Krücken, Gebisse und Drahtesel
Autor: Johanna Eckert
LKR Haßberge, Freitag, 26. Dezember 2014
Dem Verlust von Gegenständen kann mit einem Stoßgebet oder Besuchen in den Fundbüros begegnet werden. Letztere sind im Landkreis Haßberge ordentlich gefüllt. Doch scheinbar vermisst niemand die Dinge, die dort lagern.
Sie ist weg. Die Armbanduhr ist einfach weg. Zig mal wurde alles abgesucht. Die Verzweiflung bahnt sich ihren Weg im Gemütszustand des traurigen Verlierers. Es war ein Erbstück der Großmutter. Mit nichts zu ersetzen. Doch die alte und weise Frau hat nicht nur die Uhr ihren Nachkommen hinterlassen: "Wenn du was verlegt hast, dann bet' einfach zum Antonius. So etwa: "Glorreicher heiliger Antonius, du hast die göttliche Macht ausgeübt, verlorene Dinge wiederzufinden. Hilf' mir!'".
In der ganzen Welt ist der heilige Antonius, geboren im Jahr 1195 in Portugal, für seine Hilfe bekannt, Verlorenes und Verlegtes wiederzufinden. Vielen Menschen hat er in seiner Zeit zum Glauben verholfen. Vielleicht macht er auch in Sachen Armbanduhr seinen Job. Ansonsten lohnt sich ein Besuch im Fundbüro der Stadt- und Gemeindeverwaltung.
Sandra Holzschuh und ihre Kollegin vom Fundbüro der Verwaltungsgemeinschaft Ebelsbach konnten im November eine Krücke entgegennehmen, die mitten im Wald gefunden wurde. Noch heute steht sie zwischen den Aktenschränken und wartet auf den - vielleicht immer noch gehbehinderten - Besitzer. Der heilige Antonius hat da seine Finger sicherlich nicht im Spiel. Diesen Auftrag hat er wohl an jemand anderen übergeben: "Muss wundersame Heilung gewesen sein", schmunzelt Sandra Holzschuh, "denn diese Krücke vermisst niemand."
Die meterlangen Bestandslisten und gefüllten Schränke der Fundämter in Ebelsbach, Eltmann und Ebern lassen vermuten, dass dort Dinge im Winterschlaf liegen, die keiner vermisst. "Viele wissen überhaupt nicht, wo sie die Dinge verloren oder vergessen haben. Deswegen kommen sie nicht auf die Idee, im Fundbüro nachzufragen", meint Christiane Rüttinger, die die verlorenen Dinge in der Stadt Eltmann verwaltet.
Schlüssel, Brillen, Handys und Schmuck stehen dabei auf der Liste ganz oben. Geldbeutel werden meistens leer abgegeben. "Wenn noch Karten darin waren", meint Sandra Holzschuh, "setzt sich der Finder sicherlich gleich mit demjenigen in Verbindung. Solche Geldbeutel kommen bei uns nicht an."
Dafür aber andere Sachen. Eine Schmutzwassertauchpumpe, die bei der Tankstelle zurückgelassen worden ist. Ganz viele Fahrräder. Jacken und ein Ring aus 585er-Gold. Taschen und Blockflöten.
Jedes Jahr laufen etwa 45 Fundsachen in der Verwaltung von Ebelsbach auf. Ebern und Eltmann ziehen bei diesem Durchschnitt mit. "Für den Finder sind das erst einmal alles nutzlose Sachen", erklärt Sandra Holzschuh, "denn durch eine Eigenbenutzung wird man selbst zum Dieb. Und beispielsweise bei Fahrrädern kann man auch erkannt werden."
Glück für den Finder
Im Bauhof der Stadt Ebern wartet so mancher einsame Drahtesel schon jahrelang auf seinen Besitzer. Umsonst. Bald müssen sie sich mit neuen Menschen anfreunden. "Wenn die Sachen niemand abholt, dann kontaktieren wir den Finder. Kann er das Fundstück gebrauchen, dann bekommt er es. Falls nicht, so schreibt das Gesetz vor, müssen wir die Dinge vernichten", geben die Mitarbeiterinnen der Fundämter zur Auskunft.
Die Fundsachen werden regelmäßig im Mitteilungsblatt veröffentlicht. "Mit der Polizei zusammenarbeiten, das kommt in manchen Fällen vor", informiert Sandra Holzschuh. Wenn jemand vor ihr sitzt, dessen Eigentum bei ihr im verschlossenen Schrank läge, dann muss er sein Besitzverhältnis erst einmal nachweisen: "Wenn er einen Schlüssel vermisst, dann würden wir nach Marke, Farbe, Anzahl der Schlüssel, Anhänger und nach jedem Detail fragen", erklärt sie. Nur wenn das Fundstück in welcher Art auch immer mit einem Namen gekennzeichnet wäre, könnte eine Überprüfung per Ausweis stattfinden.
"Voll happy", war die Dame, die vor kurzem einen Geldbeutel samt Inhalt bei Christiane Rüttinger im Fundamt der Stadt Eltmann abholen konnte. Nach der Adresse des Finders verlangte eine Frau, die in Ebelsbach ihre hochwertige Kamera verloren und wiedergefunden hatte. "Die Geschichte ging gut aus. Und das Beste: Die Frau war aus Würzburg und hat den richtigen Gedanken, dass sie ihre Kamera bei ihrem Besuch in Ebelsbach verloren haben könnte", fasst Sandra Holzschuh einen glücklichen Moment, in dem zwei, die zusammengehören, wieder zusammengefunden haben, in Worte.
Fundort Friedhof
Irgendwo im Landkreis Haßberge wurde in diesem Jahr auch ein Gebiss abgegeben. Als Fundort vermerkte die Mitarbeiterin: Friedhof. Kuriose Sache. Die Information "Natürlich nicht ausgebuddelt!" stoppt die schaurige Fantasiegeschichte, die sich um dieses kleine Fundstück ranken könnte.
Einige Monate später kam jemand, und hat seine künstlichen Zähne abgeholt. "Wir haben Sachen, die keiner vermisst. Sachen, die vermisst werden, haben wir kaum da", äußert sich Sandra Holzschuh über die vielen Dinge im Schrank der VG und die Logik des Suchens und Findens.