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Kein Impfstoff in Arztpraxen


Autor: Katja Müller

Haßfurt, Donnerstag, 01. November 2012

Wer sich im Kreis Haßberge gegen Influenza impfen lassen will, hat ein Problem: Den Ärzten fehlt der Impfstoff. Wenn der Hersteller weiterhin nicht liefert, droht eine ernst zu nehmende Grippewelle. Grund zur Panik gibt es aber nicht.
Foto: Achim Scheidemann, dpa


Beim Thema Grippeimpfung sinkt die Laune von Petra Ziegler automatisch in den Keller. "Wir müssen unsere Patienten seit Wochen enttäuschen, weil wir einfach keinen Impfstoff her bekommen", macht die Arzthelferin ihrem Frust Luft. Tag für Tag möchten sich Patienten in der Gemeinschaftspraxis Schröpfer, Winkler und Walter in Ebelsbach impfen lassen - und müssen unverrichteter Dinge wieder gehen. Wie kann das sein?

Lieferprobleme seit Anfang Oktober


Bereits seit Anfang Oktober berichten Medien über das sich abzeichnende Impf-Desaster. Eine Mitschuld an der Misere trägt die Neureglung bei der Bestellung der Impfstoffe in diesem Jahr. Bisher kümmerte sich jeder Mediziner selbst um den Impfstoff für seine Patienten und bestellte ihn in der Apotheke seines Vertrauens. 2012 durften die Krankenkassen erstmals exklusive Abnahmeverträge mit Lieferanten aushandeln, um dadurch einen günstigeren Preis zu erzielen.

Sorgenkind Bayern


Die Bundesländer Bayern, Schleswig-Holstein und Hamburg waren besonders mutig und schlossen mit jeweils nur einem Hersteller einen Liefervertrag für den Grippeimpfstoff ab. In Bayern bekam Novartis den Zuschlag. Doch ausgerechnet der Hersteller kann nun nicht liefern.

In den übrigen 13 Bundesländern sind keine Lieferengpässe bekannt. Hier verteilten die Kassen die Aufträge auf verschiedene Hersteller.

"Ich habe schon alles versucht und sogar bei einer Versandapotheke in Thüringen angerufen. Die haben zwar keine Lieferschwierigkeiten, dürfen aber keine anderen Bundesländer beliefern", erzählt Petra Ziegler. Bisher habe die Praxis nur 80 Dosen verimpfen können. "Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein", sagt Ziegler.

Die Zeit wird knapp


Auch die Zeit wird langsam knapp. Um die Viruskrankheit Influenza wirksam zu bekämpfen, sollte in der Zeit von September bis November geimpft werden. Zum einen sind die Patienten im frühen Herbst meist noch erkältungsfrei. Zum anderen braucht der Impfstoff zwei bis drei Wochen, um seine Wirkung zu entfalten.

Mittlerweile hat die deutsche Zulassungsbehörde, das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), zwar den Weg für den Erwerb von Grippe-Impfstoffen anderer Hersteller freigemacht. "Doch die anderen Unternehmen haben nicht viel produziert, nachdem Novartis den Zuschlag bekommen hatte", erklärt Arzthelferin Ziegler.

Risikogruppe braucht Impfung


Auch die Herstellung neuer Impfstoffe braucht Zeit. "Die Erreger werden angezüchtet, dann isoliert, und daraus wird schließlich der Impfstoff hergestellt", fasst Jürgen Reimann zusammen. Der Leiter des Gesundheitsamtes in Haßfurt sieht in dem Impfstoffmangel ein echtes Problem. "Vor allem ältere und immungeschwächte Menschen sollten sich unbedingt impfen lassen", erklärt der Mediziner.

Er erlebt die Impfbereitschaft der Menschen im Landkreis Haßberge als zurückhaltend - so wie in Deutschland allgemein. Das allerdings begünstige die Ausbreitung der Grippewelle, zumal die Menschen durch die vergangenen zwei milden Winter mit wenig Erkrankungen nicht immunisiert seien.

Schwere Grippe erwartet


Reimann befürchtet, dass nach der moderaten Grippesaison im vergangenen Jahr in diesem Winter eine größere Erkrankungswelle anrollt. Denn die Grippe in Australien habe bisher doppelt so viele Krankheits- und Todesfälle wie im Vorjahr gefordert. "Der Verlauf auf der Südhalbkugel ist ein Parameter, an dem sich der Grippeverlauf einschätzen lässt", erklärt Reimann. Grund zur Panik gibt es aus seiner Sicht aber nicht. "Man sollte die Grippe nur ernst nehmen", schließt Reimann.

Auch Barbara Goschenhofer, Allgemeinärztin in Hofheim, wartet auf den Impfstoff, der angeblich Mitte November oder Anfang Dezember kommen soll. "Wir haben bereits 100 Dosen bekommen. Aber normalerweise verimpfen wir zwischen 400 und 500 Dosen in der Saison, da fehlt also noch einiges ", berichtet die Medizinerin.
Der Lieferant Novartis war Anfang Oktober in Bedrängnis geraten, nachdem in Italien weiße Partikel in den Impfstoffen nachgewiesen worden waren. Danach wurden auch in Deutschland alle Chargen vom Markt genommen. Nun wird hektisch Nachschub produziert.

Sondersituation in Zeil


Eine besonders schwierige Situation herrscht derzeit in Zeil. "Durch den Lieferengpass werden zuerst diejenigen Praxen beliefert, die Vorbestellungen gemacht haben oder auf der Warteliste stehen", erklärt Klaus Münzhuber.
Der Apotheker bestellt normalerweise für die Allgemeinpraxis Gerhard Binder.

"Da der Arzt aber schon seit längerer Zeit krank ist, konnten wir auch nichts bestellen, weil wir ja nicht wissen, wie viel benötigt wird", erklärt Klaus Münzhuber. Auch er ist ein Befürworter der Grippeimpfung. "Je mehr geimpft wird, desto geringer ist die Ansteckungsgefahr", sagt er und schließt: "Für unsere Apotheke hat sich das Thema impfen damit vermutlich erledigt."