Druckartikel: Mit dem Zollstock im Kornfeld

Mit dem Zollstock im Kornfeld


Autor: Friederike Stark

LKR Haßberge, Mittwoch, 22. Juni 2016

Fast 100 Unterfranken legen in diesem Jahr die Prüfung zum Landwirt ab. Das ist der stärkste Jahrgang seit 25 Jahren. Was macht den Beruf interessant?
Der Sander Landwirtschaftsprüfling Michael Neeb (Mitte) misst gerade die Bestandsdichte auf dem Kornfeld in Nassach (Gemeinde Aidhausen). Die beiden Prüfer Norbert Sauer (links) und Andreas Ofenhitzer stellen ihm die Prüfungsfragen.  Fotos: Ronald Rinklef


Michael Neeb holt den Zollstock aus seiner Tasche und marschiert geradewegs ins Kornfeld. Andreas Ofenhitzer und Norbert Sauer sind dem 31-jährigen Sander dicht auf den Fersen. Mit Argusaugen begutachten die beiden Männer jeden Handgriff von Michael Neeb. Denn heute ist der Tag der praktischen Prüfung für fünf Landwirte in spe.

Sie alle müssen sich, immer in Begleitung von zwei Prüfern, in zwei Bereichen beweisen: der Tierhaltung und dem Pflanzenbau. Dafür sind sie extra nach Nassach (Gemeinde Aidhausen) gekommen. Denn hier, auf dem Hof von Landwirt Andreas Häpp, herrschen perfekte Voraussetzungen für die praktische, betriebliche Prüfung. "Ich habe hier 60 Milchkühe und betreibe Ackerbau", erklärt der Landwirt, der auch seinen Meister gemacht hat.
Michael Neeb, der gerade im Feld steht und geprüft wird, hat eigentlich schon einen anderen Beruf. "Ich bin Kfz-Elektriker", sagt der 31-Jährige.

Neben seinem Beruf hat er an Abend- und Wochenendseminaren teilgenommen. "Ich betreibe den Betrieb meiner Eltern im Nebenerwerb. Hauptsächlich machen wir Ackerbau", sagt Neeb. Neeb wollte, dass das alles Hand und Fuß hat. "Deswegen habe ich die Ausbildung zum Landwirt gemacht."


Die Theorie wird zur Praxis

Auf dem Feld zeigt sich, was der Sander kann. Häpp beobachtet gemeinsam mit dem Ausbildungsberater für Landwirtschaft in Unterfranken, Martin Mack, die Prüfung von Michael Neeb. Gerade muss Prüfling Neeb die Bestandsdichte auf dem Kornfeld messen. "Deswegen braucht er auch den Zollstock. Er zählt ab, wie viele Pflanzen pro Quadratmeter wachsen und wie viele Körner eine Ähre trägt", erklärt Hofbesitzer Häpp.


Der Bauer als Börsenspekulant

Genau so wird es auch in der Praxis gemacht. "Ich schaue mir mehrmals stichprobenartig meine Äcker an. So kann ich abschätzen, wie der Ernteertrag in diesem Jahr wird und auf dieser Grundlage meine Verträge machen", erklärt Häpp. Dieses Jahr, erklärt Häpp, stehe eine super Ernte da. "Der Regen war Gold wert. Das konnte man im März noch nicht abschätzen."

Aber das Wetter hat auch Schlechtes mit sich gebracht: "Auf dem Boden liegen recht viele Körner. Das kommt vom Hagel in der vergangenen Woche", sagt der Landwirt. Und manche Ähren sind nicht komplett befruchtet. Auch das könne ein Zeichen der Wetterkapriolen sein. "Es ist nicht einfach, die Ernte richtig abzuschätzen", erklärt Häpp und fügt hinzu: "Da musst du als Landwirt schon fast ein Börsenspekulant sein."

Die Abhängigkeit vom Wetter ist eine der Tücken des Berufs Landwirt. Doch auch der Preisdruck macht vielen Bauern zu schaffen. Gerade Milchbauern sind davon betroffen. Und trotzdem machen in diesem Jahr so viele Prüflinge ihren Abschluss wie seit 25 Jahren nicht mehr. Martin Mack vom Landwirtschaftsamt freut sich über das wieder stärker werdende Interesse für den Beruf. "Rund 75 Prozent der Absolventen steigen im familiären Betrieb mit ein", erklärt er.


Landwirt im Nebenerwerb

Immerhin 47 der 98 Prüflinge haben bereits vorher einen Beruf erlernt. So wie Michael Neeb und sein Kollege Christoph Fösel aus Eltmann. Auch er betreibt den Familienbetrieb im Nebenerwerb. "Ich habe unseren viehlosen Hof 2012 auf bio umgestellt", erklärt der Landschaftsgärtner. "Nun wollte ich meinen Landwirt machen, weil ich von der Sache überzeugt bin." Und damit meint er nicht nur den biologischen Anbau, sondern den Beruf des Landwirtes. "Selbstverständlich ist es ein arbeitsintensiver Beruf, der viel Zeit kostet", sagt Fösel. Doch wenn die Leute kommen und bei ihm einen Sack Biokartoffeln kaufen, "weil sie so gut schmecken und einem sagen, man solle unbedingt weitermachen, dann ist das die pure Motivation."