Landkreis Haßberge stärkt Sozialarbeit an Schulen
Autor: Sarah Seewald
LKR Haßberge, Donnerstag, 11. Dezember 2014
Kinder sollen bereits in der Grundschule von einem Jugendsozialarbeiter betreut werden, das beschließt der Jugendhilfeausschuss für das Jahr 2015 einstimmig. Weil der Migrationsanteil in Zeil/Sand, Eltmann und Ebelsbach und Ebern über den vorgeschriebenen 20 Prozent liegt, ist mit Zuschüssen vom Land zu rechnen.
Es waren zwei Themenschwerpunkte, die bei der Jugendhilfeausschusssitzung am Mittwochmittag länger besprochen wurden: Die Aufnahme von unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingen im Landkreis und das "umfassende Netz der Jugendsozialarbeit" - gerade an den Grundschulen.
"Die Grundschule ist die einzige Schulart, bei der Kinder aus allen Schichten der Gesellschaft unterrichtet werden", sagt Abteilungsleiterin Carolin Mehringer-Räth. Unabhängig von Herkunft oder intellektuellen und sozialen Voraussetzungen. Und deshalb sieht die Oberregierungsrätin in der frühen Sozialarbeit zwei Chancen: Bei Kindern im Grundschulalter ist es noch möglich, das Verhalten positiv zu beeinflussen. Außerdem: "In der Grundschule sind die Eltern auch noch viel motivierter und von den Lehrern zu erreichen", sagt sie. Das werde beispielsweise in der Mittelschule schon deutlich schwieriger.
Keine Überraschungen
Mit einer Bedarfsüberprüfung und -einschätzung des Kreisjugendamtes und staatlichen Schulamtes ist der Bedarf von Jugendsozialarbeit an den vier großen Grundschulen im Landkreis jetzt "ganz eindeutig", so Mehringer-Räth: "Das Ergebnis hat uns nicht überrascht, kann aber jetzt fachlich fundiert begründet werden." Die ausgearbeitete Konzeption ergibt: An den Grundschulen in Zeil/Sand und Ebern sollen jeweils eine halbe Stelle, an der Grundschule in Haßfurt mit insgesamt 440 Schülern zwei 0,5-Stellen eingerichtet werden. An der Grundschule Eltmann bleibt die bereits bestehende halbe Stelle erhalten.
Vor vier Jahren wurde der Antrag der Grundschule Haßfurt noch abgelehnt. Denn Jugendsozialarbeit wird an Schulen vom Freistaat Bayern erst dann gefördert, wenn ein Migrationsanteil von 20 Prozent zum jährlichen Stichtag am 1. Oktober überschritten wird. Für Mehringer-Räth ist das eine "willkürliche Hürde, die da aufgestellt wurde", denn am meisten Probleme haben die Schulen im Landkreis mit verhaltensauffälligen Schülern. Jürgen Hennemann (SPD) findet es schade, "dass wir ein Jahr Vorlauf brauchen". Dem Eberner Bürgermeister ist die Reaktionszeit zu lange: "Mit der Stichtagsregelung verlieren wir ein Jahr, in dem wir was machen könnten." Landrat Wilhelm Schneider (CSU) entgegnet, dass der Landkreis "relativ weit" in Sachen Jugendsozialarbeit ist und eine "gute Basis schafft".
Kommune zahlt mit
Zwar wird die Statistik zum Migrationshintergrund erst im Frühjahr 2015 offengelegt, doch mit dem Asylbewerber-Ansturm liegen zwischenzeitlich auch Zeil/Sand und Ebern - "knapp, aber immerhin" - über den 20 Prozent, so Mehringer-Räth. Bei der Einrichtung einer halben Stelle muss die Kommune bereit sein, einen Anteil von 8180 Euro mitzufinanzieren. Der finanzielle Aufwand für die Jugendhilfe des Kreises beläuft sich ebenfalls auf 8180 Euro, während die übrigen Kosten vom Freistaat übernommen werden. Der Jugendhilfeausschuss beschloss die Einrichtung der geforderten Stellen an den Grundschulen Haßfurt, Zeil und Ebern ab dem Schuljahr 2015/16, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind und eine Förderung des Freistaates erfolgt. Damit die Aufgabenerfüllung in einer Hand liegt, werden auch diese Stellen dem Roten Kreuz Haßberge übertragen.
