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Laster überrollt Beine einer Frau


Autor: Helmut Will

Haßfurt, Mittwoch, 15. April 2015

Das Amtsgericht in Haßfurt stellte das Verfahren gegen einen 31-jährigen Lkw-Fahrer ein, obwohl er eine Fußgängerin schwer verletzt hatte. Alle Beteiligten sahen ein eher geringes Verschulden des Angeklagten.
Justiz - Symbolfoto: Christopher Schulz


Ein spektakulärer Verkehrsunfall, der sich im November 2013 in Haßfurt ereignet hat, wurde vor dem Amtsgericht in Haßfurt verhandelt. Nicht zuletzt wegen der Einschätzung des Sachverständigen wurde das Verfahren gegen den 31-jährigen Beschuldigten aus Thüringen eingestellt. Der Angeklagte hatte mit seinem Lkw eine Radfahrerin, die, ihr Fahrrad schiebend, vor der Lkw-Front die Straße überqueren wollte, erfasst und überrollt. Beide Beine der Frau wurden gebrochen, zudem erlitt die Frau beim Unfall eine Gehirnerschütterung.

Das Verfahren gegen den Lkw-Fahrer war bereits vorläufig eingestellt worden, wurde jedoch, nachdem sich neue Erkenntnisse, die das Opfer ins Spiel gebracht hatte, wieder aufgenommen. Die Staatsanwaltschaft warf dem Angeklagten fahrlässige Körperverletzung vor.

"Werde ich nicht vergessen"

Was war geschehen? An einem etwas regnerischen und trüben Tag befuhr der 31-Jährige in Haßfurt die Osttangente in Richtung Zeiler Straße. Da der Verkehr stockte, musste er öfters anhalten, um Stück für Stück in Richtung Ampel zu gelangen.

Einen solchen Stopp wollte die Frau nutzen, um unmittelbar vor dem Lkw die Fahrbahn mit ihrem Fahrrad zu überqueren, obwohl sich in der Nähe ein sicherer Übergang befand. Just in diesem Moment fuhr der Lastwagen-Fahrer an. "Ich bemerkte an meinem Lenkrad, dass ich etwas erfasst habe, über etwas gefahren sein muss", sagte der Angeklagte. Er beteuerte, dass er vorher trotz aller Sorgfalt und des Blicks in die Spiegel seines Lkw die Frau nicht gesehen habe. Er hielt sofort an, auch wurde er zu diesem Zeitpunkt durch einen Zeugen, der mit seinem Auto im Gegenverkehr stand, hupend aufmerksam gemacht.

"Ich habe einen Blick aus meinem Fahrerfenster geworfen und sah am linken Vorderrad eine Frau, die mich schmerzverzerrt anblickte. Diesen Anblick werde ich wohl mein Leben lang nicht vergessen", erklärte der Trucker. Wie automatisiert habe er seinen Lkw etwas zurückgesetzt und möglicherweise die Beine der Frau nochmals überrollt. Ob das linke Vorderrad seiner Sattelzugmaschine auf den Beinen der Frau stand, als er diese erblickte, konnten er und die Zeugen nicht sagen.

Sorgfalt?

Eine entscheidende Frage war, ob der Lkw-Fahrer bei entsprechender Sorgfalt die 160 Zentimeter große Frau, die nicht mehr als Zeugin vernommen wurde, unmittelbar vor dem Frontbereich seines Fahrzeugs hätte sehen müssen. "Ja", sagte der Sachverständige, "aber nur dann, wenn er explizit und konzentriert in den Frontspiegel gesehen hätte. Dann hätte er die Frau in ihrer gelben Kleidung erkennen können. Aber", so der sagte der Sachverständige weiter "ist es im allgemeinen Verkehrsgeschehen so möglich?" Die Praxis sei, fuhr er fort, dass vom Fahrer das Umfeld beobachtet und auch in die Spiegel geschaut werde. Allerdings wohl nicht so intensiv, dass man alles ganz genau erkenne.

Nach der Aussage des Sachverständigen sah die Staatsanwaltschaft nur ein geringes Verschulden des Angeklagten, was nicht unbedingt strafrechtlich verfolgt werden müsse. "Insbesondere, und da sind wir uns wohl alle einig, trifft die Geschädigte ein erhebliches Mitverschulden", sagte Staatsanwalt Peter Bauer und regte die Einstellung des Verfahrens gegen den "Kapitän der Landstraße" an. Der Verteidiger des Angeklagten,Wolfgang Müller, nickte zustimmend und auch Richterin Ilona Conver sah die Sache so. Sie stellte das Strafverfahren ein. Die Kosten trägt die Staatskasse.