Druckartikel: Kontrolle lief aus dem Ruder: Rentner streitet mit Zivilpolizisten

Kontrolle lief aus dem Ruder: Rentner streitet mit Zivilpolizisten


Autor: Helmut Will

Haßfurt, Mittwoch, 28. Oktober 2015

Das Amtsgericht Haßfurt verhandelte gegen einen 76-jährigen Mann, dem die Staatsanwaltschaft Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Körperverletzung und Beleidigung vorwirft. Weil ein Zeuge fehlte, wurde das Verfahren unterbrochen.
Symbolbild: Bundespolizei


Proppenvoll war am Mittwoch der Sitzungssaal des Amtsgerichts in Haßfurt. Angeklagt wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Körperverletzung und Beleidigung war ein 76-jähriger Rentner aus dem Steigerwald. Zur Eskalation ist es gekommen, nachdem eine Zivilstreife der Polizei Haßfurt bei dem Rentner in seiner Heimatgemeinde eine Verkehrskontrolle machen wollte. "Wie die mich überfallen haben, kann man sonst nur bei Aktenzeichen xy sehen", sagte der Angeklagte. Zu einem Urteil kam es nicht; ein Fortsetzungstermin musste anberaumt werden.

Der 76-jährige Angeklagte erschien mit seinem Rechtsanwalt Alexander Wessel zur Verhandlung. Gegen einen Strafbefehl von 40 Tagessätzen zu je 40 Euro hatte er Einspruch eingelegt. Daher war der Prozess angesetzt worden.

Julia Rebhan als Vertreterin der Staatsanwaltschaft Bamberg trug die Anklageschrift vor. "Einen Scheiß mach' ich", soll er einer Polizeibeamtin und einem Polizeibeamten gesagt haben, als die ihn kontrollieren wollten. "Lügner und scheiß Bullen" soll er die beiden Beamten laut Anklage genannt haben und sich bei seiner Festnahme, die erfolgte, weil er sich den Anordnungen der Polizei widersetzte, auch kräftig gewehrt, getreten und die Polizisten verletzt haben.


Emotionen

Hoch emotional schilderte der Angeklagte den Vorfall aus seiner Sicht. "Alles erfundene Sachen" seien das, die ihm vorgeworfen werden. "Das lief alles wie ein Überfall ab, ich habe nicht gewusst, dass es Polizisten sind, ich habe die beiden nicht als Polizei erkannt", führte der Rentner aus. Einen Dienstausweis habe er nicht gesehen beziehungsweise das Dokument aus einer gewissen Entfernung (er sprach von vier Metern Abstand) nicht erkennen können. "Da kann ja jeder was hochhalten." Demonstrativ hielt er von der Anklagebank Richterin Ilona Conver seinen Ausweis entgegen. "Können Sie lesen, was da drauf steht?"

Die Richterin übrigens musste die Zuhörer, gut 30 Personen, wegen Zwischenrufen energisch zurechtweisen. "Ich kündige hiermit an, dass ich ein Ordnungsgeld verhänge, wenn ich weiter Missgunsts- oder Beifallsäußerungen höre", sagte die Vorsitzende.

Die Frage war: Warum ließ sich der Rentner nicht kontrollieren. Da könne jeder kommen und sagen, er wäre von der Polizei, verteidigte sich der Beschuldigte. "Hätten die Uniform getragen, wäre es nicht dazu gekommen, wozu es gekommen ist." Mehrfach beteuerte er, dass er die Polizisten nicht als solche erkannt habe. Seit dem Vorfall sei er traumatisiert, sagte der Rentner, und müsse immer wieder weinen.

Der Rentner wehrte sich, obwohl ihm die Festnahme angekündigt wurde. Er widersetzte sich offenbar so vehement, dass er von der Polizei zu Boden gebracht und gefesselt wurde. Wie er von den Polizeibeamten zu Boden gebracht wurde, demonstrierte der 76-Jährige, indem er auf dem Fußboden des Gerichts die entsprechende Stellung einnahm. Schließlich wurde der Angeklagte zu der Polizeidienststelle nach Haßfurt gebracht und dort, da er über Atemnot klagte und einen hohen Blutdruck hatte, von einer Notärztin behandelt. Ins Krankenhaus wollte er sich nicht bringen lassen. Ein späterer Alkoholtest ergab 0,04 Promille.


Ausweis angeleuchtet

Die 24-jährige Polizeibeamtin sagte aus, dass sie und ihr Kollege dem Angeklagten hinterherfuhren und von hinten die rote Anhaltekelle zeigten und er auch durch Lichthupe aufgefordert wurde anzuhalten. Der Angeklagte sei aber rückwärts in sein Grundstück eingefahren und als sie ihm dabei, links neben der Beifahrertür stehend, ihren Polizeiausweis zeigte, den sie noch anleuchtete, habe der Kontrollierte nicht reagiert. Auch weiteren Ansprachen sei er nicht zugänglich gewesen und habe sich aggressiv gezeigt. Die Polizistin erklärte, dass sie und ihr Kollege beleidigt worden seien. Und sie wurden ebenso leicht verletzt wie der Angeklagte. "Das passierte alles bei der Rangelei", sagte die Beamtin.
Rechtsanwalt Alexander Wessel stellte die Maßnahme der Polizei in Zweifel. Er meinte, dass die Verhältnismäßigkeit nicht gegeben sei.
Die Richterin verwies darauf, dass, sollte sich die Anklage in der Hauptverhandlung bestätigen, die 40 Tagessätze des Strafbefehls eigentlich "ein Schnäppchen" seien. Man habe den Aufforderungen der Polizei zu folgen, die tagtäglich den Kopf hinhalten müssten. Deshalb seien die Widerstandshandlungen im Strafmaß hoch angesiedelt.
Da der Kollege der 24-jährigen Polizeibeamtin am Verhandlungstag kurzfristig nicht anwesend sein konnte, wurde die Verhandlung unterbrochen. Der Beamte soll als Zeuge gehört werden. Der Prozess wird am 11. November fortgesetzt.