Parkinson-Gruppe im Kreis Haßberge: Krank, aber sein eigener Herr sein
Autor: Sarah Seewald
LKR Haßberge, Freitag, 10. April 2015
Krankheiten, die von Heute auf Morgen das Leben verändern, gibt es wohl einige. Diagnose Parkinson ist eine davon. Zwei Familien aus dem Landkreis beweisen, wie lebenswert auch jedes Leben mit einer Krankheit sein kann, ja muss.
Der Ruhestand ist ein Grund zur Freude, einerseits. "Andererseits ist es der letzte Status vor dem Tod", sagt Franz Bäuerlein. Er bleibt schon seit einigen Jahren daheim, und das mit Mitte 50. Seit 1997 weiß der Neudorfer, dass er an einer Stoffwechselerkrankung im zentralen Nervensystem leidet: Franz Bäuerlein hat Parkinson. Als der dreifache Vater mit 37 Jahren die Diagnose erhielt, waren seine Kinder gerade mal zwei, neun und elf Jahre alt.
Auch der Alltag von Ursula Lang und ihrem Ehemann Helmut aus Königsberg ist von dieser chronischen Krankheit geprägt. Mit der Rentenbescheinigung hat ihr Mann damals - tatsächlich am selben Tag - die Diagnose erhalten, durch die viele Pläne für den Ruhestand verworfen werden mussten. Zwei Familien, zwei Geschichten, und dennoch sind sie miteinander verbunden.
Mit Parkinson das Leben erleben
Jeden ersten Freitag im Monat treffen sie sich im Rahmen der Selbsthilfe-Gruppe in Haßfurt. Sicherlich sprechen sie auch mal über Parkinson - über Pflegeversicherungen oder neue Medikamente.... Ganz oben im Leitfaden steht aber etwas anderes: Fröhlichkeit. Denn, das Leben, auch mit dieser Krankheit, das "ist jetzt einfach so", erklärt Bäuerlein. Eine Haltung, die Stärke, Gelassenheit und Einsicht fordert - und auch Ausprobieren.
Um sechs Uhr schluckt Franz Bäuerlein die erste, eine Stunde später direkt die zweite Tablette - bis 22 Uhr ist sein medizinischer Speiseplan durchgetaktet. Auf die Medikamente verzichten kann er zwar nicht, aber er kann die Behandlung unterstützen. Drei Jahre nach der Diagnose haben er und seine Frau Roswitha ein Konzept für sich entdeckt, das beispielsweise mit Magneten oder Infrarot den Körper unterstützt und anregt. Ein möglicher Therapie-Ansatz, damit Druck und Stress den Alltag nicht beherrschen, für den man eigentlich gar nicht erst krank werden muss. "Die Krankheit selbst verändert sich dadurch zwar nicht, aber die Einstellung", sagt Ursula Lang.
Das Kürzertreten hat Franz Bäuerlein erst mit dem Fortschreiten der Symptome begriffen. Am Anfang kämpfte er noch mit kleinen Schrauben, die in eine Steckdosen-Buchse gehörten, er es mit seiner zittrigen Hand aber einfach nicht mehr schaffte. Heute ist er zwar immer noch bei der Feuerwehr oder eben als Gruppenleiter der Selbsthilfe-Gruppe aktiv, sagt aber "Stopp, wenn es nicht mehr geht". Vielleicht hat Franz Bäuerlein gerade deshalb die Gabe, entscheiden zu können, was wichtig, und vor allem was unwichtig ist, weil er so wahnsinnig früh mit der Krankheit klar kommen musste. Noch lassen seine körperlichen Grenzen ein selbstständiges Leben im Eigenheim mit seiner Ehefrau zu. Denn: "Mit Denken kann man viel erreichen", sagt er.
Viele Patienten im Landkreis
Betrachtet man das Alter und Geschlecht von Parkinson-Patienten, so zeigt sich, dass die Diagnose meist ältere Menschen trifft - in 98 Prozent waren die Patienten in Bayern 50 Jahre oder älter. Auffallend ist auch, dass Männer relativ häufiger wegen Parkinson stationär behandelt wurden als Frauen.
Die Zahl der stationären Krankenhausbehandlungen mit der Hauptdiagnose Parkinson ist laut bayerischem Landesamt für Statistik in den letzten 13 Jahren um rund 90 Prozent gestiegen.
Auch bei der ersten öffentlichen Begegnung von Angehörigen und Parkinson-Patienten vor zehn Jahren war es "unbegreiflich, wie viele Leute mit Parkinson im Landkreis leben", erinnert sich Ursula Lang, die von Anfang an mit ihrem Mann dabei ist. Vom Rotary-Club Haßfurt unterstützt - ob mit finanziellen Zuschüssen oder Mitarbeitern, die Ausflüge begleiten -, von Menschen wie Ursula Lang, Lotte Scheller oder Franz Bäuerlein geprägt, gibt es am heutigen Samstag - am Weltparkinson-Tag - ein Fest, ganz nach dem Motto: "10 Jahre raus aus der Isolation - trotz Parkinson".