Neue Wege führen in die Berufswelt
Autor: Ralf Kestel
Ebern, Donnerstag, 31. Januar 2013
Achtklässler an den Mittelschulen im Landkreis Haßberge haben nun einen regulären Praktikumstag in ihrem Wochenfahrplan stehen. Damit gehört die eindimensionale Erfahrung, wie sie bisher in nur einer Praktikumswoche erlangt wurde, der Vergangenheit an. Wer profitiert?
Neue Wege auf der Suche nach dem Wunschberuf beschreiten die 100 Achtklässler der drei Mittelschulverbünde im Landkreis Haßberge. Anstelle von ein- oder zweiwöchigen Praktika in Betrieben absolvieren sie nun regelmäßig einen Praktikumstag in der Woche bei einem potenziellen Arbeitgeber.
Diese Neuerung stellte Schulamtsdirektorin Uli Brech im Kreistag-Ausschuss für Arbeit, Bildung und Soziales vor, der im Landratsamt in Haßfurt tagte. "Die Berufsorientierung ist ein Alleinstellungsmerkmal unserer Mittelschulen", betonte die Schulrätin.
Die neue Praxis, zum laufenden Schuljahr eingeführt, zollt einer Erfahrung Rechnung, wonach die bisherigen einwöchigen Praktika "eher zufällig ausgewählt wurden, weil der Papa in diesem Betrieb arbeitete".
Analyse für jeden Schüler
Nun aber soll auf Erkenntnissen aufgebaut werden, die schon in
Bei diesem einwöchigen Kurs können mehrere Berufsfelder getestet werden: Holz, Metall, Maler, Floristik, Friseur, Handel, Pflegeberufe. Die Schulamtsdirektorin ist sich sicher: "Die Jugendlichen kriegen auch in unserem Landkreis etwas geboten."
Mit diesen "Beo"-Erkenntnissen soll nun ein systematisches Netzwerk mit geschulten Betreuern aufgebaut werden. "Das kostet natürlich Geld." Der Freistaat gibt 55 000 Euro, aber auch der Landkreis ist gefordert, wie der Kreistag-Ausschuss erfuhr.
Betriebe können planen
Als Vorteil des regulären Praktikumstages nannte Brech, dass die Betriebe längerfristig planen könnten und der Einsatz der Jugendlichen auch nicht so witterungsabhängig sei, was vor allem für Außenberufe gelte. So könnten die Betriebe einem drohenden Fachkräftemangel entgegenwirken. Und: "Die Schüler lernen die Arbeitsabläufe realistisch kennen", was sie auch dokumentieren müssen, wozu sie Interviews mit ihren Lehrmeistern führen sollen.
Die Schulamtsdirektorin: "Wir gehen davon aus, dass die Jugendlichen auch für das schulische Lernen motiviert werden, wenn sie draußen in der Berufswelt waren."
Trotz einiger Anfangsschwierigkeiten sei für jeden Mittelschüler ein Praktikumsplatz gefunden worden, auch "wenn's im ländlichen Raum mit der Beförderung von Achtklässlern schon noch Probleme gibt", sagte Brech.
Eine Fortführung dieses Projektes in der neunten Klasse sei nicht möglich, weil dann die Vorbereitung auf den qualifizierenden Abschluss im Mittelpunkt stehe. "Dann machen wir wieder Schule."
Eventuell Wechsel nach einem halben Jahr möglich
Die bisherige Erfahrung mit dem Praktikumstag zeige, dass "ganz wenige Schüler rausfallen, weil es die meisten freut, wenn sie mal etwas anderes machen dürfen". Vorstellbar sei der Wechsel einer Praktikantenstelle nach etwa einem halben Jahr, wenn ein Beruf den Bewerber so gar nicht anspricht.
Landrat-Stellvertreter Siegmund Kerker (CSU) lobte die "Hinführung zur Praxis als Stärke unserer Mittelschulen". Auch Kreisrat Gerhard Zösch (CSU) würdigte die Ansätze: "Eine wunderbare Sache, von der auch der Lehrherr etwas hat."
Brech würde sich freuen, wenn für die besten Dokumentationen der Praktikanten über ihren Arbeitsplatz noch Preise ausgelobt werden könnten.
Umgang mit Messer und Gabel
Nochmals die Hand aufgehalten hat Ulrike Brech für die Grundschüler im Landkreis. So solle das Projekt "Ernäherungsführerschein Aid" auf alle 33 Klassen der dritten Jahrgangsstufe ausgeweitet werden.
Dabei geht es darum, dass über einen Zeitraum von sechs Wochen in sechs Doppelstunden Grundkenntnisse des Kochens und des Umgangs mit Messer und Gabel erlernt werden. Dies passiert in Zusammenarbeit mit den Hauswirtschaftsmeisterinnen des Landfrauenverbandes.
Kreisrätin Sabine Weinbeer (Wählergemeinschaft) unterstützte den Antrag aufgrund eigener Erfahrungen: "Es wäre schlimm, wenn diese Aktion nicht weitergeführt würde, weil die Kinder in anderen Schultypen keinen Kontakt mit der Essenszubereitung mehr haben", argumentierte sie.
Die Kosten in Höhe von 10.560 Euro tragen die Rotary-Clubs Haßberge und Obermain zur Hälfte; den Rest müsste der Landkreis zahlen, bat die Schulamts-Chefin. Der Kreistag-Ausschuss formulierte einen Empfehlungsbeschluss.