Vorläufig bleiben also das genaue Alter und die Herkunft des Steins ungeklärt. Seine Deutung wird immer schwieriger, da er mit den Jahren vor sich hinbröselt und die Konturen mehr und mehr verschwimmen.
Einzigartiges Turmmodell
Auch auf das zweite Fundstück wurde ich im April durch einen Anruf aufmerksam gemacht. Hubert Müller aus Untermerzbach sagte, dass er unter einem alten Holzstapel in seiner Scheune unerwartet auf ein Turmmodell gestoßen sei, das möglicherweise eine Kirchturmspitze aus der Gegend darstelle. Am nächsten Tag habe ich mir die Konstruktion angesehen: Es war eindeutig ein Turmmodell, 180 Zentimeter groß und sorgfältig gearbeitet. Ein Unikat.
Der Untermerzbacher Bürgermeister Helmut Dietz, der vom Fach ist, meinte, das könne die Spitze des Kirchturms von Memmelsdorf sein. Ein guter Hinweis, dachte ich und fuhr mit meiner Frau dorthin. Wir stiegen auf den Dachboden der evangelischen Kirche und von da in den Turm. Dort verglichen wir die Verstrebungen an Ort und Stelle mit den Fotos, die wir von dem Modell gemacht hatten. Sie deckten sich tatsächlich in vielen Einzelheiten. Aber: Der Turm der Kirche von Memmelsdorf ist um 1720 von Johann Salb geplant worden. Angesichts des hervorragenden Erhaltungszustandes des Modells erscheint es mir unwahrscheinlich, dass es sich bei dem Holzturm um eine Arbeit von ihm handelt.
Kurze Zeit später war ich dann in Gleusdorf und mein Blick fiel sofort auf den Turm der dortigen Kirche "Maria Geburt". Auch der ist dem Modell von Untermerzbach sehr ähnlich. Doch welchen Turm stellt das Modell nun wirklich dar? Das war nicht das einzige Problem, viele Fragen standen noch offen: Von wem ist es angefertigt und wann? Warum hat man sich diese mühevolle Arbeit gemacht? Ist es eine Vorlage, ein Modell, oder ist es ein Nachbau? In dieser Situation wendet man sich auch als Heimatpfleger an Experten, die man aus langer Zusammenarbeit kennt.
Hilfe von Experten notwendig
Von Christian Schmidt vom Landesamt für Denkmalpflege habe ich erfahren, dass es in der Tat barocke Turmmodelle gibt, die von Zimmerern als Meisterstücke oder auch zur Planung von räumlich kniffligen Konstruktionen angefertigt wurden. Manchmal stammten sie aber auch von Baumeistern als Präsentationsmodell für Bauherren. Da könnte es plötzlich von Bedeutung sein, dass nach Auskunft von Hubert Müller der Vorbesitzer seines Hauses an der Hauptstraße in Untermerzbach ein Baumeister war!
Ich habe dann auch die Meisterschule für Schreiner und Thomas Eißing von der Universität Bamberg über den Fund des Modells informiert. Letzterer ist sowohl Dendrochronologe, kann also das Alter von Hölzern bestimmen, wie auch Holz- und Gefügekundler. Er ist also der geeignete Experte.
Eissing schrieb mir im Juli: Seiner Meinung nach passe das Modell weder zum Kirchturm von Memmelsdorf noch zu dem von Gleusdorf, denn es fehlt die Zwiebel. Damit bin ich nicht ganz einverstanden, denn für mich steckt die Zwiebel deutlich in der Konstruktion, nur zeigt sie sich natürlich nicht in ihrer Schieferabdeckung. Die muss man sich in ihrer Rundung zum Modell dazudenken. Zwei "Durchsichten" oder genauer zwei "Laternen" weisen aber beide Kirchtürme auf.
Dr. Eißing hat erfreulicherweise zugesagt, dass er im Wintersemester 2018/19 einen seiner Studenten für das Modell interessieren will. Der könnte darüber eine interessante Bachelor-Arbeit schreiben.
Also zwei Fundstücke und beide Male keine Erklärung zum Wann und Woher. Bei beiden sind wir ein Stück weitergekommen, aber es fehlt noch die wissenschaftlich saubere Be-stimmung. Ein Dank aber den Findern, die sie gemeldet haben!