Luftballons und Jesu Leiden in Ebern
Autor: Johanna Eckert
Ebern, Donnerstag, 09. Januar 2014
Eine moderne Darstellung von Jesu Tod entfacht Diskussion in der evangelischen Kirchengemeinde in Ebern. Künstler Gerhard Rießbeck stellt sein Werk in der Kirchengemeinde vor.
Eine lebhafte Diskussion ist in der evangelischen Kirchengemeinde entbrannt. Es geht um moderne Kunst und darum, was in dem Eberner Kirchenraum möglich sein soll. Die Christuskirche ist Teil des Kunstprojektes "12 (W)Orte", das in zwölf ausgewählten Gemeinden im Kirchenkreis Bayreuth verwirklicht werden soll. Es geht um Darstellungen der zwölf beliebtesten Bibelstellen. Der Kirchenkreis, genauer gesagt eine eigens eingesetzte Fachjury, hat dabei den Künstler Gerhard Rießbeck aus Bad Windsheim ausgewählt, um die Bibelstelle Lukas 23, in der es um Kreuzigung und Tod Jesu geht, künstlerisch in den Kirchenraum zu integrieren.
Hoch oben an der Decke soll, nach Rießbecks Vorstellungen, ein Kunstwerk mit Luftballons und Dornenkrone schweben. Heute Abend wird er in Ebern vor Ort sein und sein Vorhaben erläutern.
Dialog mit der Gemeinde
Bereits im vergangenen Jahr gab es in der Kirchengemeinde Ebern Informationstreffen zu diesem Kunstprojekt. "Ich selber habe es bedauert, dass die ersten beiden Termine zur Kunstaktion im September und November nicht so wahrgenommen wurden wie erhofft", gibt Pfarrer Bernd Grosser zu, der die Kontroverse ausdrücklich begrüßt, denn sie zeuge von einer lebendigen Gemeinde: "Erst jetzt beginnt die Diskussion Fahrt aufzunehmen - und das finde ich sehr schön."
Seine erste Begegnung mit dem Innenraum der Christuskirche beschreibt Pfarrer Bernd Grosser selbst als sehr kalt. "Einzig bei Licht wirkt die Kirche warm." Auch von einer Konfirmandengruppe und der Gemeindeversammlung kam der Wunsch nach mehr Farbe und Kunst in der Christuskirche. Darum beteilige sich die Kirchengemeinde auch an der Kunstaktion "12(W)Orte".
Unter der Kirchenkuppel
Das Kunstwerk und seine Platzierung- wurden den Gemeindemitgliedern im Herbst bereits vorgestellt. Gerhard Rießbeck macht deutlich, dass man eine 500-jährige Tradition in der Darstellung der Leidensgeschichte Christi nicht nahtlos auf den Punkt bringen könne. Ein gutes Kunstwerk lasse für ihn immer Interpretationen offen und man müsse auch einbeziehen, wie die Menschen ihr Leben heute konzipieren. "Für mich gibt es nur einen einzigen Ort, an den das Kunstwerk gehört, nämlich an die Decke", meint Gerhard Rießbeck bei der Betrachtung der Christuskirche. Hoch oben in der Kuppel, dort wo alles zusammenläuft, stellt er sich ein Stück Himmel mit Dornenkrone und Luftballons vor.
Ein Widerspruch, mit dem viele auf den ersten Blick so gar nichts anfangen können. Rießbeck macht demgegenüber geltend, dass man Jesu Kreuzestod nicht isoliert sehen dürfe, dass er von Anfang an im Zusammenhang mit der Auferstehung betrachtet und verstanden werden müsse.
Pfarrer Eckhart Kollmer aus Schottenstein, der für das Kunstvorhaben in Ebern als Projektbegleiter fungiert, hält das Kunstwerk für theologisch angemessen: "Der Entwurf von Gerhard Rießbeck strahlt viel Lebendigkeit aus durch die Farben, durch die nach oben strebenden Luftballons, durch den offenen Himmel.
