Neues lernen in alten Mauern im Schloss Untermerzbach
Autor: Johanna Eckert
Untermerzbach, Freitag, 29. August 2014
Im Schloss Untermerzbach richtet die Gesetzliche Unfallversicherung ihre Seminare aus. Das Haus war einst Wohnsitz einer Adelsfamilie und später Noviziat der Pallottiner.
Jeden Mittwoch ist in Untermerzbach Bettenwechsel. Dann wird es etwas stressig hinter den alten Gemäuern des Schlosses der Familien von Rottenhan. Insgesamt 100 Hotelzimmer müssen wieder hergerichtet werden, damit sich auch die Gäste, die von Mittwoch bis Freitag in der Schlossanlage tagen, wohlfühlen. Im November 2010 wurde das Rottenhan-Anwesen auf dem Schlosshügel in Untermerzbach, in dem viele Jahrzehnte lang der Orden der Pallottiner seinen Nachwuchs ausgebildet hat, zu einem Seminarhotel umgebaut. Seit September 2011 bietet die Gesetzliche Unfallversicherung VBG in diesem Haus ihre Seminare an.
"Von Beginn an sind unsere Kurse ausgebucht", sagt Julia Stärk, die im Schloss in Untermerzbach als Teamleiterin für die Seminarorganisation tätig ist, "pro Woche halten wir zehn Kurse ab." Die ersten fünf Kurse finden von Montag bis Mittwoch statt, die zweite Schicht läuft von Mittwoch bis Freitag.
Die VBG ist eine der großen Berufsgenossenschaften in Deutschland. Als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung bietet sie Mitgliedsunternehmen aus vielen Branchen Sicherheit bei Berufskrankheiten oder Arbeitsunfällen. Mit den Beitragszahlungen geben die Arbeitgeber die Haftung an die Berufsgenossenschaft ab, und diese entschädigt den erlittenen Körperschaden umfassend. Die Bandbreite der Mitgliedsunternehmen spiegeln die Kursteilnehmer wieder, die die Kaffeepause auf der Terrasse des Schlosses genießen und dabei bis in den Itzgrund blicken können.
Von Flensburg ins Frankenland
Sandra Carstensen und Susanne Laß sind am Dienstag aus Flensburg angereist. Eigentlich würde für sie eine Akademie der VBG im Norden Deutschlands zur Verfügung stehen. Ihr gemeinsamer Arbeitgeber jedoch hat sie zum Auffrischungskurs für Arbeitssicherheit in Produktionsstätten nach Untermerzbach geschickt. "Untermerzbach, das habe ich davor noch nie gehört", gesteht Sandra Carstensen, "ich hatte ja das Schlimmste erwartet. Aber ich muss sagen, ich bin wirklich sehr positiv überrascht."
Eindeutig positiv ist auch die Antwort, wenn man Helmut Dietz, Bürgermeister der Gemeinde Untermerzbach, danach fragt, wie denn die Akademie in der Gemeinde ankommt: "Wir haben ein sehr gutes Miteinander. Ich bin froh, dass die VBG das Schloss hier bei uns nutzt. Die Menschen nehmen die schönen Eindrücke aus dem Ort mit und kommen vielleicht als Touristen wieder." An Zahlen kann er es nicht festmachen, was die Akademieteilnehmer hinterlassen, aber man sieht, dass sie sich in der Gemeinde bewegen: im MIO-Dorfladen, beim Schoder-Bäcker oder auch im Gasthof "Schwarzer Adler".
Das "Heimische" den Kursteilnehmern in den Freizeitstunden zur Verfügung zu stellen, darauf legt das Organisationsteam um Julia Stärk viel wert. Schon an der Rezeption der Akademie kann der Honig von Untermerzbacher Bienen gekauft werden. Seminarteilnehmer Jost Grillenberger wusste kurz nach seiner Ankunft bereits, dass das Thermalbad in Bad Staffelstein recht angenehm sein soll, er sich im Dorfladen bis 19 Uhr noch die vergessene Zahnbürste besorgen und am Abend die Stadt Seßlach bei einer eigenen Führung kennen lernen kann. Wäre er im Winter gekommen, hätte sich Frau Morgenroth vom Bürgerzentrum "Komm" darum gekümmert, dass auch er die Adventsfenster der Gemeinde sehen kann.
Auch die Feuerwehr informiert
Sich selbst sieht der Hochschulmitarbeiter Jost Grillenberger aus Neuendettelsau als "nicht repräsentativ" für die meisten Kursteilnehmer. Warum? "Ich bin mit dem Fahrrad nach Untermerzbach gekommen", schmunzelt der Sicherheitsbeauftragte. Wenn sowas machbar sei, dann macht er das. "Ich wollte einfach mal etwas anderes ausprobieren. Ich muss feststellen, dass es hier schön ist."
41 Angestellte im Bereich Hotel und Gastronomie, fünf Angestellte in der Seminarorganisation sowie acht ständige und einige externe Referenten halten den Betrieb im ehemaligen Schlossanwesen der Familie Rottenhan am Laufen.
Mindestens einmal wöchentlich trägt auch die Freiwillige Feuerwehr aus Untermerzbach zu den Seminarinhalten bei. Und zwar dann, wenn die Brandschutzbeauftragten im Schloss tagen. "Die Schulungen mit Feuerlöscher und Firetrainer dauern 45 Minuten. Drei Mann von unserer Truppe sind da immer beteiligt", teilt der örtliche Kommandant Ralf Morgenroth mit. Im Jahr sind das für seine Feuerwehr 60 bis 70 Einsätze. Aber eine absolute Bereicherung, so das Fazit des Kommandanten.
In der Akademie läuft alles am Schnürchen. Sandra Carstensen und Susanne Laß konnten noch vor Beginn ihres Seminars den Fitnessraum in dem alten Gemäuer nutzen und sind mit den gebotenen E-Bikes zu den Windrädern am Bretzenstein gefahren: "15 harte Kilometer, aber es war sehr schön." Der Schlossgarten steht den Untermerzbachern und den Gästen im Moment nur eingeschränkt zur Verfügung. "Es gibt viele morsche Bäume und reparaturbedürftige Treppen. Das ist uns einfach zu gefährlich", teilt Julia Stärk aus der Akademie der VBG mit. Die Gartenarbeiten haben aber bereits begonnen.
Es soll so werden, wie es früher einmal war. Das "Luisenplätzchen", das zurückerinnert an die 1851 gestorbene Luise Henriette von Rottenhan, die sich sehr für die Gestaltung schöner Gärten interessierte, wurde bereits geschaffen.