"Je suis Charlie" - Menschen im Kreis Haßberge fühlen mit
Autor: Klaus Schmitt, Jennifer Opel
Eltmann, Donnerstag, 08. Januar 2015
Der blutige Anschlag in Paris hat nicht nur Frankreich getroffen. Bestürzung, Trauer und Sorge empfindet auch der Kreis Haßberge.
Kurt Sieber aus Königsberg blickt in diesen Tagen wohl noch öfter in Richtung Frankreich, als er dies sonst tut. Der fürchterliche Anschlag auf die Redaktion eines Satire-Magazins in Paris am Mittwoch hat ihn ebenso wie den ganzen Kreis Haßberge und darüber hinaus tief erschüttert.
Der ehemalige Bürgermeister von Königsberg ist der Beauftragte des Landkreises Haßberge für die Partnerschaft mit dem französischen Distrikt Tricastin. Seit über 40 Jahren unterhalten der Kreis Haßberge und das Tricastin freundschaftliche Beziehungen.
SMS aus Frankreich
Am Donnerstag hat Kurt Sieber, der als Motor der deutsch-französischen Beziehungen im Kreis gilt, eine SMS erhalten. Colette Bodinier hat sie ihm geschickt.
Sinngemäß lautete ihre Botschaft: "Ich fühle mit." Mit den Opfern des Attentats, den Angehörigen und allen Menschen, die voller Sorgen auf die schlimmen Geschehnisse sehen.
Colette Bodinier ist die Tochter von Tom Bodinier, den Kurt Sieber als einen Pionier der Partnerschaft und als einen "glühenden Verfechter" der deutsch-französischen Freundschaft bezeichnet. Der frühere Gastronom und Hotelier, der im März 2011 im Alter von 89 Jahren gestorben ist, hat als einer von wenigen Franzosen das Bundesverdienstkreuz in Deutschland für seine wertvolle Tätigkeit auf dem Gebiet der Völkerverständigung erhalten.
Europäische Werte getroffen
Mit dem Anschlag in Paris sieht Kurt Sieber europäische Werte wie Freiheit, Kultur und Demokratie getroffen. Die Tat betreffe nicht nur Frankreich, sondern ganz Europa. Als sehr schlimm empfindet der Königsberger, dass das Attentat Wasser auf die Mühlen der Islam-Gegner sei und politisch missbraucht werde. Erschüttert ist er, dass der Angriff ausgeführt werden konnte, obwohl die Redaktion bewacht war.
Kurt Sieber hätte, wie er im Gespräch mit unserem Portal einräumte, noch einige Zeit verstreichen lassen wollen, um Kontakt mit den Partnern in Frankreich zu suchen. "Die sind jetzt alle mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt", und man müsse nicht sofort in offenen Wunden rühren, meint er. Dann aber erreichte ihn die Nachricht von Colette Bodinier, die deutlich macht, wie betroffen die Franzosen sind. Sie ist auch ein Appell an die Mitmenschlichkeit und an die Solidarität.
Diese Gedanken trägt auch der Eltmanner Bürgermeister Michael Ziegler in sich. Seine Stadt hat eine Partnerschaft mit der Stadt St. Paul Trois Chateau, die ebenso wie die Königsberger Partnerstadt Donzeré im Distrikt Tricastin liegt. In der nächsten Woche will Ziegler ohnehin Kontakt mit St. Paul Trois Chateau aufnehmen, weil ein Schüleraustausch und ein Besuch von Eltmannern in Frankreich vorgesehen sind. Dabei werde sicher auch der "sehr schlimme" Anschlag zur Sprache kommen, schilderte Michael Ziegler unserem Portal. Er ist ebenso bestürzt und erschüttert wie die ganze zivilisierte Welt.
Wie weit darf Satire gehen?
