Jessica steht ihren (Stein-)Mann
Autor: Sabine Weinbeer
Oberaurach, Freitag, 19. August 2016
Die Tochter aus dem Trossenfurter Natursteinbetrieb tritt in die Fußstapfen des Vaters und Firmengründers. Jetzt hat sie ihre Meisterprüfung abgelegt.
"Ich hab schon als Kind im Urlaub immer Steine gesammelt und die Mama hat dann geschimpft, weil das alles in meinem Zimmer eingelagert war". Jessica Steinmann grinst schelmisch beim Blick zurück. Seit drei Wochen hat sie den Abschluss der Staatlichen Fachschule für Steintechnik und Gestaltung am Steinzentrum in Wunsiedel in der Tasche, ist Technikerin und Steinmetz-Meisterin. Nach einem verdienten Urlaub ist sie jetzt seit knapp zwei Wochen im elterlichen Unternehmen nicht mehr Azubi, sondern "Junior-Chefin". Vorgezeichnet war das aber nicht unbedingt.
"Ich habe nie auf sie eingewirkt, ich wollte eigentlich, dass sie studiert", erklärt Renee Steinmann, Steinmetzmeister, der sich den eigenen Betrieb aufbaute. Und Jessica ließ sich auch lang alle Optionen offen. "Bau-Ingenieur oder Architektin, das sollte es schon irgendwie werden. Ich bin in den Ferien immer gern mit dem Papa auf die großen Baustellen zum Beispiel nach München gefahren", ihr Abitur machte sie mit den Schwerpunkten Mathematik, Latein, Kunst und Religion.
Enorme Bandbreite
Das Schlüsselerlebnis war die Auseinandersetzung mit ihrer Facharbeit in Kunst. Sie wählte ein Bildhauerstück "und da habe ich gemerkt, dass beim Steinmetz eine enorme Bandbreite im Beruf steckt - von der Fassade über hochwertige Innenausstattung bis hin zur künstlerischen Gestaltung", erzählt sie im Gespräch mit unserer Zeitung. "Und dann hab ich dem Papa gesagt, dass ich den Weg über die Ausbildung gehen will". Das war für die beiden ein großer Schritt, denn "dann wurde ich von der Prinzessin zum Azubi - und da gab es keine Sonderbehandlung, im Gegenteil". Die Klassenkameraden auf der Berufsschule hätten immer unterstellt, im eigenen Betrieb zu lernen, sei einfacher. "Einen meiner Mitschüler hab ich jetzt in Wunsiedel wiedergetroffen. Das letzte Lehrjahr hat er auch daheim gemacht - und alles zurückgenommen", sie grinst.
Ihr ist bewusst, dass es der Vater nur gut mit ihr meinte, denn nichts wäre schlimmer, als wenn die Mitarbeiter den Eindruck hätten, die künftige Chefin bekäme etwas geschenkt.
Kulturschock auf Montage
"Als Frau musst du schon beweisen, was du kannst", erklärt Jessica Steinmann, denn auch wenn es in der Berufsschule vier Kolleginnen gab, Steinmetzinnen sind nach wie vor die Ausnahme. Übergriffe, sexistische Bemerkungen oder Mobbing habe es nie gegeben, Skepsis bei manchen Steinmetzen schon. "Das erste Mal auf Montage war schon so was wie ein Kulturschock, so direkt nach dem Mädchengymnasium", lächelt sie. Aber schon als Fußballerin hat sie gelernt, sich durchzusetzen "aber meine Kapos haben schon aufgepasst und ich hab" ja eine große Klappe". Durch ihre Fachkenntnis und sorgfältige Arbeit hat sie sich Anerkennung erworben, auch an der Meisterschule, die eigentlich zum Techniker führt, im zweiten Jahr "kann man nebenbei den Meister machen", erklärt sie. Mit dem doppelten Abschluss hat sie nun den Bachelor, ob sie den Ingenieur noch draufsetzt, lässt sie sich offen.
Jetzt arbeitet sich die 25-Jährige erstmal in die Bereiche des elterlichen Betriebs ein, die sie bisher nur "gestreift" hat. "Die Produktion hatte ich gut im Griff, da kommt es auch nicht mehr so auf Kraft an wie früher, es gibt viele Hilfsmittel".
"Jetzt geht das Lernen erst richtig los", erklärt der Papa, der sie gleich in die Kalkulation geschickt hat. Ein ordentliches Angebot abzugeben, ist die Basis eines funktionierenden Betriebs, denn ein Chef muss nicht "nur" das Handwerk beherrschen, er muss für die Mitarbeiter auch Aufträge an Land ziehen, die am Ende Geld in die Kasse bringen, damit die Löhne bezahlt werden können.
Stolz auf eigene Werke
Dass die Tochter in den Betrieb einsteigt, "freut mich riesig" un sei eine große Entlastung , sagt Steinmann. Das Geschäft von der Pike auf kennenzulernen, sei die beste Basis.Das Meisterstück, ein harmonisch geschwungenes "S" in Sandstein, wird erst demnächst auf dem Ausstellungsgelände vor dem Bürogebäude aufgestellt. Genauso gern lässt sich Jessica Steinmann aber neben dem Grabstein fotografieren, den sie für das Familiengrab entworfen hat, als kürzlich die Oma starb. Dolomit aus Kehlheim hat sie gewählt, sanfte Formen und die dazu passende Schrift.