Patentrezepte des Apothekers zur "Einbürgerung"
Autor: Ralf Kestel
Ebern, Montag, 30. Januar 2017
Herbert und Silke Stang haben die Apotheke am Grauturm in Ebern an ihre Nachfolger verkauft. Gunter und Cornelia Zimmerhackl kommen aus Passauer Raum.
Nein, Beruhigungspillen braucht keiner der Beteiligten. Der Übergang erfolgt naht- und schmerzlos. "Die Chemie hat von Anfang an gepasst", beschreibt Gunter Zimmerhackl (48) einen Prozess, der mit dem heutigen Dienstag endet: die Übernahme der Apotheke am Grauturm von Herbert und Silke Stang samt dem gesamten Personal. Immerhin 17 Mitarbeiterinnen. "Das ging rucki-zucki", beschreibt Silke Stang einen Akt, der von langer Hand vorbereitet und überlegt worden war. "Mit 70 wollte ich nicht mehr arbeiten", bekennt Herbert Stang (67).
Die Zimmerhackls, die aus der Passauer Gegend ins unter-/ oberfränkische Grenzland kommen, aktuell in Bamberg wohnen, wollen sich die Vorbesitzer zum Vorbild nehmen, wie man in Ebern auch ohne Bürgerwald-Rechte zum geschätzten Mitbewohner wird, damit die Kundschaft den neuen Eigentümern und der Grauturm-Apotheke weiterhin die Stange halten.
Denn ganz einfach hatten es die Stangs, die 1987 von Nürnberg aus nach Ebern kamen, am Anfang nicht. "Unser erster Besuch erfolgte an Ostern bei herrlichstem Wetter", erinnert sich Herbert Stang noch ganz genau.
Eine Zeitungsanzeige hatte sein Interesse geweckt: "Apothekenräume zu vermieten", stand da zu lesen. Bloß unter der Adresse fand sich keine Apotheke, sondern ein Möbelgeschäft, aber dessen Besitzer, die Reichs, hatten da so eine Geschäftsidee.
Die gar nicht so schlecht war, wie die Stangs im Rückblick finden, und auch die Zimmerhackls bei der Vorausschau. "Wir haben ganz klein angefangen, mit einer Helferin und einem Lehrling", erinnert sich Silke Stang. Jetzt bewerkstelligen 17 Mitarbeiter die Aufgaben an sechs Arbeitstagen in der Woche, plus die Notdienste. Mit Elke Emig aus Reckendorf gehört der Lehrling aus den Gründertagen noch heute zum Personal.
Trotz einiger Vorbehalte zu Beginn haben sich die Stangs schnell und gut eingelebt. Und Anerkennung erworben. In vielen Vereinen sind sie mit von der Partie und zwar nicht nur als beliebte Förderer, sondern zum Teil an vorderster Front. Herbert Stang gehört dem Vorstand des TV Ebern an, im Tennisclub ist er noch Jugendwart. "Auch wenn es keinen Jugendlichen mehr gibt."
Partei am Leben erhalten
Die Freien Wähler hat der Apotheker in schwierigen Phasen am Leben gehalten, sieben Jahre lang saß er als deren Vertreter auch im Stadtrat. Bei der Raiffeisen-Volksbank bestimmte er als Aufsichtsratsvorsitzender als Nachfolger von Bürgermeister Rolf Feulner deren Geschicke maßgeblich mit. "Manche denken heute noch, dass ich der Chef bin."Bei der Tourismus- und Werbegemeinschaft fungierte Stang als Verbindungsglied in den Stadtrat und beim Bund Naturschutz als einer der wenigen geprüften Pilzberater in der Region. Womit der Apotheke neue Aufgaben zuwuchsen. Nicht wegen irgendwelcher Mittelchen bei einer Vergiftung. Nein, die Pilzberatung gehörte fortan zum selbstverständlichen Service.
Wie andere Aufgaben auch: Für die Citybus-Einteilung liefen die Fäden bei Silke Stang zusammen, die Preise des Adventsrätsels der Werbegemeinschaft zieren die Schaufenster und die Verteilung wird auch erledigt.
Als Eltern von drei Kindern "waren wir in jedem Elternbeirat, der möglich war, mit dabei" und eine Art Lehrtätigkeit übernahm Herbert Stang als Dozent bei der VHS ebenso wie er kaum eine Anfrage als Fachreferent bei unterschiedlichsten Kreisen und Zirkeln ablehnte.
Und noch eine Aufgabe nahm die Apotheke abseits der medizinischen Versorgung ein: Nachrichtenzentrum. "Beim Friseur und bei uns gibt's immer das Neueste zu erfahren."
Nach Dienstschluss im Einsatz
Der hohe Serviceanspruch hatte auch seine Kehrseiten. Dass am Feierabend längst keine Ruhe herrschte, war Alltag, aber als "nachts um 2 Uhr einer klingelte und nach Kleingeld für die Telefonzelle fragte", ist auch Herbert Stang grantig geworden.Ansonsten standen oft Schnuller und Baby-Nahrung auf dem Wunschzettel der nächtlichen Klingler. "Es ist aber viel ruhiger geworden", stellte der 67-jährige Apotheker im Rückblick fest. "Besonders seit Einführung des medizinischen Versorgungszentrums in Haßfurt, das ich immer noch kritisiere. Das klappt doch überhaupt nicht. Das ist ein Manko und keine gute Lösung", wählt Stang, als zurückhaltender Diplomat bekannt, ungewohnt deutlich Worte.
Mit Cornelia und Gunter Zimmerhackl (beide 48) meinen die Stangs die richtigen Nachfolger gefunden zu haben. "Zwischen uns hat es von Anfang an gepasst. Deswegen haben wir die Apotheke auch nicht verpachtet, sondern verkauft und ziehen uns ins Hinterhaus zurück."
Zu sehen sein wird er aber dennoch, in der Stadt und auch in der Apotheke, verspricht Stang und auch Gunter Zimmerhackl meint schon eine Urlaubsvertretung im Bedarfsfall gefunden zu haben.
Dass beide Familien gut miteinander können, wird im gemeinsamen Gespräch schnell deutlich. "Die Stangs übergeben ein Lebenswerk", ist dem Nachfolger bewusst und auch die Verantwortung, die er damit übernimmt, samt dem gesamten Personal. "Darauf habe ich Wert gelegt", ergänzt Stang.
Und die Zimmerhackls bauen auch schon eine Wohnung in der Immobilie, die ihnen ab 1. Februar gehört, aus - für die Abende des Notdienstes und die Tage, wenn die drei Kinder im Alter von 14, 16 und 19 Jahren ihre Schulausbildungen in Bamberg abgeschlossen haben.