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Masern haben im Kreis Haßberge keine Chance


Autor: Brigitte Krause

LKR Haßberge, Donnerstag, 18. Juli 2013

Mediziner und Gesundheitsamt genießen bei den Familien im Landkreis Haßberge Vertrauen. Es gibt offenbar keine Probleme mit Impfverweigerern. Nicht zu impfen, das ist wie Fahren ohne Gurt, findet der Kinderarzt Arman Behdjati.
Arman Behdjati-Lindner ist ein lieber Mensch, aber als Kinderarzt muss er eben doch mal pieksen. Dann schaut er zu, dass er seine kleinen Patienten wenigstens ein bisschen beschäftigt. Zum Beispiel mit dem Hustentrick. Der wird hier aber nicht verraten. Die Impfdosen - manche fix und fertig schon in Spritzen verpackt - liegen im Kühlschrank der Kinderarztpraxis bei Temperaturen zwischen zwei und acht Grad Celsius.  Foto: kra


Ja, er sieht öfter mal die Tränchen kullern beim zweiten Pieks in den anderen Oberschenkel. Doch Kinderarzt Arman Behdjati-Lindner hat gute Erfahrungen damit gemacht, Impfungen zu bündeln. Pieksen muss sein, meint er. Die Berichte über die Masern-Epidemie in Bayern hat der Mediziner der Gemeinschaftspraxis für Kinder- und Jugendmedizin Haßberge aufmerksam verfolgt.

Für seinen Wirkungsbereich allerdings kann er sagen, dass es hier über eine solche Impfung "wenig Diskussion" gibt. Die Eltern nutzten die Beratung der Ärzte. Einzelfragen gebe es natürlich, aber die meisten Eltern ließen ihre Kleinen komplett durchimpfen.

Ein ernsthafter Rat
Um genau zu sein: Bei 96,4 Prozent, also sogar über 95 Prozent (ein Wert, den die Weltgesundheitsorganisation WHO fordert), liegt die Impfrate bei der ersten der beiden Masern-Impfungen, die jedes Kind bekommen sollte, im Landkreis. Der Chef des Gesundheitsamts Haßberge, Jürgen Reimann, betont: "Ich kann nur empfehlen, dass sich jeder impfen lässt. Denn die, die sich nicht impfen lassen, leben auf Kosten der anderen."

Zwingen kann man niemanden. Über 200 Jahre, 1801, ist es her, dass in Bayern eine Impfanstalt eingerichtet wurde. 1807 kam die Pockenschutzimpfung mit Impfpflicht. Damals starben in Deutschland jährlich Tausende daran. Heute ist diese Krankheit so gut wie ausgerottet.

Früher war das Impfnetz dicht, nun hat es Löcher. Manche Eltern sehen Impfungen skeptisch. Doch die Haltung, dass Kinderkrankheiten durchgemacht werden müssen, hat sich als verhängnisvoll für einen 14-Jährigen erwiesen, der im Juli an den Masern gestorben ist.

"Es ist eine Glaubensfrage", meint Jürgen Reimann. "Impfschäden kommen extrem selten vor." Also unbedingt impfen und korrekt impfen. Reimann erklärt, warum die zweite Masernimpfung wichtig ist: "Impfversager sind immer wieder zu beobachten." Mit der zweiten Impfung nehmen es aber manche Eltern nicht mehr so genau, sie wiegen sich in trügerischer Sicherheit (Impfrate nur 93,6 Prozent). Da könnte man noch zulegen, findet der Amtsarzt.

Wie kommen die Statistikzahlen zusammen? Masern, Mumps und Röteln werden mit lebenden Erregern bekämpft. Jeder Pieks steht im Impfbuch. Und das schauen sich die Mitarbeiter des Gesundheitsamtes bei der Einschulung an, auch später noch einmal.

Auffrischen nicht vergessen
Die Grundimmunisierung soll sicherstellen, dass Kinder ausreichend geschützt sind. In unterschiedlichen Zeitabständen sind Auffrischimpfungen nötig. Geimpft wird gegen Kinderlähmung, Diphtherie, Tetanus, Hib und Hepatitis B, gegen FSME, gegen Masern, Mumps und Röteln.

Reimann hält das Impfen nicht nur für Kinder wichtig. Auch Erwachsene sollten aufpassen. FSME, Tetanus, Diphterie und vor allem Keuchhusten brauchen alle zehn Jahre eine Auffrischung - überhaupt wenn man in Länder wie Indien, Afrika oder Südamerika fährt, meint Reimann. Da müsste man auch den Schutz gegen die Kinderlähmung (Polio) erneuern. Seiner Meinung nach auch sinnvoll für alle über 55-Jährigen ist die Grippeimpfung.

Gesundheitsamt, Hausärzte, nicht zu vergessen Kinderärzte sind Ansprechpartner. Bei Rein/ Behdjati marschieren manchmal ganze Familien auf. Die Ärzte schauen sich, sagt Arman Behdjati, auch die Impfpässe der Mamas und Papas an.

Eine Kinderarztpraxis hat sowieso mehr Impfstoff vorrätig, hier gibt es an einem normalen Arbeitstag schon zwischen 40 und 60 Impfungen. Kein Wunder, dass der unscheinbare Impfkühlschrank eines der Herzstücke der Praxis ist. Würde er ausfallen, könnte das schon mal auf 50 000 Euro kommen. Nein, nicht der Schrank, die Seren sind so teuer. Immerhin der Schrank sagt Bescheid, wenn was nicht stimmt. Die SMS-Nachricht schlägt auf vier Handys ein.