Jeder Schlag ein Meisterwerk
Autor: Katja Müller
Zeil am Main, Freitag, 12. April 2013
Mit 15 Jahren beschloss Stefan Böttcher, Steinmetz zu werden. Mit 19 Jahren war er Geselle, und mit 24 Jahren hielt er den Meisterbrief in Händen. Doch die Karriere, die so hoffnungsvoll begann, stagniert gerade. Die Auftragslage ist schlecht.
Dass hier in Ziegelanger ein Steinmetz wohnt, sieht man gleich: Eine steinerne Lichtstele erhellt die Einfahrt, ein massiver Schwan sitzt im Blumenbeet, und auch der Familienname ist in Stein gehauen: Böttcher. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass unterhalb des Hauses der "Steinhauerweg" entlang führt. Von hier aus hört man Stefan Böttcher arbeiten.
Muskelkraft statt Pressluft
Der 25-Jährige bringt gerade im Garten mit Klüpfel und Eisen einen Stein in Form. Jeder Schlag mit dem hammerähnlichen Werkzeug sitzt. Binnen sechs Stunden ist so aus dem weißen Sandstein aus einem Steinbruch in Schönbrunn ein fein gezeichnetes Weinblatt entstanden.
"Der ist gut zu behauen", sagt Stefan Böttcher und gießt nonchalant aus einer Kanne einen Schwall Wasser auf den Stein. "Jetzt sieht man das Blatt besser", beschreibt er.
Mit seiner Berufswahl hat sich Stefan Böttcher für ein Jahrtausende altes Handwerk entschieden. Am Arbeitsprinzip hat sich trotz der Jahre nichts verändert: Ein Stein wird durch die Bearbeitung seiner Kanten in Form gebracht.
Die Werkzeuge dagegen haben sich weiterentwickelt. Statt mit dem Klüpfel könnte Stefan Böttcher auch mit einem Pressluft getriebenen Hammer arbeiten. Das kostet weniger Kraft. Aber Stefan Böttcher ist die traditionelle Arbeitsweise lieber. "Bei handwerklichen Stücken sieht man gleich, ob mit der Maschine oder der Hand gearbeitet wurde", sagt er. Steinmetze arbeiten für den Gebäude- und Straßenbau. Sie fertigen Fassadenteile, Treppen, Skulpturen, Plastiken, Grabsteine, Fußböden und Arbeitsplatten. Bei Arbeiten für den Straßen- und Hausbau müssen sie sich an genaue Vorgaben halten. Bei anderen Projekten haben sie auch mal kreativen Spielraum.
Stefan Böttcher interessiert sich vor allem für Restaurierungen. 2010 hat er als Meisterschüler zwei Grabstätten und zwei Postamente auf dem deutschen Friedhof "Campo Santo" im Vatikan restauriert. Davon schwärmt er noch heute. In den vergangenen zwei Jahren stellte er im Auftrag seines letzten Arbeitgebers die Fassade der Münchner Residenz wieder her.
Inzwischen ist die Auftragslage aber nicht so rosig, und Stefan Böttcher muss sich nach einer neuen Aufgabe umsehen. Große Hoffnungen, im näheren Umkreis eine Anstellung zu finden, hat der Steinmetzmeister nicht. "Aber für Restaurierungsarbeiten ist man eh deutschlandweit unterwegs. Das ist also nicht so schlimm", sagt er.
Hat Handwerk Zukunft?
Aktuell gibt es in Unterfranken acht Ausbildungsstellen, die 22 Lehrlinge ausbilden. Für Daniel Röper, den Pressesprecher der Handwerkskammer Unterfranken, ein Indiz dafür, dass die Berufsaussichten gut sind. Zum 31. Dezember 2012 waren bei der Handwerkskammer 175 Steinmetz- und Steinbildhauer-Betriebe registriert.
Nach seiner Ausbildung bei "Naturstein Vetter" in Eltmann, arbeitete Stefan Böttcher als Geselle bei "Naturstein Graser" in Bamberg. 2009 bis 2011 besuchte er die Meisterschule für das Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk in München. Knapp 30 000 Euro kostete ihn der Meistertitel inklusive der Miete in München. Böttcher nahm einen Bafög-Kredit auf, die Eltern übernahmen die Miete. Danach arbeitete er bei einer weiteren Firma in Oberfranken.
"Mir war es wichtig, mich weiterzubilden. So habe ich mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt", erklärt der junge Mann. Ob er die Entscheidung je bereut hat? "Nein", sagt er und schüttelt entschieden den Kopf. "Mir gefällt es, handwerklich in einem abwechslungsreichen Beruf zu arbeiten."
Bis er eine neue Stelle hat, wird Stefan Böttcher im Garten seine Kreativität ausleben und aus Natursteinen Namensschilder, Gedenksteine oder Figuren schaffen. Aus einem Stück und mit präzisen Schlägen.