ring der Tiere steht die Telefonnummer des Besitzers, sodass dieser jederzeit verständigt werden kann.

Wenn jemand eine erschöpfte Brieftaube sieht, kann er diese mit Hafer, Reis und Wasser "aufpäppeln" und sie nach zwei bis drei Tagen wieder "auflassen", sprich fliegen lassen, rät der Züchter. Das sollte an einem klaren Tag, ohne Nebel und nicht bei schlechtem Wetter erfolgen. "Die Taube findet dann auch wieder in den heimischen Schlag zurück", ist sich Frank Schelhorn sicher.

Im Schlag erwarten einen die Tauben, fein sauber aufgereiht, auf ihren Plätzen. Beim Näherkommen begrüßen sie die Züchter gurrend und flatternd. Langsam und bedächtig geht Frank Schelhorn in den Schlag und nimmt behutsam eine "Hochzeitstaube" auf den Arm. Neugierig schauen die Übrigen, flattern ab und zu hin und her.
Sauber ist die Anlage für die Fütterung der Tiere. "Im Winter bekommen sie von mir zweimal, früh und abends, je einen Esslöffel voll Futter, genau nach einem Ernährungsplan. Um die 30 Gramm des nicht ganz billigen Futters sind pro Tag für ein Tier fällig, was sich bei den 117 Tieren der Schelhorns entsprechend rechnet.

"Im Jahr" so sagt Frank Schelhorn, "kommen für den Unterhalt der Tiere mit den entsprechenden Impfungen um 2500 Euro zusammen". Diese Summe investiert der Taubenliebhaber offensichtlich gerne für seine Tiere.