Rätselhafte Fundstücke im Landkreis Haßberge: Was steckt dahinter?

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In Recheldorf ist in der Wand zwischen zwei Felsenkellern kopfüber ein Quader eingelassen, der aus einem viel älteren Bauwerk stammt. Manfred Reuter ist auf ihn aufmerksam geworden. Unten sieht man zwei weitere Spolien. Fotos: Günter Lipp
In Recheldorf ist in der Wand zwischen zwei Felsenkellern kopfüber ein Quader eingelassen, der aus einem viel älteren Bauwerk stammt. Manfred Reuter ist auf ihn aufmerksam geworden. Unten sieht man zwei weitere Spolien.  Fotos: Günter Lipp
Die Schilde sind kopfüber - erst um 180 Grad gedreht kann man sie untersuchen. Günter Lipp
Die Schilde sind kopfüber - erst um 180 Grad gedreht kann man sie untersuchen. Günter Lipp
 
Hubert Müller aus Untermerzbach ist auf das Modell gestoßen.
Hubert Müller aus Untermerzbach ist auf das Modell gestoßen.
 
Die Spitze der Kirche in Memmelsdorf ist dem Modell sehr ähnlich.
Die Spitze der Kirche in Memmelsdorf ist dem Modell sehr ähnlich.
 

Der Heimatpfleger Günter Lipp stellt in seiner Serie "Heimatkunde aus den Haßbergen" zwei rätselhafte Fundstücke aus Untermerzbach vor.

Wenn jemand im Alltag eine Brille findet, einen Autoschlüssel oder ein Taschenmesser, dann ruft er meist bei der Gemeinde an oder geht damit zur Polizei. Mit Sachen, die unvermutet aus der Geschichte auftauchen, wird das schwieriger. Erste Anlaufstelle ist dann der Heimatpfleger. Zweimal bin ich, Günter Lipp, in letzter Zeit in solchen Fällen angerufen worden und zweimal ist daraus ein kleiner Forschungsauftrag geworden.

Im Frühjahr hat Manfred Reuter aus Rentweinsdorf bei seinen Wanderungen westlich von Recheldorf in einer Kellermauer einen seltsamen Stein entdeckt. Dieser ist im Hang unterhalb des Bretzensteins zwischen den Kellern von Karl Ludwig Grell und Werner Schorn eingefügt. Er ist zweigeteilt und hat einen Rahmen. Oben sieht man eine Fläche, die vermutlich eine längst verschwundene Inschrift enthielt. Der untere Teil hat die Maße 63 auf 26 Zentimeter und zeigt links und rechts zwei Schilde - kopfstehend! Wer sie genauer untersuchen will, muss also erst ein Foto machen und dann das Bild um 180 Grad drehen. Welche Wappen die Schilde trugen, war zuvor durch die starke Verwitterung nicht zu erkennen. Jetzt erst kann man versuchen, diese zu bestimmen.

Wessen Wappen sind es?

Ihre Träger hatten sicher mit der regionalen Geschichte zu tun. Aber wer waren sie? Da kamen etwa zwanzig Adelige, Klöster oder Stifte in Frage. Ich habe das gestürzte Foto wieder und wieder betrachtet. Und dann entdeckte ich auf dem rechten Schild Bögen und Zacken. Das waren meiner Ansicht nach einmal ein Wellenbalken und ein Stern: Das Wappen der Familie von Rotenhan.

Der linke Schild war schwerer zu bestimmen, denn das Relief auf dem Sandstein ist fast ganz verdorben. Nach langen Untersuchungen vermutete ich, dass der Bamberger Löwe mit dem Schrägbalken dargestellt ist. Rotenhan und Bamberg, da gibt es auch geschichtlich einen Zusammenhang: Die Rotenhan waren Lehensträger des Hochstifts Bamberg und hatten dort das angesehene Schenkenamt inne.

Natürlich fragt man sich, wann dieser Stein gemetzt wurde. Da Schrift und Jahreszahl fehlen, ist der einzige Ansatzpunkt für die Zeitbestimmung die Form der Schilde. Die hat sich über die Jahrhunderte immer wieder gewandelt. Hier zeigen die Schilde beidseits eine ganz leichte Einbuchtung. Da weiß der Fachmann: So hat man Wappen um 1500 gezeichnet.

Zwischen den beiden Schilden meint man noch Reste von Buchstaben oder Ziffern zu erkennen. Dabei könnte es sich eventuell um eine Jahreszahl handeln. Die wäre sehr interessant, doch sie lässt sich einfach nicht mehr lesen. Das müsste ein Experte mit viel Sachverstand und einer starken Lampe untersuchen.

