Druckartikel: Martin Brünn hat die Erde mehrfach umwandert

Martin Brünn hat die Erde mehrfach umwandert


Autor: Helmut Will

Ebern, Mittwoch, 14. Januar 2015

Der 78-jährige Eberner ist pro Woche mindestens 100 Kilometer auf Schusters Rappen unterwegs. Ob Jakobsweg oder Hausstrecke in Richtung Sandhof: Das ist dem Dauerwanderer und Individualisten egal.
Martin Brünn aus Ebern auf dem Jakobsweg Foto: privat


Das Wetter ist ihm egal. "Ich lasse mir doch vom Petrus meine Routen nicht vermiesen", sagt der 78-jährige Martin Brünn aus Ebern. So schultert er auch an einem verregneten Donnerstag seine Wandersachen und macht sich auf den Weg, um auf einer seiner "Hausstrecken" zu wandern. Los geht's - raus aus Ebern in Richtung Sandhof. Die "Hausstrecke" über die Ruine Raueneck liegt vor ihm.


"Seit ich ein Kind bin"

"Wandern in der Natur gehört zu meinem Leben, seit ich ein Kind bin", sagt Martin Brünn. Schon im Alter von zehn Jahren war er an Wochenenden unterwegs. "Ich bin damals immer meine Hausstrecke zur Ruine Raueneck gegangen", sagt er. Seit dieser Zeit habe im das Wandern in freier Natur gepackt und es hat ihn bis zum heutigen Tag nicht mehr losgelassen. Auch die Rückertklause bei Gereuth sei in seinen Kindheits- und Jugendtagen häufig sein Ziel gewesen. "Seit meinem 17.

Lebensjahr bin ich fast täglich zu Fuß unterwegs". In den ersten Jahren hatte ich noch den Otto Göbel aus Ebern dabei. "Später bin ich Individualist geworden, meine eigenen Wege gegangen, da muss ich auf niemanden achten", sagt Martin Brünn. Und heute im Alter, da will er schon gleich gar niemanden mehr dabei haben: "Manchmal nehme ich mir vor, eine kurze Strecke zugehen und dann wird es eine ganz lange, oder auch umgekehrt.

Wenn jemand dabei ist, muss man Rücksicht nehmen und das will ich nicht", sagt er. Ein "Gruppenmensch" sei er noch nie gewesen, eher ein Einzelgänger. Der heute 78-jährige Eberner hat nie geheiratet, hat den Beruf des Schneiders erlernt und dann 33 Jahre bei Kugelfischer in Ebern gearbeitet, bevor er mit 54 Jahren in den Vorruhestand ging. Die Lieblingsstrecke von Martin Brünn führt zum Staffelberg. "Diese Strecke ist 43 Kilometer lang und ich gehe sie im Jahr bestimmt mehr als zehnmal", sagt er. Da verlässt er früh gegen 7 Uhr das Haus und um 18 oder 19 Uhr ist er wieder in Ebern .


"5200 Kilometer im Jahr"

Beliebte Wanderziele von ihm sind auch der Weißfichtensee, der Eberner Wald bis nach Kirchlauter und der "Schönblick" im Waldgebiet "Steinert" bei Jesserndorf. Die meisten seiner Tagestouren erstrecken sich über 15 bis 30 Kilometer. "Eines ist ganz sicher", sagt Martin Brünn, "weniger als 100 Kilometer gehe ich in der Woche ganz bestimmt nicht." Er beginnt, das hochzurechnen. "100 Kilometer die Woche, das sind 5200 Kilometer im Jahr und in acht Jahren 41.600 Kilometer, also einmal um die Erde". Er ist sich aber sicher, dass er es durchschnittlich auf mehr als 100 Kilometer in der Woche bringt.

