"Kontakte sind in diesen Zeiten wichtiger denn je"
Autor: Sabine Weinbeer
Eltmann, Sonntag, 22. März 2020
Auch die Kirche muss sich in der Coronakrise umstellen. Sie will den Menschen beistehen. Das geschieht aber auf anderen Wegen als bisher.
Andreas Hartung zelebriert die heilige Messe - in seinem Wohnzimmer. Dass er das an seinem Hausaltar tut, ist eigentlich nichts Besonderes, doch meist geschieht das im Rahmen von kirchlicher Jugendarbeit, und mit ihm feiern Jugendliche den Gottesdienst. Jetzt allerdings feiert Hartung ganz alleine - Missa sine populo stellvertretend für seine Gemeinden, in denen derzeit keine Gottesdienste stattfinden. Unter den Hashtags #ibinderandiundizelebrierdahoam und #wirbetenfüreuch trägt er diese Messen in die digitale Welt.
Andreas Hartung ist Pfarrvikar in der Pfarreiengemeinschaft Main-Steigerwald (Eltmann, Oberschleichach, Trossenfurt) und Dekanatsjugendseelsorger. In dieser Funktion ist er sehr intensiv in den sozialen Netzwerken unterwegs; hier hat er weiterhin seine Gemeinde. "Aber das eigentlich Essenzielle an unserem Beruf, das fehlt uns derzeit: der direkte Umgang mit den Menschen", sagt er nachdenklich, während Handy und Tablet verkünden, dass Nachrichten eingegangen sind.
Gerade hat er sein Primizgewand abgelegt, die Missa sine populo beendet. "Ein paar Theologen in ihrem Elfenbeinturm haben natürlich gleich kritisiert, das sei ein Rückfall vor das Zweite Vatikanische Konzil. Klerikalismus. Die Rückmeldungen, die ich bekomme, sagen etwas anderes. Die Leute sind dankbar zu wissen, dass wir für sie die heilige Messe zelebrieren", erzählt er. Gerade Menschen mit Existenzängsten hätten sich bei ihm gemeldet und bedankt. "Ich hätte gar nicht gedacht, dass das so vielen Leuten ein echtes Anliegen ist", zeigt er sich positiv überrascht von seinen Gemeindemitgliedern.
Das pastorale Team der Pfarreiengemeinschaft trifft sich nicht mehr im Pfarrhaus, damit man sich im Zweifelsfall nicht gegenseitig anstecken würde. In der letzten Teamsitzung, die noch als solche stattfinden konnte, habe man noch diskutiert, ob man nicht doch noch Gottesdienste feiern könne. "Jetzt wurde der Weiße Sonntag abgesagt. Erst mal nur für den 19. April", aber Hartung bezweifelt, dass am 26. April Erstkommunion gefeiert werden kann.
In einigen Bistümern werde diskutiert, die Erstkommunion "um die Sommerferien" nachzuholen. Hier kann er derzeit keine verbindliche Auskunft geben, wenn Familien anfragen. "Das Nachholen an sich ist kein Problem, aber für die alleinerziehende Mutter kann es schon ein Problem sein, wenn bis zum Sommer der schon gekaufte Anzug verwachsen ist", hat Hartung auch Verständnis für ganz weltliche Anliegen bei solchen Themen.
Dass die Corona-Isolation gerade in die Passionszeit fällt und auch das Osterfest betreffen wird, das ist für ihn noch nicht wirklich vorstellbar. Aber er wird wohl auch in der Osternacht die Missa sine populo feiern. "Ich werde auch ein Osterfeuer entzünden," plant er. Eigentlich hätte er in Zeil als Jugendangebot das Trituum, also den dreitägigen Gottesdienst von Gründonnerstag über Karfreitag bis zur Osternacht, gefeiert. Mit Band und Illumination. Im letzten Jahr hat das sehr viele Gläubige nach Trossenfurt gezogen.
Anders als manche Lehrer kann Hartung die Firm- oder Kommunionkatechese online nicht fortsetzen, denn "vor zwei Jahren hatten wir noch entsprechende WhatsApp-Gruppen, aber die sind ja datenschutzrechtlich nicht mehr erlaubt". Dennoch hat er viele Online-Kontakte, die seine Unterstützung suchen, aber auch ihm selber guttun. "Normalerweise habe ich hier immer Gäste im Haus. Ich bin Seelsorger, nicht im Trappistenkloster" - dem Priester fehlen seine Schäfchen, das merkt man ihm an.