Der Quader ist eine Spolie, also ein Stein, der in einer Mauer zum zweiten Mal verwendet wurde. Hier ist er in der Kellerwand verkehrt herum eingesetzt worden, weil er von einem früheren, möglicherweise abgetragenen Bauwerk schon zugeschlagen war. Kurios: Am Fuß der Mauer sind noch zwei weitere Spolien. Bei ihnen handelt es sich vermutlich um Sitzkonsolen von der Art, wie man sie jetzt noch am Portal der Stadtbücherei in Ebern findet.

Vorläufig bleiben also das genaue Alter und die Herkunft des Steins ungeklärt. Seine Deutung wird immer schwieriger, da er mit den Jahren vor sich hinbröselt und die Konturen mehr und mehr verschwimmen.

Einzigartiges Turmmodell

Auch auf das zweite Fundstück wurde ich im April durch einen Anruf aufmerksam gemacht. Hubert Müller aus Untermerzbach sagte, dass er unter einem alten Holzstapel in seiner Scheune unerwartet auf ein Turmmodell gestoßen sei, das möglicherweise eine Kirchturmspitze aus der Gegend darstelle. Am nächsten Tag habe ich mir die Konstruktion angesehen: Es war eindeutig ein Turmmodell, 180 Zentimeter groß und sorgfältig gearbeitet. Ein Unikat.

Der Untermerzbacher Bürgermeister Helmut Dietz, der vom Fach ist, meinte, das könne die Spitze des Kirchturms von Memmelsdorf sein. Ein guter Hinweis, dachte ich und fuhr mit meiner Frau dorthin. Wir stiegen auf den Dachboden der evangelischen Kirche und von da in den Turm. Dort verglichen wir die Verstrebungen an Ort und Stelle mit den Fotos, die wir von dem Modell gemacht hatten. Sie deckten sich tatsächlich in vielen Einzelheiten. Aber: Der Turm der Kirche von Memmelsdorf ist um 1720 von Johann Salb geplant worden. Angesichts des hervorragenden Erhaltungszustandes des Modells erscheint es mir unwahrscheinlich, dass es sich bei dem Holzturm um eine Arbeit von ihm handelt.

Kurze Zeit später war ich dann in Gleusdorf und mein Blick fiel sofort auf den Turm der dortigen Kirche "Maria Geburt". Auch der ist dem Modell von Untermerzbach sehr ähnlich. Doch welchen Turm stellt das Modell nun wirklich dar? Das war nicht das einzige Problem, viele Fragen standen noch offen: Von wem ist es angefertigt und wann? Warum hat man sich diese mühevolle Arbeit gemacht? Ist es eine Vorlage, ein Modell, oder ist es ein Nachbau? In dieser Situation wendet man sich auch als Heimatpfleger an Experten, die man aus langer Zusammenarbeit kennt.

Hilfe von Experten notwendig

Von Christian Schmidt vom Landesamt für Denkmalpflege habe ich erfahren, dass es in der Tat barocke Turmmodelle gibt, die von Zimmerern als Meisterstücke oder auch zur Planung von räumlich kniffligen Konstruktionen angefertigt wurden. Manchmal stammten sie aber auch von Baumeistern als Präsentationsmodell für Bauherren. Da könnte es plötzlich von Bedeutung sein, dass nach Auskunft von Hubert Müller der Vorbesitzer seines Hauses an der Hauptstraße in Untermerzbach ein Baumeister war!

Ich habe dann auch die Meisterschule für Schreiner und Thomas Eißing von der Universität Bamberg über den Fund des Modells informiert. Letzterer ist sowohl Dendrochronologe, kann also das Alter von Hölzern bestimmen, wie auch Holz- und Gefügekundler. Er ist also der geeignete Experte.

Eissing schrieb mir im Juli: Seiner Meinung nach passe das Modell weder zum Kirchturm von Memmelsdorf noch zu dem von Gleusdorf, denn es fehlt die Zwiebel. Damit bin ich nicht ganz einverstanden, denn für mich steckt die Zwiebel deutlich in der Konstruktion, nur zeigt sie sich natürlich nicht in ihrer Schieferabdeckung. Die muss man sich in ihrer Rundung zum Modell dazudenken. Zwei "Durchsichten" oder genauer zwei "Laternen" weisen aber beide Kirchtürme auf.

Dr. Eißing hat erfreulicherweise zugesagt, dass er im Wintersemester 2018/19 einen seiner Studenten für das Modell interessieren will. Der könnte darüber eine interessante Bachelor-Arbeit schreiben.

Also zwei Fundstücke und beide Male keine Erklärung zum Wann und Woher. Bei beiden sind wir ein Stück weitergekommen, aber es fehlt noch die wissenschaftlich saubere Be-stimmung. Ein Dank aber den Findern, die sie gemeldet haben!