Neben Trauer, Mitgefühl und Unverständnis taucht im Zusammenhang mit dem Terror in Paris auch die Frage auf: Wie weit darf Satire gehen? Egal wie weit sie geht, Gewalt ist nie ein probates Mittel. Doch ab wann ist die Kritik "unter der Gürtellinie"? Der stellvertretende evangelische Dekan des Dekanatsbezirks Rügheim, Bernd Grosser, empfindet die Frage auch als sehr schwierig. "Das ist von der Person abhängig", sagt er. "Menschen, die sehr tief in ihrem Glauben verwurzelt sind, sehen das sicherlich strenger als andere." Wenn Satire trifft, dann sollte der erste Impuls immer sein zu fragen, was der Inhalt der Satire ist. "Oft trifft es einen wunden Punkt. Dann sollte man sie als Kirche selbstkritisch hinterfragen", empfiehlt Grosser. Ein Problem sieht er dann, wenn die Satire oder die Karikaturen ein respektloses Verhalten gegenüber der Glaubensausübung an sich ist. "Wenn es gegen die Religionsfreiheit geht, sind die Grenzen schwimmend", findet er, denn Meinungs- und Pressefreiheit dürfe die Religionsfreiheit nicht aushebeln.
Gespräche als Lösung
Gerichtlich gegen Satire vorzugehen sieht der stellvertretende Dekan jedoch als weniger zielführend an. "Man muss auf die Satiriker zugehen und ihnen sagen, wenn sie zu weit gegangen sind", sagt Grosser. "Ein Gespräch ist immer besser, als die Keule auszupacken."
Der Dekan Stefan Gessner des katholischen Dekanats Haßberge sieht eine klare Grenze, wann die Satire zu weit geht. "Wenn es gegen die Würde eines Menschen geht, dann ist es zu viel", sagt er. "Aber das rechtfertigt natürlich trotzdem nicht das, was in Paris passiert ist." Er selbst schaue sich schon auch Karikaturen an und lache auch manchmal darüber. Er mache sich aber im Nachgang nicht viele Gedanken und wisse nur von wenigen Fällen, in denen die katholische Kirche Satire überhaupt kommentiert habe.
Von Seiten der Diözese Würzburg nahm Bernhard Schweßinger, Pressesprecher des Bistums und ein Haßfurter, Stellung zur Satire-Frage. "Da wir - Gott sei Dank - in einer pluralen Gesellschaft leben, in der jeder und jede frei seine Meinung äußern darf, wird jede für Satire gesetzte Grenze eine sehr persönliche Note tragen."
Pressefreiheit nicht einschränken
Für ihn als Christ ende Satire da, wo er seine religiösen Gefühle verletzt sieht. "Das kann ich aber nicht zu einem allgemeingültigen Argument machen", sagt Schweßinger. "Ich kann gegen solch verletzende Satire und auch gegen verletzende Pressemeldungen meine Stimme erheben, mich in der Sache damit auseinandersetzen und sie kritisieren. Rechtfertigung für Terror und Fanatismus darf Satire aber niemals sein." Schweßinger findet auch, dass man in einer freiheitlichen Gesellschaft als Religionsgemeinschaft mit Satire und kritischen Zeichnungen und Bemerkungen leben muss.
Die katholische Kirche weise dann Satire zurück, wenn die Menschen in den religiösen Gefühlen, aber letztlich auch in ihrem Menschsein verletzt werden, erklärt Schweßinger. "Gerichtliche Vorgehen bleiben aus bisherigen Erfahrungen meist erfolglos, da in Deutschland die Presse- und Meinungsfreiheit zu Recht als hohes, zu schützendes Gut behandelt wird."
Einmal habe sich das Bistum wegen eines entstellenden Bildes an den Presserat gewandt und dafür eine Entschuldigung erhalten. Auch der Haßfurter setzt auf Aussprache: "Im Dialog konnten wir Verständnis für die Verletzung religiöser Gefühle wecken und Missverständnisse aus dem Weg räumen."