Druckartikel: Politiker im Landkreis Haßberge machen sich für den guten Zweck nass

Politiker im Landkreis Haßberge machen sich für den guten Zweck nass


Autor: Hendrik Steffens

LKR Haßberge, Donnerstag, 28. August 2014

Die "Ice Bucket Challenge" ist im Landkreis angekommen. MdB Dorothee Bär (CSU) hat sich auf Facebook nass gemacht, Landrat Wilhelm Schneider (CSU) und MdL Steffen Vogel ebenfalls. Grünen-Kreisrat Matthias Lewin hat verweigert. Alle haben ihre Gründe.
Landrat Wilhelm Schneider (links) und Landtagsabgeordneter Steffen Vogel machten sich gestern Abend nass: In Wasmuthhausen stürzten rund 700 Liter Eiswasser aus einer Kippschaufel auf sie herab. Fotos: Andreas Lösch


Menschen kippen sich mit Begeisterung Eiswasser über den Kopf. Das zeigen Videos, die seit Wochen durch die sozialen Netzwerke im Internet wandern. Dass sie es tun, hat einen Grund. Die Filme sollen auf die Nervenkrankheit Amyotrophe Lateralsklerose, kurz ALS, hinweisen. Im Stil eines digitalen Kettenbriefs nominieren sich Prominente und Normalos auf Facebook, Twitter und Co. zur Abkühlung. Auch Politiker aus dem Kreis Haßberge haben sich nass gemacht.

Haßberge-Landrat Wilhelm Schneider (CSU) ist am Dienstag nominiert worden - die Kollegen der Jungen Union waren so frei - und gestern Abend hat er in Wasmuthhausen (Markt Maroldsweisach) seine "Pflicht" eingelöst. "Es ist eine Ehre für mich, nominiert zu sein. Das bissle Eiswasser ertrage ich schon", sagte der Landrat bei einem Gespräch vor seiner Eisdusche.

Er gab an, einen dreistelligen Betrag spenden zu wollen.
Ein Grund für die Verzögerung des Landrats - er hat es nicht in 24 Stunden geschafft - war der volle Terminkalender. Ein anderer wohl, dass er die Aufgabe gemeinsam mit dem CSU-Landtagsabgeordneten Steffen Vogel meistern wollte. "Wir haben uns kürzlich getroffen und meinten, da wir beide nominiert sind, können wir's auch gleich zusammen machen", sagte Vogel. Von drei unterschiedlichen Quellen wurde der Politiker aus Obertheres nominiert.

Er sei erstaunt, sagte er, über den Medienhype, den die "Challenge" ausgelöst hat. Den karitativen Gedanken hinter dem Spiel findet Vogel gut. Der Politiker hofft aber, dass bei der Omnipräsenz von ALS nicht andere Krankheiten oder die derzeitigen Kriege und Krisen auf der Welt in Vergessenheit geraten. "Es gibt auch noch viele weitere gute Projekte", so Vogel. Er löste seine Nominierung am Donnerstagabend gemeinsam mit Landrat Schneider ein.

Spaß und Ernst

Es hat Tradition, dass Aktionen auf Sozialen Netzwerken mit zunehmender Laufdauer Kritik nach sich ziehen. So auch die derzeitige Aktion. Den Teilnehmern wird ein Drang zur Selbstdarstellung vorgeworfen oder dass der ernste Zweck der Spaßaktion vergessen wird.

Die Bundestagsabgeordnete und Staatssekretärin Dorothee Bär aus Ebelsbach wurde drei Mal von unterschiedlichen Bekannten nominiert. Und sie zog mit: Ein Video auf Bärs Facebook-Seite zeigt, wie sie sich einen Kübel Wasser mit Eiswürfeln über den Kopf kippen lässt. Zu dem Video schreibt sie: "Hier geht es aber in der Tat nicht nur im Spaß und lustige Videos, sondern um ein Thema, das uns alle bewegen sollte. Daher spende ich nach meiner Eisdusche nicht nur selbst, konkret an den Landesverband der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke, sondern nominiere Euch alle, dies ebenfalls zu tun". Zudem empfiehlt die Politikerin Informationsquellen zu der Nervenkrankheit ALS.

