Druckartikel: Mal flugs zum Haare schneiden nach Tansania

Mal flugs zum Haare schneiden nach Tansania


Autor: Ralf Kestel

Ebern, Freitag, 10. November 2017

Wie zwei Friseurinnen aus Ebern ihre Arbeitswoche fürs Bayerischen Fernsehen in Tansania erlebten. Im Frühjahr gibt's mehr dazu im Dritten Programm.
Willkommen, aber vollkommen fremd: Die beiden Damen aus Tansania  werden  Salon-Chefin Anne Schneider im Salon in Ebern instruiert.Fotos: Ralf Kestel/privat


Die Vorfreude war groß, das darauf folgende Abenteuer auch: Von einem Tag auf den anderen den Arbeitsplatz wechseln. Eine Herausforderung für jeden, sogar wenn er nur den Arbeitgeber wechselt. Mehr schon, wenn er sich in einer neuen Branche versucht. Aber auf einem anderen Kontinent und Kulturkreis?

Das Wagnis gingen zwei Friseurinnen aus dem Salon "Varbenblind" ein, die an einem Dienstagabend erfuhren, dass sie im Rahmen einer Fernsehproduktion ab sofort ihren Arbeitsplatz mit zwei jungen Damen aus Tansania tauschen. "Wir saßen zwar schon auf gepackten Koffern, wussten aber nicht, wohin die Reise führt", hat Anne Sünkel diesen spannenden Moment noch ganz genau in Erinnerung, nicht ahnend, dass zwölf Stunden Flug nach Arusha in der Nähe des Kilimandscharo vor ihr liegen und sie in eine andere Welt eintauchen würde. "Ich bin zunächst erschrocken", gibt ihre Kollegin und Begleiterin Judith Reubel zu.


Anstrengender Betriebsausflug

Und jetzt nach der Rückkehr ist die Vorfreude einer gewissen Ernüchterung gewichen. "Es war schon unheimlich anstrengend", stöhnen die beiden attraktiven Damen aus Gleußen und Bad Staffelstein.

Und auch ihre Chefin Anne Schneider, die im Eberner Varbenblind-Salon die Stellung hielt, schnauft erst einmal durch: "Wenn die Fernsehsendung heute Abend liefe, ich würde sie nicht anschauen. Dazu brauch' ich noch etwas Abstand. Bis zum Sendetermin im Frühjahr geht's aber bestimmt wieder."

Anne Schneider hatte fast eine Woche lang Jane und Beatrice aus Tansania bei sich im Laden und im Haus. "Die beiden waren nett und höflich, und es war eine tolle Erfahrung, aber die haben einen ganz anderen Arbeits- und Lebensstil. Wie die schon über unsere Scheren gestaunt und die gehalten haben, da sie bislang nur mit normalen Haushaltsscheren gearbeitet hatten."


Kein Vergleich vorstellbar

Schwenk nach Afrika: "Wir hatten zwar unsere Friseur-Koffer dabei, aber nicht einmal ein Utensil benutzt", erzählen Judith und Anne. "Es war alles total anders, mit Deutschland nicht vergleichbar."

Und so musste so manche Traumvorstellung schnell über Bord geworfen werden. "Haare schneiden - gab's eigentlich gar nicht." Stattdessen stand Rasta-Zöpfe und Dreadlocks flechten und Kunsthaare einnähen auf dem Programm, weil "die mit ihren Afro-Locken unbedingt glatte Haare haben wollen", wie Judith Reubel erfahren und beobachtet hat. Denn: "Es gibt jede Menge Friseure und die haben alle gut zu tun."

Der Blick zur Konkurrenz war einfach: "Wir haben viel im Freien gearbeitet - bei weit über 30 Grad und sogar einen Sonnenbrand auf der Stirn geholt", berichtet Anne Sünkel. Im Freien, auf der Straße? "Straße? Da gibt's keine Straße, höchstens einen Lehmweg."


Hygiene-Ansprüche

Und auch in Sachen Hygiene mussten die beiden Friseuren aus dem Frankenland deutliche Abstriche akzeptieren. "Zumindest das Hotel war okay." Und ein willkommener Rückzugsort. "Am Abend haben wir kaum noch etwas unternommen, weil wir einfach fix und fertig waren", schildert Anne die Situation.

Begleitet wurden sie von einem vierköpfigen Produktionsteam aus Deutschland, einem einheimischen Produktionshelfer, einem Fahrer und einem Guide, einer Art Bodyguard. "Den haben wir zwar nicht gebraucht, aber wir waren froh, ihn um uns herum zu haben."

Und die Kolleginnen? "In Tansania gibt's keine Ausbildung - nur learning by doing und die Begabtesten werden genommen", haben die beiden Austausch-Friseurinnen erfahren. Eine Tatsache, die Chefin Anna Schneider bestätigt: "Meine beiden Schützlinge sind aus allen Wolken gefallen, als sie gehört haben, dass man bei uns eine dreijährige Ausbildung absolvieren muss."

Skeptisch antworten die beiden Weltenbummlerinnen bei der Frage, ob sie sich noch einmal auf so ein Abenteuer einlassen würden? Eher zurückhaltend, kommt ein "Ja" über Judiths Lippen und es folgt ein "aber": "Ich würde dann ein Land vorziehen, wo ich mehr für mich mitnehmen kann."


Partnertausch mit Fremden

Aber das Sende(r)konzept sieht ein Wunschkonzert eben nicht vor. Musikalisch ging's dennoch zu - zumindest in Europa: Weil bayerische Folklore zum Redaktionskonzept gehörte, besuchte Anne Schneider mit Jane und Beatrice und dem Eberner Blasorchester den Bockbier-Anstich in Mürsbach.

Der Dreh begann zwar etwas steif, als aber Gastwirt Ralf Schmitt und Bürgermeister Bruno Kellner die beiden Afro-Schönheiten zum Tanz aufforderten, soll's richtig lustig geworden sein, auch "wenn die beiden Damen zunächst Scheu hatten, die Männer anzufassen, weil sie das von ihren afrikanischen Tänzen her gar nicht kennen", wie sie Anne Schneider verrieten. Dafür haben sie sich als absolut trinkfest erwiesen.


Stillschweigen vereinbart

Und wie sah's mit einer Begegnung in Sachen Landeskultur in Tansania aus? "Ja, da gab's etwas, verraten wir aber nicht. Wir wurden zur Geheimhaltung verpflichtet. Die Leute sollen sich ja schließlich die Sendung anschauen", geben sich die Judith Reubel und Anne Sünkel zugeknöpft.

Also abwarten bis zur Sendung. Darauf freut sich selbst Eberns Bürgermeister Jürgen Hennemann, wie er verkündete, da er als Ehrengast an der Verabschiedungs-Zeremonie in Ebern teilnehmen durfte.

Die Tauschpartnerinnen haben ihre Antipoden im Übrigen nie getroffen oder kennengelernt. Die Tansianerinnen dafür zwei echte fränkische Bürgermeister. Ist doch auch etwas.