Äthiopierinnen feiern in Dippacher Asylunterkunft mit Kaffee
Autor: Ronald Heck
Dippach, Dienstag, 08. März 2016
In der Asylunterkunft in Dippach lassen äthiopische Frauen mit einer Kaffee-Zeremonie ihre Tradition aufleben. Äthiopien gilt als Heimat des Kaffees.
Kaffee kennt jeder in Deutschland. Doch in Dippach wird das koffeinhaltige Heißgetränk auf eine besondere Art gebrüht: Sieben äthiopische Frauen bewahren eine traditionelle äthiopische Kaffee-Zeremonie.
Im Gemeinschaftsraum der Asylunterkunft im Eltmanner Stadtteil Dippach verbreitet sich der aromatische Duft gerösteter Kaffeebohnen. Hier leben mehrere Familien aus Äthiopien, dem Heimatland des Kaffees. In dem afrikanischen Land ist Kaffee nicht nur ein Genussmittel, sondern Nationalgetränk. "Der Name Kaffee kommt ursprünglich vom Ort ,Kaffa' in Äthiopien", weiß der Leiter der Asylunterkunft in Dippach, Franz Hümmer. "Buna", der äthiopische Kaffee, ist für die Familien in Dippach ein Stück Heimat in ihrer neuen Heimat.
Zeremonie ist Frauensache
Traditionell kümmern sich die Frauen um die Zubereitung des Kaffees. Männer dürfen zwar mittrinken, während der Kaffee-Zeremonie in Dippach sind aber keine erwachsenen Männer anwesend. Mabrat Yonas kommt heute die Ehre zuteil, das Getränk zuzubereiten. Sie ist der Mittelpunkt der Veranstaltung, die anderen Frauen sitzen um sie herum. Man unterhält sich, die Kinder tollen herum und spielen. Die 24-jährige Äthiopierin sitzt auf einem kleinen Schemel, vor ihr liegt eine Matte aus grünen Plastikgräsern (in Äthiopien werden eigentlich frische Gräser ausgelegt).Weil die Zubereitung in ihrem Land ein feierlicher Akt ist, trägt Mabrat Yonas die traditionelle Tracht "Abeshkemesi" - ein weißes Kleid aus dünnem Stoff mit einem Schal über Haar und Schultern. Die Tracht hat sie aus Äthiopien mitgebracht. Auf einem Gasherd röstet sie in einer Gusseisenpfanne grüne Kaffeebohnen. "Das sind äthiopische Bohnen. Wir haben sie telefonisch bestellt, bei einem Markt in Berlin", erzählt die junge Mutter Hana Danielgetachef. Ihre Töchter Samri (acht) und Bitaneya (fünf) tragen extra äthiopische Kleider. Die Kinder trinken zwar keinen Kaffee, aber die Zeremonie ist unter Äthiopiern vor allem eine soziale Veranstaltung, bei der man sich trifft und zusammen Zeit verbringt.
Ein sinnliches Erlebnis
Die Bohnen in der Pfanne färben sich langsam braun, der Kaffeeduft wird immer intensiver. Nach ungefähr 30 Minuten Rösten sind die Kaffeebohnen tiefschwarz geworden. Mabrat Yonas läuft mit der Pfanne zu jedem Einzelnen im Zimmer. Man fächelt sich den Duft zu, jeder soll ihn genießen können. Danach werden die Bohnen gemahlen: In Dippach mit einem elektronischen Mixer, in Äthiopien wären sie von Hand mit einem Mörser zerstoßen worden, erklärt Hana Danielgetachef.Das Kaffeepulver füllt Mabrat Yonas zusammen mit kaltem Wasser in einen dunklen Tonkrug. Diese äthiopische Kaffeekanne wird "Jebena" genannt. Die Kanne wird auf dem Gasherd erwärmt, der erste Kaffeesud beginnt zu ziehen. Währenddessen zündet sie ein Stück Kohle in einem weiteren länglichen Tongefäß an. Der Geruch von verbrannter Kohle oder Weihrauch gehört zu jeder äthiopischen Kaffee-Zeremonie.
Auch Essen gehört dazu. Eine Schüssel mit Popcorn wird herumgereicht. Außerdem gibt es das äthiopische Weizenbrot "Dabo". Es schmeckt leicht süßlich und erinnert an deutschen Sandkuchen. Erst nach über einer Stunde wird der erste Kaffee ausgeschenkt. Jeder im Gemeinschaftsraum erhält eine kleine Tasse. Der Kaffee wird schwarz getrunken, mit mehreren Löffeln Zucker. Er schmeckt sehr aromatisch - und süß.
Bewegende Lebensgeschichten
Danach wird ein weiterer Sud aufgesetzt, die zweite Tasse schmeckt nicht mehr ganz so stark. Während die Frauen Kaffee trinken, erzählen sie aus ihrem Leben in Äthiopien. Die 27-jährige Tigist Abate berichtet von dem Mord an ihrem Mann: "Die Regierung hat ihn umgebracht, weil er in der Opposition war." Solange die jetzige äthiopische Regierung an der Macht sei, könne sie sich nicht vorstellen, mit ihrem zweijährigen Sohn zurückzugehen.Auch Messelech Tesema hat eine bewegende Geschichte. Sie ist 60 Jahre alt, damit eine der ältesten Äthiopierinnen in Dippach, und kam vor zwei Jahren hierher. "Mein Mann Elias Makureya lebte damals als politisch Verfolgter bereits seit zwölf Jahren in Deutschland. Er hatte sogar einen deutschen Pass", erzählt die Seniorin. Als er dann plötzlich todkrank wurde, entschied sich Messelech Tesema, nach Deutschland zu kommen. Er starb, bevor sie ihn noch einmal treffen konnte.
In der Asylunterkunft wird die dritte Tasse ausgeschenkt. Drei Tassen Kaffee sind bei äthiopischen Kaffee-Zeremonien Tradition. Die dritte steht für den Abschiedssegen. Danach löst sich die Runde in Dippach auf. Der Duft gerösteter Kaffeebohnen bleibt jedoch erhalten.