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Junge Frau aus Ebern schneidert Karriere nach Maß


Autor: Ralf Kestel

Fischbach, Dienstag, 14. Juli 2015

Der Stoff aus dem (Berufs-)Träume sind: Kerstin Finzel aus Fischbach hat nach dem Besuch der Realschule als Maßschneiderin gelernt und ihre Meisterin gemacht. Als Selbstständige hat sie alle Hände voll zu tun.
Kerstin Finzel an ihrem ihrer vielen Arbeitsplätze - vor der Overlook.  Foto: Ralf Kestel


Massenware von der Stange? Große Bekleidungshäuser? Nein, die sind nicht ihr Ding. Kerstin Finzel ist Individualistin. Sie steht für maßgeschneiderte Lösungen. Vor zwei Jahren hat sich die Schneidermeisterin im Elternhaus an der alten Bundesstraße selbstständig gemacht. Ein Schritt, den sie nicht bereut, obwohl er ihr viel Arbeit beschert.

"Meine Zeit ist voll ausgefüllt", stöhnt die 29-Jährige, die drei Tage im Atelier in Fischbach arbeitet, dazu noch drei Tage in einem Brautsalon in Bamberg. Hochzeitskleider und die Kleider für Bräutla ("Die sind alle sooo lieb") haben es ihr besonders angetan. Das müsste doch Geschmack machen. Wie steht's mit eigenen Hochzeitsgedanken? "Schau mer mal", gibt die Maßschneiderin den Beckenbauer und wendet sich lieber ihrer Arbeit zu.

Relaschule besucht

Die ist vielfältig. Maßanfertigungen, Änderungen ("mein Steckenpferd"), Gardinen, aber auch Deko-Sachen, wie Loop-Schals, Geldbeutel, "kleine Geschenkartikel halt", gibt sich die junge Frau mit dem gewinnenden Lächeln bescheiden. Dazu kommt noch ein Bügelservice. "Ich hol' und bring' die Sachen und komm' auch ins Haus, wenn's gewünscht wird."

Beim Abschluss an der Dr. Ernst-Schmidt-Realschule stand der Berufswunsch längst fest. Es sollte etwas mit Stoffen sein. "Das habe ich von meiner Mama in die Wiege gelegt bekommen. Von klein an habe ich mit Mutti stets Handarbeiten gemacht."

Drei Jahre dauerte die Ausbildung zur Maßschneiderei in einem Brautladen in Würzburg. Nach einem Gesellinnenjahr wollte Kerstin Finzel zurück in die Heimat und fand in Bamberg in einem Brautsalon die nächste Anstellung, ehe sie für ein Jahr nach Frankreich ging, um dort weitere Erfahrungen als Schneiderin zu sammeln.

Die Rückkehr war gar nicht so einfach, weil sie ihren Lebensmittelpunkt nach Frankreich verlegt hatte und in Fischbach quasi wieder "eingebürgert" werden musste. Dazu bedurfte es des Nachweises eines Arbeitsplatzes, weswegen sie für ein Jahr als Bedienung in einem Eberner Restaurant arbeitete, um dann den Meisterinnentitel anzustreben. Den theoretischen Teil absolvierte die Fischbacherin an der Berufsschule in Bamberg, die Praxis an der Meisterschule in Dortmund.

Sprung in Selbstständigkeit

Dann folgte der vorsichtige Sprung in die Selbstständigkeit: die Anmeldung eines Kleingewerbes, wie es die Verwaltungs- und Finanzamtsvorschriften vorsehen. "Das erschien mir als der sichere Weg, denn beim Sprung in volle Selbstständigkeit mit vielen Schulden hatten schon andere Meisterkolleginnen ihre Probleme." Deshalb dient der 24-Stunden-Job beim früheren Brautladen in Bamberg als sicheres, zweites Standbein. "Dort bin ich von Donnerstag bis Samstag beschäftigt."

Und der Rest der Zeit in Fischbach? "Voll ausgefüllt". Mit den drei Tagen komme sie "kaum rum", bilanziert die Jungunternehmerin. Viele Abende und so manchen Sonntag steckt sie ab, sitzt an ihren Nähmaschinen oder der Industriepresse und der Bügelanlage, für die mit dem Schritt in die Selbstständigkeit investiert wurden. "Ohne Investitionen klappt es natürlich nicht, einen eigenen Laden aufzubauen."

Das scheint gelungen. "Ohne jegliche Werbung, nur über Mundpropaganda", so Kerstin Finzel, hat sie sich ein dickes Auftragspolster gesichert, irgendwie auch selbst "geschneidert".