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Käse: Speichel der Milben sorgt für das Aroma


Autor: Manfred Wagner

, Dienstag, 28. August 2012

Jede Hausfrau weiß, dass man für einen guten französischer Brie oder einen italienischen Gorgonzola schon mal 20 Euro fürs Kilo bezahlt. Aber einen Käse zu 200 Euro wird sie vergeblich an der Käsetheke suchen. Den findet man - ohne ihn da kaufen zu können - bei Alois Voigt im Eberner Stadtteil Bramberg. Die Rarität: echter Milbenkäse.
Außergewöhnliche Sachen waren schon immer "Alis" Spezialitäten. Jetzt reift in seinem Keller Milbenkäse. Der frühere Lehrer Alois Voigt hat ein besonderes Hobby.


Seit der naturverbundene Schulmeister, der malerisch im Schatten der Bramburg lebt, 2007 pensioniert wurde, widmet er sich seinen Liebhabereien. Dazu zählt für den Feinschmecker die Zucht des Milbenkäses. Er habe jedoch keine gewerblichen Interessen, betont der 69-Jährige. "Ich mach' das, weil es einfach eine Gaudi ist", sagt der letzte Dorfschullehrer von Bramberg augenzwinkernd.

Damit es von vornherein zu keinem falschen Zungenschlag kommt, unterstreicht Voigt, dass seine 0,3 mm kleinen Käsemilben mit dem lateinischen Namen "Tyrogliphus Casei" nichts mit den allseits bekannten und gefürchteten Hausstaubmilben oder gar mit Zecken zu tun haben. Na ja, zumindest fast nichts. Denn alle Milbenarten sind nun mal untereinander verwandt und gehören zur großen Familie der Spinnentiere.

Normalerweise setzen die Käsereien zur Reifung Bakterienkulturen oder Schimmelpilze ein. Voigt setzt zusätzlich auf ein Heer von mehreren Millionen Käsemilben. Sie dringen in den Käse ein und ihr Speichel bewirkt die Fermentation. Der Käse verfärbt sich im Laufe von zwölf Monaten von gelb über rotbraun bis zu grauschwarz.

Damit die fleißigen Spinnentiere nicht den ganzen Käse auffressen, wird Roggenmehl zugefüttert. Dass man beim Käseverzehr die süßen Tierchen einfach mit isst, ist vielleicht unfair, aber gesundheitlich unbedenklich.

Vor etwa zwei Jahren wurde der Wahlbramberger auf diese Spezialität aufmerksam. Bei einem Kollegen seiner Zunft, wie könnte es anders sein. In Würchwitz (Sachsen-Anhalt) lernte er gewissermaßen den Milbenkäsepapst, den Biologie- und Chemielehrer Helmut Pöschel, kennen. Dieser hat es sich zur Aufgabe gemacht, die alte, im thüringischen Zeitz und Altenburg seit dem Mittelalter beheimatete Tradition - die in der DDR übrigens verboten war - wiederzubeleben.

Kolonie im Hauskeller


Nach dieser theoretischen Einführung zeigt der Gourmet Voigt sein Allerheiligstes, den Hauskeller. Ein leicht säuerlicher Geruch liegt in der Luft. Langsam öffnet er eine Holzkiste. Wie auf einer braunen Staubschicht liegen hier dunkle Rollen - der Milbenkäse. Unter dem Mikroskop wird deutlich: die Staubschicht lebt, es handelt sich um eine wimmelnde Kolonie von Käsemilben.

Der Käseliebhaber Voigt lässt Gäste gerne mal ein kleines Stückchen probieren. Auf eigene Gefahr, versteht sich. Er hat das auch schon beim Tag der offenen Gartentür im benachbarten Jesserndorf gemacht. Und dabei die Erfahrung gemacht, dass Frauen viel mutiger sind als Männer, denn: Dreiviertel derjenigen, die kosteten, zählten zum so genannten schwachen Geschlecht!