Die Dornenkrone bringt das Element des Leidens, der Gefahr, des Sterbens, des Spottes. Aber Gott sei Dank ist das Leben in seiner Fülle viel dominanter. Und die Dornenkrone steht nicht als Symbol für das Aus in Not und Tod und Gefahr. Sie steht in der Öffnung zum Himmel."
Widerstand in der Gemeinde
"Unsere Kuppel ziert eine wunderschöne Holzkonstruktion, braucht man da noch etwas anderes? Das ist doch schlicht und natürlich. Die Maserung des Holzes spricht doch für sich. Wie ein Strahlenkranz ist das Gebälk angeordnet", so Gemeindemitglied Anni Spielmann, die hofft, dass noch mehr Leute das Vorhaben von Rießbeck nicht für gut heißen.
Für den Kirchenpfleger Heinz Spindler ist der Ort des Kunstwerkes wahrlich ungünstig: "Das Gesamtbild des Altarraumes und der Decke bleiben so wie sie sind erhalten." Alternative Flächen für ein Kunstwerk hat er vorgeschlagen und zur Gestaltung des vorgestellten Bildes meint er: "Für den Laien ist nichts erkennbar!" Andere Stimmen aus der Kirchengemeinde finden das Bild allenfalls für Fasching oder den Kindergarten in Ordnung.
Und die Kosten?
Aber es geht nicht nur um Ästhetik und theologische Auslegungen, sondern auch um Geld. Gerhard Rießbeck wird nach Informationen dieser Zeitung für sein Kunstwerk vom Kirchenkreis Bayreuth ein Honorar in Höhe von 2000 Euro erhalten. Darüber hinaus werden 3000 Euro für das Material übernommen.
Das Kunstwerk bleibt Eigentum des Künstlers und kann nach der Projektphase von der Kirchengemeinde erworben werden. In der Gemeinde fürchtet man, dass mit dem Ja zum Kunstwerk im Prinzip auch schon der Ankauf besiegelt ist.
"Wie kann man denn unseren Gemeindemitgliedern die Notwendigkeit der Ausgaben von einigen tausenden Euro glaubhaft vermitteln?", stellt Kirchenpfleger Heinz Spindler in den Raum. Seiner Meinung nach hätte man "wirklich ein gutes Werk getan", wenn die Gelder dieses ganzen Projektes beispielsweise an die Hochwasserbetroffenen an der Donau gespendet würden.
Gemeindemitglied Klaus Yersin bittet, die Christuskirche so zu belassen, wie sie ist: "Ein Ort der Begegnung mit Gott, schlicht und einfach, durch nichts ablenkend, geradezu ideal zur inneren Einkehr, zum stillen Gebet und zur Konzentration auf die Predigt." Pfarrer Grosser betont: "Der Dialog über das geplante Kunstwerk ist ausdrücklich ein wichtiger Bestandteil des von Regionalbischöfin Dorothea Greiner initiierten Kunstprojekts." Denn auch um die Auseinandersetzung mit Jesu Kreuzigung und Tod nach Lukas 23, als Ursprung der Kunstdiskussion in der Kirchengemeinde, soll es gehen.
Zur Person Gerhard Rießbeck
Vita Gerhard Rießbeck, der heute in Bad Windsheim lebt, wurde 1964 in Lichtenfels geboren und studierte Freie Malerei an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg. 1991 wurde er zum Meisterschüler ernannt. Von 1996 bis 1999 war er Assistent an der Akademie in Nürnberg. Rießbeck wurde mit etlichen Preisen ausgezeichnet.
Expeditionen Ein Reisestipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes führte ihn 1994 für vier Monate nach Island. 2001 und 2005 war er als "Expeditionsmaler"jeweils für mehrere Wochen an Exkursionen in die Arktis und Antarktis beteiligt. Weitere Kunstreisen führten in den ostasiatischen Teil Russlands, Grönland, Norwegen, Schweden, Südamerika, in die Sahara und nach Kamtschatka. Impressionen aus dem Eis und von der nordischen Natur prägen viele seiner Werke.
Ausstellungen Rießbecks Werke waren in der Region beispielsweise im Kunsthaus Nürnberg, in Kronach, Fürth, Erlangen, aber auch mehrfach in der Kunstmühle in Mürsbach zu sehen.