Druckartikel: Kulturverein Reutersbrunn: In Kirchen, Wirtshäusern und Studios unterwegs

Kulturverein Reutersbrunn: In Kirchen, Wirtshäusern und Studios unterwegs


Autor: Ralf Kestel

Reutersbrunn, Montag, 26. August 2013

Der Kulturverein aus Reutersbrunn ist eine "elitäre" wie auch illustre Truppe. Derzeit gilt ein Aufnahmestopp. Denn: Mehr als zwölf Mitglieder dürfen es nicht sein. Im Dutzend geht's billiger. Der Club kommt ohne Vereinskasse aus.
Spalier standen die Mitglieder des Kulturvereins, als ihr Schirmherr, der Eberner Rechtsanwalt Jens Fichtner, in einem EBN-Eicher vorfuhr, der genau so alt ist wie er selbst. Fotos: Ralf Kestel


Sind das Vorreiter oder doch eine Gruppe Ewiggestriger? Diese Frage stellte sich, als sich eine Handvoll Vereinsmitglieder um ihren Schirmherrn scharte. Der wurde empfangen wie ein Feldherr ("Salutiert"), als er auf einem Eicher, Baujahr 1970, vorfuhr - und damit ein politisches Statement ablegte, was für einen Anwalt eher unüblich ist. Jens Fichtner aus Ebern zockelte mit einem betagten EBN-Traktor zum Bieranstich beim Hoffest des Kulturvereins. Der Gefährte der Vereinsmitglieder genau so alt wie das Gefährt des Hausherren, Gastwirt Herbert Schramm, der das Kennzeichen nie hatte wechseln müssen und stets dem Altlandkreis EBN die Treue hielt.

Das gilt auch für die Vereinsmitglieder, die aus unterschiedlichen Orten des Altlandkreises Ebern stammen. Eine konservative, aber auch "elitäre" Truppe, wie sich an der Parteizugehörigkeit mancher Mitglieder ablesen lässt, die sich strenge Regeln gegeben haben: Elf Mitglieder und ein Ehrenmitglied. Mehr geht nicht. Die Warteliste ist zwar lang, doch die Interessenten müssen sich gedulden. Austritte und Ausschlüsse sind nicht absehbar, biologische Lösungen ebenso.

Was macht die Attraktivität dieses exotischen Vereins aus? Er ist zwar in keinem Vereinsregister eingetragen, aber die Mitglieder ziehen alle Register der gepflegten Geselligkeit. "Wir wollten mehr als ein Stammtisch sein", erinnert sich Albert Martin, einer der wenigen Reutersbrünner aus der Vereinsfamilie, an die Gründung vor genau zehn Jahren. "Deswegen haben wir uns fest vorgenommen, zwei Mal im Jahr Ausflüge zu unternehmen." Und diese Fahrten werden nicht mit EBN-Fahrzeugen angetreten, sondern mit dem Bayern- oder Wochenendticket der Bahn - billig und umweltfreundlich.

Kultur inklusive

Ein "Reiseleiter" ward schnell gefunden: Hans Jopp aus Pfarrweisach nutzt Wissen und Kontakte für ein üppiges Kulturprogramm bei jedem Trip. So geht es in Andechs eben nicht nur ums Bier, sondern auch ums Kloster und dessen Geschichte.

"Beim Kilianifest in Würzburg wurden wir in unserer einheitlichen Kluft richtiggehend bewundert, als jeder im Dom eine Kerze ansteckte", erzählt Dieter Gebhardt aus Heubach, der den Anstoß für die jährlichen Hoffeste gab. Als sich für ihn bei einem Coburger Autotür-Zulieferer die Werkstore schlossen, forderten die Stammtischbrüder "Anteilnahme": "Da musst Du aber einen drauf ausgeben."

Die Umsetzung erfolgte wegen des schönen Wetters im Hof der Gastwirtschaft "Hohler Stein" und die Idee zur Fortsetzung im größeren Rahmen war geboren. "Zumal wir im nächsten Jahr wegen des Brauerei-Jubiläums jedes Getränk für einen Euro anbieten konnten", fügt Gastwirt Herbert Schramm an. Diese Werbung zieht seit nun mehr sieben Jahr, jedes Jahr kommen mehr Besucher. Heuer wäre fast schon eine Straßensperrung fällig geworden

Aschaffenburg, München, Regensburg, Ansbach, Volkach oder Kulmbach an jedem Zielort der Ausflüge wird eine Kirche besucht und Kerzen angezündet.

Interview im Radio-Studio

Feuer und Flamme waren die zwölf Kulturvereinsmitglieder beim Besuch des Bayerischen Rundfunks in München, unmittelbar neben dem Augustinerkeller in der Arnulfstraße gelegen, als sie Radiomoderator Tilmann Schöberl beim Studiobesuch kurzerhand live in die Sendung holte und ihren Club allen Zuhörern in Bayern an diesem Samstagvormittag ausführlich vorstellte. "Des war was", schwärmt Hilmar Martin aus Kraisdorf noch heute. Beim Besuch der Fernsehstudios in Unterföhring klappte es mit der Vorstellung für ein Massenpublikum nicht ganz so gut .

Zwischen 57 und 76 Jahre sind die "Kulturisten" alt, deren Kasse stets leer ist, denn: Es gibt keine. "Wir kommen ohne Vereinsbeitrag bestens zurecht", versichert Hans Jopp, "Manager" und Vereinskassier, der vor jedem Fahrtantritt das notwendige Geld zunächst vorstreckt und dann umgehend einsammelt.
Weitere Unkosten fallen nicht an - und sollte beim Hoffest eine Runde fällig werden, gibt es ja noch einen Schirmherrn. Jens Fichtner ließ sich am Wochenende jeden falls nicht lumpen.