Druckartikel: In Ebern liegen die Karten fast jeden Tag auf dem Tisch

In Ebern liegen die Karten fast jeden Tag auf dem Tisch


Autor: Ralf Kestel

Ebern, Mittwoch, 15. Oktober 2014

In der Eberner Neubrückentorstraße steht die Satellitenschüssel zwar auf dem Dach, doch an sonnigen Tagen bleiben die Fernseher aus. Die Hausbewohner sitzen im Hof und spitzen lieber ins Blatt des Nachbarn.
Beim Rommikub gibt es alle drei Jahre sogar eine Weltmeisterschaft. Foto: Ralf Kestel


Die Würfel sind gefallen, und einer könnte sich "fast in die Hose machen". Nicht ob einer Belustigung, sondern aus Verärgerung, denn wieder einmal haben ihm die Gegenspieler heftig zugesetzt. "Manchmal bescheißen die", lautet der Vorwurf von Karl-Heinz Reuß an diesem sonnigen Sonntagnachmittag trauter in Runde.

Der 57-Jährige macht seinem Ärger ebenso lautstark wie humorvoll Luft. Die Probleme hat er sich selbst aufgeladen. Als Hahn im Korb.

Jede freie Minute nutzt die Hausgemeinschaft, bestehend aus sieben Familien, im denkmalgeschützten Haus in der Neubrückentorstraße zu Gesellschaftsspielen. Statt Fernseh-Einerlei wird nicht mit der Fernsteuerung, sondern mit Karten, Männchen und Würfeln hantiert: Skip-Bo, Rommé, Uno, Phase 10, Kniffel, Rummi-Kub stehen auf dem Programm. Und von wegen Mensch ärger dich nicht.

Zur Teilnahme an einer Weltmeisterschaft, wie sie seit 1991 beim Rummikub alle drei Jahre ausgetragen wird, reichte es - bislang- aber noch nicht. 2015 ist es mit der WM wieder so weit. Darauf bereiten sich die Mitspieler, die drei verschiedenen Generationen angehören, intensiv vor. Stunden lang. Mitunter lautstark.


Kniffel deluxe am Sonntagnachmittag

Rummikub bringt laut Werbeaufschrift auf dem Spielkarton die Menschen zusammen. Kann sie aber auch entzweien, denn Sieger wird am Ende nur einer. Die anderen bleiben auf der Strecke, oder werden gestrichen, so wie so manche Position beim Kniffeln, wenn die Würfel eben nicht so fallen, wie es nötig gewesen wäre.

An diesem Nachmittag hat Katja (38) aber eine Serie. Die Sechser kugeln nur so auf den massiven Holztisch, der im Hof steht und zehn Mann Platz bietet. Letztlich sogar die begehrte Version der fünf Sechser, ein Kniffel deluxe.

Volle Verschwendung der Augenzahl, aber "Kniffeln ist kein Wunschkonzert" wissen die Teilnehmer aus Erfahrung.

"Es wird ehrlich verloren", gibt Karl-Heinz Reuß bei der Phase 10 die Richtung vor, um kurz darauf "auf Hundert" zu sein und festzustellen: "Die probieren's mit allen Tricks, wollen abheben, obwohl sie eigentlich aussetzen müssen." Da kennt er kein Pardon, die Regeln werden mit aller Strenge umgesetzt.

Zur Verzweiflung treibt viele die Phase 10. Ein Kartenspiel, bei dem unterschiedliche Kartenserien erreicht werden müssen. Und dann passiert's: Der einzige Mann in der Runde legt mit einem Schlag ab, ohne eine Karte zu ziehen und beendet damit diesen Durchgang. "Wenn sie nicht verlieren könne, dürfen sie halt nicht mit Profis karten", brüstet sich Reuß, um bei der nächsten Runde als Verlierer festzustellen: "Mit so vielen Joker kann ja jeder karten."

Und klagt eine der Damen am Tisch über ihr Spielepech, bekommt sie auch eine alte Weisheit auf die Ohren: "Ein Wunschkonzert kommt im Radio, das hier ist Karten." Im Gegensatz dazu stimmt auch der Mann in der Runde schon beim ersten Spiel das Jammern an: "Das Leichteste kriegst du nicht auf die Pfoten", schiebt er den schwarzen Peter seiner Vermieterin zu, die eben die Karten gemischt und ausgeteilt hat.


Walter der Bastler

Eine besondere Rolle fällt Walter Lehmann (75) als Rentner und Hobbybastler zu. Für die Phase 10-Karten hat er schon Hölzchen geschnitzt, die jeweils den aktuellen Spielstand anzeigen. Aber die Wünsche sind weitergehend: "Eine Mischmaschine muss her", meint Karl-Heinz Reuß angesichts der Unbeholfenheit so manch zarter Damenhand.

Und außerdem fehlt noch eine Anzeigentafel: "Da gehören die Wochen- und Monatssieger drauf." Walter tüftelt schon daran. Noch Zukunftsmusik ist eine Zuschauertribüne. Denn: Immer wieder kommen Nachbarn vorbei und verfolgen die Spiele mit Spannung. Dann reichen die Sitzplätze nicht mehr aus ...