Bei der Grundschule Ebern wäre es Hennemann lieber gewesen, wenn die Aufgabe an die Arbeiterwohlfahrt, die bereits die Mittagsbetreuung übernimmt, zu übertragen. Der auf Jugendsozialarbeit in Ebern wurde demnach mit zwei Gegenstimmen beschlossen. Eine Sonderregelung gilt für die Jugendsozialarbeit in Ebelsbach. Normalerweise darf ein Sozialarbeiter Schüler nur an einem Standort betreuen - aktuell gibt es in Ebelsbach eine, in Eltmann zwei halbe Stellen. Doch seit diesem Schuljahr werden die fünften und sechsten Klassen nicht mehr in Ebelsbach, sondern Eltmann unterrichtet. Es bleiben somit nur noch an die 60 Schüler in Ebelsbach übrig. Die dort bestehende halbe Stelle Jugendsozialarbeit wird ab dem 1. Januar 2015 auf die Mittelschule Eltmann übertragen. Die Regierung für Unterfranken ist in diesem Fall einverstanden, dass die Sozialarbeiter auch einen zweiten Schulstandort betreuen dürfen, bis schließlich alle Schüler die Schule in Eltmann besuchen. Landrat Schneider versicherte, dass jedes Jahr neu überprüft werde, ob es bei der "größten Mittelschule bei 1,5 Stellen bleiben muss", sagte er.
Immer mehr junge Flüchtlinge ohne Eltern im Landkreis
Anfang des Jahres rechnete Bayern mit rund 500 jungen Menschen, die zwischen 15 und 18 Jahren ohne Eltern nach Deutschland kommen. Mittlerweile sollen an die 5000 Jugendliche nur in Bayern auf die Jugendhilfeplätze aufgeteilt werden, sagt Christoph Schramm vom Jugendamt.
Momentan sieht die Asylpolitik noch keine bundesweite Verteilung vor. In Unterfranken müssen 300 unbegleitete Flüchtlinge untergebracht werden. Ab Anfang nächsten Jahres wird der Landkreis für circa 20 unbegleitete Minderjährige verantwortlich sein. Für das Jugendamt wird das zu viel. Der Sozialdienst katholischer Frauen (SKF) in Schweinfurt will helfen: "Wir übernehmen seit zwei Jahren Einzelvormundschaften für Minderjährige, seit Februar 2014 auch Vereinsvormundschaften für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge", sagt Rita Stephan, Geschäftsführerin von SKF.
Viel Redebedarf
Für die Flüchtlinge ist von Seiten des Jugendamts die pädagogische Betreuung durch den Allgemeinen Sozialen Dienst, die finanzielle und rechtliche Abwicklung durch die Jugendhilfe, sowie die Führung der Vormundschaft zu gewährleisten. Hier stehen drei Varianten zur Auswahl, wie die einzelnen Fälle auf einen Vormund übertragen werden können. Bei einer Amtsvormundschaft darf eine Vollzeitkraft maximal 50 Fälle übernehmen.Bei vom Amtsgericht bestellten Vormundschaften ist eine Übertragung an einen Verein möglich, dafür muss die Jugendhilfe eine Fallpauschale von 2740 Euro übernehmen. Ein Vereinsvormund darf maximal 30 Jugendliche betreuen. Werden die Fälle direkt an einen Mitarbeiter des Vereins übertragen - sogenannte Einzelvormundschaft - , muss das Jugendamt eine Fallpauschale von 1125 Euro übernehmen. Die übrigen Kosten werden mit dem Familiengericht abgerechnet.
Rita Stephan plädierte in ihrem Vortrag bei der Ausschussitzung für das Modell der Vereinsvormundschaft. Ein Vereinsvormund hat laut Stephan mehr Befugnisse, außerdem könnten die Mitarbeiter von einer "minutengenauen Dokumentation" entlastet werden, die bei einer Einzelvormundschaft wohl anfällt, wie Stephan aus Erfahrungen schilderte.
Die Vorlage des Jugendhilfeausschusses sah von vornherein das Modell der geteilten Abrechnung mit Justizkasse und Jugendhilfe vor, da eine Vereinsvormundschaft wesentlich teurer ist. Die Übertragung der Vormundschaften für junge Flüchtlinge an den SKF wurde einstimmig beschlossen.
"Frühe Hilfen" - Familienhebamme für Landkreis Haßberge
Ganz ohne zusätzliche Personalkosten für den Landkreis konnte die halbe Stelle der Familienhebamme, die seit Oktober im Amt ist, beschlossen werden. Familien sollen durch die Initiative "Frühe Hilfen" mit Tipps vom Jugendamt unterstützt werden. Die Hebamme, Katja Finzel, fungiert als Ansprechpartnerin bis zu einem ganzen Jahr. Mit dem "Baby-Willkomenspaket" des Landkreises sollen problematische Familienverhältnisse möglichst früh erkannt werden. Bisher kamen Honorarkräfte zum Einsatz. In Haßfurt und Ebern wird Finzel von zwei anderen Mitarbeitern des Familienbüros unterstützt.