Modell-Buggy-Rennen: Fliegende Boliden in Sand
Autor: Ralf Naumann
Sand am Main, Freitag, 08. August 2014
Sand am Main ist für ein Wochenende Treffpunkt der internationalen Modell-Buggy-Szene. 180 Fahrer aus 19 Nationen treten zu dem Wettbewerb an.
"Da muss man schon ein bisschen verrückt sein", lacht Bruno Keeß. Keeß, seit sieben Jahren beim "RC Car Buggy Team" des MSC Sand aktiv und für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig, ist wie zahlreiche andere Vereinsmitglieder seit Wochen viele Stunden täglich im Einsatz, um die seit Dienstag laufende "EFRA 1/8 Buggy Championchip" - die Europameisterschaft "Modell-Offroad-Buggys" - perfekt auszurichten. Mit großem Erfolg: die knapp 180 Fahrer aus 19 Nationen fühlen sich auf dem Sander "Hermannsberg" rundum wohl.
Sechsfacher Europameister
Am Samstag, 9. August, wird einer von ihnen der neue "Champion 2014". Gute Chancen auf seinen ersten Titel in dieser Klasse werden dabei Jörn Neumann aus Leverkusen eingeräumt. Immerhin hat der 23-Jährige, der seit seinem 14. Lebensjahr mit der Fernsteuerung vertraut ist, schon oft sein Können in anderen Klassen unter Beweis gestellt: Sechs Mal wurde er in der Klasse "Elektro" bereits Europameister sowie Vize-Weltmeister. Mit einem 1:8 RC-Verbrenner Buggy wurde er immerhin deutscher Meister und gewann darüber hinaus noch viele weitere nationale und internationale Rennen.
Ein echter Profi
Für Neumann, der wie viele andere Fahrer bei der Veranstaltung hauptberuflich aktiv ist und mit dem Sport sein Geld verdient, ist in erster Linie das Interesse für und an Modell-Buggys wichtig, um Erfolg zu haben. "Es sollte einfach Spaß machen", sagte der Rheinländer. Außerdem seien eine "schnelle Reaktion und Geduld" wichtige Aspekte. "Man fährt nicht das erste Mal und ist gleich schnell. Das dauert seine Zeit." Nachdem sich Jörn Neumann in den letzten Jahren alle notwendigen Voraussetzungen erarbeitet hat, wäre für ihn das erneute Nichterreichen des Finallaufes (Start ist um 15.50 Uhr) eine Enttäuschung, nachdem er bei der letzten Europameisterschaft bei den Verbrennern lediglich Elfter wurde. "Ziel ist es, immer zu gewinnen. Egal welches Rennen." Doch neben Können spiele das Glück eine wichtige Rolle. "Es darf halt nichts kaputt gehen. Es muss einfach alles passen."
Olympischer Gedanke
Der olympischen Gedanke "dabei sein ist alles" steht bei Chris Schellein aus Kulmbach im Vordergrund. Der 17-Jährige will bei seiner ersten Teilnahme an einer Euro in die "Top 30" fahren. Die Chancen standen nicht schlecht, immerhin betreibt er den Sport bereits seit zehn Jahren. Warum? "Es macht einfach Spaß", nennt Schellein den Hauptgrund für das Hobby. Doch längst ist für ihn Modell-Offroad-Buggy mehr geworden. Wie auch Neumann kann er dank seines Arbeitgebers, der ihn auch finanziell unterstützt, die enormen Materialkosten im Rahmen halten. "Hobby und Arbeit in einem", freut sich Chris Schellein, der öfters auf einer Rennstrecke anzutreffen ist als an seinem Arbeitsplatz in Nürnberg.
Seit drei Jahren dabei
Ein von nur drei weiblichen Teilnehmerinnen ist die erst 15 Jahre alte Vanessa Wende aus dem hessischen Gelnhausen, die sich seit über drei Jahren für den Sport begeistert und erst am Montag erfahren hat, als Nachrücker in Sand teilnehmen zu können. In diesem Jahr startete die Schülerin zwar bei der Europameisterschaft B (hier durften die 30 besten Fahrer der Rangliste nicht teilnehmen). Doch sie wollte nun die Luft der "großen" A-Euro schnuppern. "Nicht letzter sein", lautet das ganz bescheidene Ziel von Vanessa, die keine Ambitionen hat, mit den Modell-Buggys später einmal Geld zu verdienen.
