Noch ist keine Bewegung drin im Landkreis Haßberge
Autor: Andreas Lösch
Haßfurt, Freitag, 11. Oktober 2013
Dass sich in Sachen Energiewende im Landkreis scheinbar wenig tut, liegt an langwierigen Genehmigungsverfahren. Wichtige Projekte wie der Bau des großen Windparks bei Sailershausen geraten dadurch ins Stocken. Doch das Gezerre scheint bald ein Ende zu haben.
Klar, dass man aus der Bevölkerung hin und wieder leicht spöttische Ansagen bekommt. Diese Erfahrung hat Norbert Zösch, einer der drei Geschäftsführer der GUT (Gesellschaft zur Umsetzung erneuerbarer Energieprojekte), schon gemacht. "Baut halt endlich mal", heißt es da oder "Tut sich in Sachen Energiewende denn überhaupt noch etwas?" Zösch kann dann zwar versichern: "Ja, es tut sich etwas", nur sehen kann man davon eben noch nicht viel. Es spielt sich viel im Hintergrund ab, wo es um langwierige Genehmigungsverfahren in Bezug auf Windkraft- und auch Photovoltaikanlagen geht.
Etliche Behörden müssen Stellungnahmen zu geplanten Projekten abgeben, und die Umweltverträglichkeit muss geprüft werden, was mindestens ein Jahr dauert, weil Experten wie Biologen und Umweltbeauftragte die Situation vor Ort beobachten und beurteilen müssen.
Es kann Einspruch eingelegt werden, und wieder geht das
Kleinere Photovoltaikanlagen wurden laut dem stellvertretenden Vorsitzenden Hans-Georg Häfner bereits finanziert und gebaut. "Wir verkaufen Strom." Derzeit verfügt die BEG über 300 000 Euro, die von rund 200 Bürgern stammen. Das Interesse an der BEG ist laut Häfner groß. "Wir haben jede Woche Neuzänge." Mit Spannung schaut er auf das erste größere Projekt, dass die BEG mitfinanzieren wird: den geplanten Windpark bei Sailershausen.
Nachdem in der vergangenen Woche dem erneut geänderten Regionalplan des Planungsverbandes Main-Rhön zugestimmt worden war, stehen die Chancen nun gut, dass es nach dem dritten Anhörungsverfahren zum Regionalplan im November bereits Anfang des kommenden Jahres Nägel mit Köpfen geben wird in Bezug auf den Windpark im Windkraftgebiet (WK) 88 bei Sailershausen. Dort hat sich auch Widerstand gegen die Anlage geformt, eine Bürgerinitiative in Kleinmünster will den Bau verhindern, weil ihnen unter anderem die geplanten zehn Windräder zum Teil zu nah am Siedlungsbereich stehen und auch ökologische Gesichtspunkte "rücksichtslos ignoriert" worden seien, wie es heißt.
Im neuen Regionalplan wurde das WK 88 aus tierschutzrechtlichen Gründen nun noch einmal auf 384 Hektar verkleinert, knapp 200 weniger als zuvor. Trotz der Proteste aus Kleinmünster scheint die Umsetzung des ersten größeren Projekts der landkreisinternen Energiewende zum Greifen nah. "Wir hoffen, dass wir Ende Januar die Genehmigung haben", sagt Zösch. Dann soll bald mit den Bauarbeiten begonnen werden. Die hätten schon heuer starten sollen, hätte sich das Verfahren nicht so in die Länge gezogen.
Druck erhöht
Nach über drei Jahren Arbeit mit dem Regionalplan will der Landkreis Haßberge, der angekündigt hat, innerhalb von wenigen Dekaden energie-autark werden zu wollen, nun endlich loslegen. So hat Landrat Rudolf Handwerker (CSU) beim Treffen des Planungsausschusses des Regionalen Planungsverbandes vergangene Woche bereits Druck gemacht: "Wir müssen das Ergebnis unbedingt in dieser Wahlperiode (bis März 2014, die Red.) zu Ende bringen."
