Maria Stahl turnte allen etwas vor
Autor: Johanna Eckert
Ebern, Freitag, 22. Februar 2013
Die Ebernerin Maria Stahl, die früher Maria Spitlbauer hieß, war als Mädchen beim Turnverein in Ebern engagiert, der im Jahr 2013 sein 150-jähriges Bestehen feiert. Ihr Hobby zwang sie regelmäßig zum Handstandüberschlag vom Verkaufsladen in die Küche.
Der TV Ebern war lange Jahre ihre Heimat. Maria Stahl aus Ebern, die in den nächsten Tagen 73 Jahre alt wird, verbindet beinahe 20 Jahre kameradschaftliche und ehrgeizige Körperertüchtigung mit dem Verein. Heute ist die Turnerin und Leichtathletin von einst die Seniorwirtin der "Franken stuben".
Geboren wurde sie in die Familie Spitlbauer, die damals das "Café am Markt" in Familienbesitz hatte. Maria war die einzige Tochter. "Ich war, bis ich 27 Jahre alt war, zu Hause und Mädchen für alles - im Laden, im Café und in der Backstube. Einer musste ja damals daheim bleiben. Mein Bruder ist fort, um einen Beruf zu erlernen", erzählt Maria Stahl über ihre Kinder-und Jugendzeit am Eberner Marktplatz und gesteht: "Eigentlich wollte ich immer Friseurin lernen."
Mit acht Jahren hat sie das Turnen beim TV angefangen und sich ab da sozusagen mit Handstandüberschlag zwischen Verkaufsladen und Café bewegt. "Das Turnen habe ich von meiner Mutter. Die hat auch schon geturnt. Und eine meiner Töchter ist in Hofheim turnerisch sehr aktiv."
Der TV Ebern, der in diesem Jahr sein "150-Jähriges" feiert, war damals die einzige Möglichkeit, in Ebern sportlich aktiv zu sein. "Mitgliederformular oder so gab es da noch nicht", berichtet Maria Stahl: "Wenn man dabei war, dann war man einfach dabei. Und jetzt bin ich mittlerweile 63 Jahre Mitglied beim TV Ebern", schmunzelt sie.
Gemischter Siebenkampf
"Der Sport, ja, das war mein großes Hobby", verrät die dreifache Mutter und schaut dabei verträumt aus dem Fenster der eigenen Wirtsstube. Mit diesem Thema kann man Maria Stahls Augen zum Leuchten bringen, und sie kommt aus den Erinnerungen nicht mehr heraus.
Neben dem Turnen war sie auch als Leichtathletin aktiv. "Das Laufen und das Werfen waren meine Stärken. Bei den Gauturnfesten und anderen Turnfesten habe ich dann meistens gemischten Siebenkampf gemacht. Das war Geräteturnen und Leichtathletik zusammen".
Für ihr einziges Hobby hat sich Maria Stahl abends nach der Arbeit die Zeit genommen. Dann ist sie Laufen gegangen oder hat zwei Mal pro Woche die Turnstunden besucht. " Wir haben geturnt, auch mal Völkerball gespielt - aber es wurde auch viel geblödelt. Der Spaß und die Kameradschaft kamen nicht zu kurz", schildert sie.
Die Leutung übernommen
Als 19-Jährige hat Maria Stahl die Rolle der Übungsleiterin für das Mädchen- und Frauenturnen übernommen. Wie viele Eberner Kinder sie die ganzen Jahre beim Turnen begleitet hat, weiß sie heute nicht mehr zu sagen. "Auf alle Fälle waren der Alfons und die Hanne Müller auch unter meinen Schützlingen. Die haben ja dann das Turnen viele Jahre lang weitergeführt." Noch heute kommen Leute auf sie zu und sagen: "Mensch Maria, du hast uns damals das Turnen beigebracht."
