Neue Technik lässt die Straßen flüstern
Autor: Günter Flegel
Untertheres, Freitag, 15. November 2013
Das Staatliche Bauamt in Schweinfurt macht die Ortsdurchfahrten leiser: Ein spezieller Asphaltbelag halbiert den Lärm der Fahrzeuge. Ob sich das neue Verfahren auf Dauer bewährt, muss sich zeigen.
Der Zustand des Straßennetzes ist ein Dauerthema und nicht selten ein Aufreger. Wenn es um die Löcher im Asphalt geht, wird es bei Bürgerversammlungen schnell laut. Dass ist aber nicht der Hauptgrund, warum das Staatliche Bauamt in Schweinfurt jetzt vermehrt Flüsterbeläge verlegt.
Die Bürger in der Ortsmitte von Eltmann, Oberhohenried, Kirchlauter und jetzt Untertheres sind so etwas wie Versuchskaninchen. Sie kommen in den Genuss eines neuen Straßenbauverfahrens namens DSH-V. Dieses Kürzel ist so neu, dass es noch nicht mal Manfred Rott aus dem Stegreif übersetzen kann, beim Bauamt der Abteilungsleiter für den Straßenbau in den Kreisen Haßberge und Rhön-Grabfeld.
Schneller, billiger, leiser
Wenn man weiß, was hinter dem Kürzel steckt, ist man allerdings auch nicht schlauer: DSH-V heißt dünne Asphaltdeckschichten in Heißbauweise auf Versiegelung. Mit dem Wortungetüm haben die Straßenbauer so etwas wie das Ei des Kolumbus gefunden: Der Belag, der nach diesem Verfahren verlegt wird, ist dünner und damit billiger als herkömmliche Asphaltdecken, der Aufwand beim Einbau ist geringer, es geht schneller, und am Ende profitieren auch noch die Anlieger der heiß gebauten Straßen, weil sich der Verkehrslärm um bis zu vier Dezibel vermindert, also mehr als halbiert.
DSH-V wird aber wohl trotzdem nicht, jedenfalls nicht in naher Zukunft, zum Standardbelag beim Straßenbau. Zum einen: Die Technik ist relativ neu. Erst seit 2006 gibt es im Freistaat praktische Erfahrungen mit dem Dünnschichtasphalt.
Ein Dankeschön aus Eltmann
Im Landkreis Haßberge war die stark befahrene Ortsdurchfahrt von Eltmann in Richtung Limbach die erste Strecke, die nach diesem Verfahren ausgebaut wurde. "Danach habe ich von mehreren Anliegern Briefe bekommen, in denen sie sich für die Reduzierung des Lärms bedankt haben", erzählt Rott.
Erfolgsmeldungen wie diese verhalfen DSH-V zum Sprung in die Staatskanzlei. Das Bayerische Innenministerium hat ein Sonderprogramm "Leise Straße" aufgelegt. Es gibt eine Prioritätenliste von Ortsdurchfahrten, die leiser werden sollen, und die arbeiten die Bauämter nach bestimmten Kriterien ab. "Dabei geht es zum einen um die Verkehrsbelastung, zum anderen um die Zahl der betroffenen Anwohner", beschreibt Rott.
In Untertheres
Die jüngste DSH-V-Baustelle war in Untertheres, wo Rott den Abschluss der Maßnahme nutzte, um das Verfahren im Detail zu erläutern und mit Missverständnissen aufzuräumen. "So mancher hat sich gewundert, warum der Asphaltfertiger ausgerechnet über die B26 in Untertheres rollte. Denn es gibt zahlreiche Straßenabschnitte in der Region, die in weitaus schlechterem Zustand sind", sagt Rott.
Die Wahl fiel deshalb auf Theres, weil die 8000 Fahrzeuge täglich in der eng bebauten Ortsdurchfahrt dem Dorf einen Platz ganz oben auf der Prioritätenliste geben. Zum anderen ist das Verfahren mit der dünnen Asphaltschicht ideal, um halbwegs intakte Fahrbahndecken mit vergleichsweise wenig Aufwand wieder haltbar zu machen.
Spezielle Maschinen
"Bei einem herkömmlichen Ausbau mit einer vier Zentimeter starken Deckschicht müssen wir den alten Belag komplett abfräsen", erläutert Rott - sonst würde der Aufbau zu hoch. Der nur zwei Zentimeter starke Flüsterbelag kann dagegen auf der alten Decke aufgetragen werden. Um die Haftung zu verbessern, muss eine spezielle Versiegelung aufgesprüht werden. Das schränkt den Einsatz der neuen Technik ein, "weil bislang nur wenige Straßenbauunternehmen in solche Maschinen investiert haben" , wie Rott sagt.
Für die Lärmminderung sorgt bei DSH-V eine besondere Asphaltmischung. "Die Deckschicht ist sehr viel kompakter und die Oberflache glatter als bei herkömmlichem Asphalt", erklärt der Straßenexperte. Dadurch vermindern sich die Rollgeräusche, was sogar der Autofahrer selbst merkt, wenn sein Fahrzeug am Ortsrand von Untertheres von der alten B26 auf die neue Ortsdurchfahrt wechselt: Es wird leiser im Auto.
Einen ähnlichen Effekt wie das neue Verfahren erzielen die Straßenbauer mit dem seit vielen Jahren bewährten "Flüsterasphalt", der die gleiche Wirkung mit dem Gegenteil erreicht: Dieser Asphalt ist grobkörnig, vergleichbar mit einer Reiswaffel: Die Poren im Straßenbelag schlucken den Lärm.
Dieses Verfahren funktioniert aber nur mit einem aufwändigen Drainagensystem, weil auch das Regenwasser den luftigen Asphalt durchdringen kann.
Leise Autobahnen
Deshalb, so Rott, wird der "Flüsterasphalt" in der Regel nur beim kompletten Neubau von Straßenoberflächen eingesetzt, vor allem auf Hauptverkehrsstraßen und Autobahnen in lärmsensiblen Bereichen (etwa auf dem Frankenschnellweg/ A73 im Bereich Erlangen).
Ob auf lange Sicht alle Straßen nur noch flüstern, muss abgewartet werden, sagt Rott. Die neue dünne Schicht muss sich in punkto Haltbarkeit erst noch im Langzeitversuch bewähren.