Damit entspricht Bär der Idee des (wahrscheinlichen) Initiators der "Ice Bucket Challenge", des an ALS erkrankten ehemaligen US-amerikanischen Baseball-Profis Peter Frates. Die Regeln: Wer nominiert wird, soll sich einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf gießen und danach drei oder mehr Personen nominieren. Die haben dann 24 Stunden Zeit, es nachzumachen und zehn Euro an die ALS-Association zu spenden. Will man sich keinen Eimer Wasser über den Kopf gießen, soll man 100 Euro an die ALS-Association spenden.

Den Hintergrund nicht vergessen

Die Kritik nachvollziehen kann der Kreistagsabgeordnete der Grünen, Matthias Lewin. "Nein, ich werde nicht teilnehmen. Das mag so aussehen, als wäre ich eine totale Spaßbremse. Mir - und das gilt nur für mich! - ist allerdings der Hintergrund zu ernst, um das Ganze auf diese Art und Weise zu veralbern", sagte Lewin. Um Spenden an Personen, Organisationen oder Hilfsprojekte zu leisten, meinte Lewin, "brauche ich kein Eiswasser und auch keine Selbstinszenierung".

International haben Prominente, darunter der Facebook-Gründer Marc Zuckerberg, Microsoft-Chef Bill Gates oder die deutsche Schlagersängerin Helene Fischer, mitgemacht. Kritiker meinen, die prominenten Teilnehmer seien allein auf eine positive öffentliche Darstellung aus und nutzten das Projekt zum Selbst-Marketing.
Der Umfang der gesammelten Spenden allerdings ist beachtlich: Über 50 Millionen Euro kamen angeblich seit Beginn der Nominierungen im Juli dieses Jahres zusammen. Der Betrag soll in die Erforschung der Nervenkrankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) fließen.

Kommentar von Hendrik Steffens: Cool

W ie und warum Menschen für eine gute Sache eintreten, ist doch egal. Es zählt nur, dass sie es tun. Ja, es ist billige Selbstdarstellung, wenn Manni bei der Eisdusche seinen Sixpack durchdrückt. Ja, es ist albern, wenn Susi mit eingezogenem Bauch im Sport-BH posiert. Aber Manni und Susi könnten auch am Beckenrand eines Hallenbads stolzieren, statt bei der ALS-Challenge mitzumachen und einen Zehner für medizinische Forschung zu geben. Mehr als 50 Millionen Euro hat die Aktion angeblich generiert. Und egal ob sich der Betrachter von der "Challenge" genervt fühlt oder mitmacht. In jedem Fall wird er bemerken, dass es da eine schlimme Krankheit gibt, die bekämpft werden muss.


Kommentar von Andreas Lösch: Uncool

S eit Wochen sieht man ein Video nach dem anderen, in dem sich irgendein Freund, Bekannter, Promi, Verwandter oder Kollege einen Eimer voller Wasser über den Kopf schüttet. Als gäbe es nur noch Eines: die ALS-Forschung vorantreiben. An sich ist das nicht verkehrt, vor allem, weil ein Medium wie Facebook eine unheimliche Reichweite hat - Milliarden von Menschen sind dort täglich online. Da kann der Fränkische Tag nicht mithalten, diesen Kommentar lesen vielleicht ein paar 1000 Leute. Dennoch: Selbstdarstellung ist in den Icebucket-Videos stärker gewichtet als die Spendenbereitschaft. Wenn jeder Nominierte einfach nur ein Foto der Spendenquittung posten würde, das wäre schon genug.



Info: Die Nervenkrankeit ALS

Schwäche Bei der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) kommt es zu einer nicht umkehrbaren Schädigung der Nervenzellen (Neuronen), die für die Muskelbewegungen verantwortlich sind.

Selten Von 100 000 Menschen erkranken pro Jahr etwa ein bis drei neu an ALS.

Grund Die Ursache der Erkrankung ist unklar. Genetische Faktoren werden bei den meisten ALS-Patienten festgestellt; ob sie die alleinigen Auslöser sind, ist unbekannt. Die meisten Fälle treten sporadisch, das heißt ohne familiäre Häufung auf.

Prominent Einer der bekanntesten Patienten ist der britische Physiker Stephen Hawking, bei dem die Krankheit ALS bereits im Jahre 1963 diagnostiziert wurde. Bei ihm verläuft sie sehr langsam. hs