"Lieber Opa" vergreift sich an seinen Enkeln
Autor: Ralf Kestel
Bamberg, Dienstag, 19. Februar 2013
Wenn der "liebe Opa" mit seinen Enkeln spielt, ist das nicht immer unverfänglich. Dies zeigte sich bei einem Prozess am Bamberger Landgericht am Dienstag. Nach über achtstündiger Verhandlung wurde ein 57-Jähriger aus dem Kreis Haßberge wegen Kindesmissbrauch in 116 Fällen zu sechs Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.
Die Familienträgödie, die sich bis 30. Juli 2012 in einem kleinen Dorf in Haßbergen abspielte, hatte sich bis dahin über Jahre im Stillen zugetragen. Bei der Verhandlung der Strafkammer des Bamberger Landgerichtes wurde es aber laut: Eine Tochter machte als Nebenklägerin ihrem Vater heftige Vorwürfe und musste von zwei neben ihr sitzenden Schwestern sowie der Rechtsanwältin Kerstin Rieger zurückgehalten werden.
Zuvor hatten sich die drei Töchter, allesamt Mütter mehrerer Kinder, anhören müssen, dass ihr Vater (57) vier seiner Enkelinnen, einen Enkel sowie ein Patenkind im Zeitraum zwischen etwa 2003 bis Juli 2012 regelmäßig befummelte und es auch zum Oralverkehr hatte kommen lassen. 116 Fälle von Missbrauch, davon 43 schwerer Art mit Kindern (unter 14 Jahren) flossen in das Urteil von Richter Martin Schmidt ein: sechs Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Verteidiger Thomas Drehsen hatte auf fünf Jahre und drei Monate plädiert.
Viele Familien zerrüttet
"Mehr als die Hälfte seiner Enkel sind Opfer geworden und die Eltern sind mittelbar betroffen. Für sie alle ist eine Welt zusammen gebrochen. Kein Mensch im Umfeld hätte sich vorstellen können, dass so etwas in dieser Familie passieren kann", urteilte der Richter nach der über achtstündigen Sitzung am Dienstag.
Den Enkeln (jetzt zwischen elf und 18 Jahre alt) blieben Aussagen erspart, weil der Angeklagte nach Aufdeckung seiner Taten mehrfach ein Geständnis abgelegt hatte. So auch am Dienstag in der Sitzung, als die Öffentlichkeit für eineinhalb Stunden ausgeschlossen wurde, da intimste Themen angesprochen wurden.
Mit denen wurden aber die Töchter des Handwerksmeisters, der zeitweise einen eigenen Betrieb und einen Kurierdienst hatte, konfrontiert. Die Mutter des Patenkindes, die nur als Zeugin gehört wurde, weiß nach eigener Aussage bis heute nicht, was passiert ist. Ihr Sohn hat sich ihr gegenüber total verschlossen, auch viele der Enkel sind traumatisiert und in psychologischer Behandlung.
Beim Familientreffen ertappt
Aufgeflogen ist alles, als der Handwerksmeister beim Besuch seiner Tochter aus dem Oberen Haßgau einen Enkel mit in sein Büro nahm und hinter sich die Tür zuhielt, obwohl auch die Schwester ins Büro wollte. Als der Junge verstört zurückkam, fragte ihn seine Mutter so lange, was passiert sei, bis die Antwort kam: "Der Opa hat mir in die Hose gelangt." Und dies, obwohl der Rest der Familie und die Ehefrau im Zimmer nebenan saßen.
"Damit kam die Lawine ins Rollen", stellte der Richter fest, da die Schwestern untereinander Kontakt aufnahmen und ihre Kinder befragten. Der Weg zur Kripo in Schweinfurt war danach nicht mehr weit. Ob auch sie als Kinder missbraucht worden seien, wollte Richter Schmidt wissen? Zwei wollten dazu keine Angaben machen, eine hatte keine Erinnerung mehr.
"Sie sind schuld an der Zerrüttung mehrerer Familien, zumal völlig unklar ist, ob die Kinder diese Erlebnisse überhaupt verarbeiten", hielt Staatsanwalt Matthias Kröner, der sechs Jahre und zehn Monate gefordert hatte, dem 57-Jährigen vor.
Als sich der Angeklagte im Schlusswort bei seinen Töchtern entschuldigte ("Ich leide darunter, dass ich Euch und den Enkeln Leid angetan habe"), brachen sie in Tränen aus. Zuvor hatte er den Töchtern noch vorgehalten, dass sie schuld daran seien, dass er jetzt im Gefängnis sitze. Mit einem Schreiben hat die seit Monaten kranke Ehefrau die Scheidung angekündigt.