Der geplante Windpark bei Sailershausen gilt gewissermaßen als Anschub für die ersten großen Sprünge in Sachen Energiewende: Das Projekt hat laut Norbert Zösch eine Größenordnung, die es für zahlreiche Investoren interessant macht. So erhoffen sich die Verantwortlichen der lokalen Energiewende, dass damit wortwörtlich das Rad in Schwung kommt. Dass momentan Sand im Getriebe ist, ist auch der Größenordnung der gesamten Sache geschuldet, denn es gilt etliche Probleme zu lösen: Zahlreiche Genehmigungsverfahren und zähe Verhandlungen sind an der Tagesordnung.
Viele Hürden
So verzögert sich zum Beispiel der Bau einer Photovoltaikanlage auf einer ehemaligen Grünschnittdeponie in Haßfurt, weil möglicherweise erst Altlasten entsorgt werden müssen, was derzeit untersucht wird, und für den Bau einer geplanten Photovoltaikanlage an der A70 bei Knetzgau muss Einigkeit mit rund 70 Grundstücksbesitzern getroffen werden, was nur zum Teil gelingen dürfte. Auch die finanziellen Möglichkeiten gilt es dabei im Blick zu behalten.
Denn ohne Risiko ist das Vorhaben natürlich nicht, das wissen alle Beteiligten. Welche Rendite ein Projekt schließlich abwirft, wird sich erst dann zeigen, wenn es umgesetzt ist, sagt Zösch. Der Zeitpunkt für das Wagnis Energiewende könnte aber kaum günstiger sein, findet er. Photovoltaik- und Windkraftanlagen werden aufgrund höherer Stückzahlen in der Herstellung immer preiswerter. Verfahren wie "Power-to-gas", mit dem Windenergie in Form von Wasserstoff gespeichert werden kann, sind vielversprechend, ihre Wirtschaftlichkeit müssen sie aber erst unter Beweis stellen. Dass es klappt, glaubt Zösch aber: "Ich bin zuversichtlich."
Der Weg des Landkreises Haßberge in der Energieversorgung
Plan In der Energieversorgung hat der Landkreis Haßberge mit seinen 26 Städten und Gemeinden große Pläne. Er will eine regionale Energieversorgung aus erneuerbaren Energiequellen aufbauen.
Ziel Der Kreis möchte autark werden in der Energieversorgung und später Strom an andere liefern. Die Umsetzung der Energiewende hatte in den vergangenen Jahren enorme Kräfte des Landkreises und der 26 Kommunen gebunden.
Fortschritt Nachdem Ende 2011 die GUT (Gesellschaft zur Umsetzung erneuerbarer Technologieprojekte) gegründet worden war, wurden zum Jahresende 2012 die Bürgerenergiegenossenschaft (BEG) und Anfang 2013 eine Betreiber- und Investitionsgesellschaft gegründet. Die BEG, die als eigenständige Gesellschaft Projekte im Rahmen der Energiewende umsetzen soll, plant zum Beispiel Solaranlagen auf gepachteten Hausdächern. Als erstes größeres Projekt war für heuer eine Photovoltaikanlage auf der Deponie Haßfurt/Prappach mit einer Gesamtinvestition von etwa 950 000 Euro geplant. Allerdings gibt es Probleme mit dem Untergrund. Derzeit wird untersucht, ob möglicherweise belastetes Material entsorgt werden muss, das
aus der Zeit stammt, als die Anlage als Grünschnittdeponie genutzt wurde. Derzeit ist unklar, ob das geplante Projekt umgesetzt werden kann. Mit dem Windpark Sailershausen steht das nächste größere Projekt in den Startlöchern, Anfang 2014 soll mit dem Bau begonnen werden. Die BEG wird sich an der Finanzierung beteiligen. Jeder Landkreis-Bürger kann bis zu 20 Anteile an der BEG zu je 1000 Euro zeichnen.
Planungsverband Der Regionale Planungsverband Main-Rhön umfasst die Landkreise Haßberge, Schweinfurt, Rhön-Grabfeld und Bad Kissingen sowie die kreisfreie Stadt Schweinfurt und ist eine von 18 Planungsregionen in Bayern. Die Region Main-Rhön ist 3991 Quadratkilometer groß mit etwa 450 000 Bewohnern