Als Übungsleiterin wurde die junge Ebernerin auch immer wieder auf Lehrgänge und zu Deutschen Turnfesten geschickt. "Mit dem Zug fuhr ich nach Grünwald in die Sportschule. Mit dem Fahrrad sind wir von Ebern nach Zeil zum Turnfest. Wir haben in Schulen und Pfarrheimen und auf Stroh übernachtet", schwärmt Maria Stahl von den alten Zeiten.
So viele Sportstätten wie heute gab es damals natürlich noch nicht in der Stadt. "Als es noch keine Turnhalle gab, haben wir im Streitsgarten geturnt. Am Alten Sportplatz waren wir auch mal in der Halle vom Kreisjugendring. Und dann kamen Jahre, als wir immer nach Rentweinsdorf in die Halle gefahren sind. Da war dann auch gemischtes Turnen, also Männer und Frauen zusammen", schildert die Gastronomin.
Die Erinnerung bleibt
Damals wurden vor allem Wald und Wiese zum Turnen benutzt. "Bei einem Leichtathletikwettbewerb auf dem Staffelberg", erzählt Maria Stahl, "habe ich geworfen, und der Ball ist im Wald gelandet." Dass sie oftmals die ersten Plätze bei Wettbewerben und Turnfesten belegt hat, weiß sie noch wohl, aber Siegerurkunden, Medaillen und Lorbeerkränze hat Maria Stahl nicht mehr. Nur ein Haufen Fotos ist ihr geblieben und die Erinnerung an die tolle Gemeinschaft: "Die Kameradschaftsabende waren immer schön," berichtet sie. Damals kamen verschiedene Vereine zusammen und haben sich etwas vorgeturnt. An Christi Himmelfahrt haben die Turner immer ihre "Götzwanderung" unternommen - zum Weißfichtensee oder nach Mürsbach. Und dann gab es in Ebern zahlreiche Tanzböden...
Die Übungsstunden fanden damals ohne Musik statt, nur auf den Turnfesten lief ab und zu mal musikalische Umrahmung. Dafür wurde das Turnerlied von jedem gesungen: "Turner auf zum Streite, tretet in die Bahn, Kraft und Mut geleite uns zum Sieg hinan. Ja zu höh'rem Ziel, führet unser Spiel..." Maria Stahl kann es nach so vielen Jahren immer noch.
Berufliche Ambitionen
Gedanken, ihr Hobby zum Beruf zu machen, geisterten in der jungen aktiven Turnerin öfters herum: "Manchmal war es schon ein bisschen mein Wunsch. Auch in den Ballsportarten war ich gut. Der Sport steckte einfach in mir, und ich wurde von vielen gelobt."
Als das konkrete Angebot kam, war es aber zu spät - der Liebe wegen. Die Realschule wollte sie als Sportlehrerin haben. Doch Maria Spitlbauer heiratete mit 27 und zog mit ihrem Mann nach Aschaffenburg. "Das Turnen musste ich dann aufgeben. In Aschaffenburg konnte man als Frau abends kaum alleine weggehen, da sind einem ja die Amerikaner nachgegangen." Und als sie ihre drei Kinder bekam, blieb keine Zeit für ein Hobby.
Von der Turnergemeinschaft gab es für die treue Mannschaftskameradin Maria Stahl und ihren Mann eine große Verabschiedung am Polterabend. Die Turnerfreunde und die Kameradschaft hat sie in Aschaffenburg oft vermisst: "Das waren alles sehr schöne Zeiten."
Heute ist Maria Stahl nur noch passives Mitglied im TV. Aber auf Achse ist sie noch immer viel, auch wenn das Knie nicht mehr so mitmacht. Sie hat Kontakt zu vielen Leuten, organisiert Fahrten, und dann sind da noch die drei Kinder und sieben Enkel. Im Gasthof "Frankenstuben", den sie selbst aufgebaut und im Jahr 1995 an ihren Sohn Jürgen übergeben hat, hilft sie mit Leib und Seele mit.