Manche Leute hätten in schon für einen Landstreicher gehalten. "Als ich mal meinen dunklen Mantel anhatte, fragte mich jemand, ob ich ein Pfarrer sei", schmunzelt Martin Brünn. Manche hätten ihn gefragt, ob er jemals was anderes gemacht habe, als zu Fuß durch die Gegend zu "rennen". Denen hat er gesagt, dass er nebenbei auch 40 Jahre gearbeitet hat. "Na ja", sagt er, "ein Vernünftiger macht mir das nicht nach".

Im Jahr 2006 erfüllte sich der Rentner einen lang gehegten Wunsch: "Ich bin in Frankreich den Jakobsweg gegangen und habe hierbei die Strecke von 1540 Kilometer zurückgelegt", sagt er nicht ohne Stolz. Gestartet ist er am 24. April 2006 und kam nach 68 Tagen am 30. Juni wieder nach Ebern zurück. Mit dem Zug ist der damals 69-Jährige nach Le Puy in Frankreich gefahren und hat dort seinen 1540 Kilometer langen Fußmarsch auf dem Jakobsweg begonnen. Seine Wanderstrecke führte ihn in südwestliche Richtung, quer durch Frankreich. Zuerst war das Hochland von Aubrac eine erste Herausforderung, wo teilweise noch Schnee vorhanden war. Brünn ist von der Schönheit und Wildheit dieser Hochebene begeistert.

"Obwohl ich ganz allein war, also niemanden an meiner Seite hatte, war ich eigentlich nie allein", sagt Brünn. Viele Wanderer aus aller Herren Länder habe er getroffen und, soweit das sprachlich möglich war, auch einige Erfahrungen mit ihnen ausgetauscht. Er verweist darauf, dass er neben seinem Rucksack stets eine Tragetasche in der Hand mitführe. "Habt ihr den deutschen Pilger mit der Tragetasche gesehen", würde in manchen Unterkünften nach ihm gefragt. Für seine Begriffe laufen auf dem Jakobsweg schon viel zu viele Leute, meint Martin Brünn.


70 Tage alter Bart

Nun führte ihn die weitere Strecke auf dem Pilgerweg über die Pyrenäen. Das rund 430 Kilometer lange Grenzgebirge liegt zwischen Frankreich und Spanien. Mehr als 800 Kilometer folgte er den Jakobweg durch Spanien, bevor er an seinem Ziel in Santiago de Compostela, dem Zielpunkt des legendären mittelalterlichen Pilgerwegs "Camino de Santiago" ankam. Nach 1540 Kilometern geschafft? Martin Brünn winkt ab. "Ich war noch so verrückt und habe noch 150 Kilometer drangehängt". Er ist noch bis zur westlichsten Ecke des europäischen Kontinents, bis ans Meer nach Finisterre (Ende der Welt), weiter marschiert. Sein Resümee: "Für mich war es ein großes Erlebnis, ich hatte Zeit wie ein Weltmeister weil niemand auf mich wartet".

Mittlerweile war Brünn schon acht Mal auf dem Jakobsweg unterwegs. "Von 2005 bis 2012 habe ich über 10.000 Kilometer dort zurück gelegt." Zu Hause angekommen ist er mit einem 70 Tage alten Bart. Rasiert hat er sich während seiner langen Wanderung nicht einmal. Weder in Frankreich noch in Spanien sei er kontrolliert worden.

"Als ich in Würzburg bei meiner Rückreise im Hauptbahnhof stand, weil ich dort einige Zeit Aufenthalt hatte, kamen zwei Polizisten, um mich zu kontrollieren. "Ich hatte mit meinem Bart wohl nicht den vertrauensvollsten Eindruck erweckt", sagt Brünn. Nachdem er allerdings erzählt hatte, dass er von der Pilgerreise auf dem Heimweg ist, musste er auch dort seinen Ausweis nicht zeigen.

Auch wenn seine Schritte mit zunehmendem Alter langsamer werden, wird Brünn seine Wanderleidenschaft nicht aufgeben. "Unendlich dankbar bin ich, das ich über viele Jahrzehnte so gut laufen konnte und jeden weiteren Tag wo mir das möglich ist, sehe ich als einen Lotteriegewinn."