Mit "ein bisschen verrückt sein" meint Bruno Keeß übrigens nicht nur die Leidenschaft für den Modell-Rennsport, sondern die anfallende Arbeit. "Die meisten von uns opfern für die Euro ihren Urlaub. Aber das ist für mich so wie Urlaub", lacht der 47-Jährige. "Es geht nicht so sehr um Erholung, sondern um Erleben." Mitglieder des MSC Sand waren derweil nicht am Start, denn "ich habe ein Fahrverbot ausgesprochen", betont Ralf Bauer und liefert die Begründung gleich hinterher: "Wir brauchen einfach jede Hand zum Helfen", so der Spartenleiter und MSC-Schatzmeister, der zugleich deutschlandweiter "Offroad"-Referent und als Teammanager aktiv ist. "Es ist mittlerweile eine Unmenge an Arbeit." Deshalb komme die Ausrichtung der Weltmeisterschaft, die dem "RC Car Buggy Team" des MSC Sand ebenfalls angeboten wurde, vorerst nicht in Frage. "Das ist eine Nummer zu groß. Da wären bis zu 240 Fahrer am Start, es würde zwei Wochen dauern und wir müssten ein Drittel der Strecke umbauen", macht er deutlich. Die Europameisterschaft sei noch vertretbar. "Alle haben an einem Strang gezogen, alle sind happy. Das ist das Beste für den Verein, was passieren konnte."
60 Minuten Dramatik
Während die meisten Vorläufe der vergangenen Tage jeweils bis zu 20 Minuten dauerten, beträgt die Fahrzeit im Finale mit den zwölf Besten eine ganze Stunde. Dabei steuern die "Piloten" ihre mit knapp drei PS starken Verbrennungsmotoren (circa 3,5 Kubikzentimeter, bis zu 37.000 Umdrehungen) ausgestatteten Buggys durchschnittlich alle sieben Minuten in die Box zum Auftanken. "Die Strategie ist wie in der Formel 1 sehr wichtig", erklärt Bruno Keeß. Kommt ein Fahrer beispielsweise an einem Konkurrenten nicht vorbei, wird er von seiner Zwei-Mann-Crew in die Box gerufen. "Dann wird eben zwei, drei Minuten eher getankt. Das kann oft rennentscheidend sein."
Nachdem exakt 125 Milliliter des Nitromethangemisches in den Tank passen, dauert der Stopp mit gut eingespielten Helfern zwischen zehn und 14 Sekunden Sekunden. "Tanken geht so oft wie möglich, aber alles kostet halt sehr viel Zeit. Ein Wechsel der Profilreifen ist dagegen nicht erlaubt", sagt der 47-Jährige und ergänzt: "Das wäre aber auch total kontraproduktiv, denn bei den Modellautos dauert das mindestens 35 Sekunden." Indes sind auch Strafen möglich, etwa wenn ein Fahrer oft auf Drängeln und Behindern aus ist. "Erst gibt es von der Rennleitung eine Verwarnung, im Wiederholungsfall eine fünf Sekunden dauernde Zeitstrafe in der Box."
Die etwa 270 Meter lange und von allen Fahrern hochgelobte Strecke beinhaltet eine sogenannte "Table", eine 60 Grad steile Auffahrt mit anschließendem Sprung, eine sehr anspruchsvolle "Vierer-Kombination" (vier Sprünge hintereinander, wobei die Fahrer meist zwei "Hindernisse" gleichzeitig überwinden) sowie eine Steilwandkurve mit einem weiteren integrierten Sprung. Auf den längeren Geraden des bis vier Meter breiten Parcours erreichen die Flitzer Höchstgeschwindigkeiten bis zu 80 Stundenkilometer. Gute Fahrer brauchen für eine Runde knapp 28 Sekunden.
Zum Ablauf
Am Samstag, 9. August, beginnen um 9 Uhr die ersten jeweils 20-minütigen Finalläufe, die bis bis 15.30 Uhr dauern. Wer "Champion 2014" wird, entscheidet sich schließlich ab 15.50 Uhr, wenn sich die zwölf besten Fahrer der vergangenen Tage, einschließlich des Samstagvormittags, ein einstündiges Rennen liefern. Ziel ist es, so viele Runden wie möglich zu schaffen. Vorgestellt werden sie um 15.35 Uhr. Die Siegerehrung ist dann für 17.15 Uhr vorgesehen. Derweil wird um 14.40 Uhr das "40+ Final" für Fahrer über 40 Jahren gestartet und um 15.10 Uhr das "Juniors-Final" für Fahrer unter 17. Diese können aber, wenn sie sich qualifizieren, auch an der "normalen" Europameisterschaft teilnehmen. Die Ergebnisse gibt es auf der Internetseite www.euro2014.mscsand.de. Die Veranstalter würden sich über regen Besuch sehr freuen, der Eintritt ist frei.