In der Awo-Küche in Ebern ist alles 'ne Nummer größer
Autor: Sarah Seewald
Ebern, Freitag, 30. Oktober 2015
In ihrem Job wird anders geplant, eingekauft und gekocht. Das weiß Köchin Simone Reich. Seit fast zwei Jahren ist sie bei der Awo. Wenn sie alles richtig macht, werden auf einen Schlag über 1000 Menschen satt. Ein Blick in die Großküche in Ebern.
Diese Kritik wird Simone Reich so schnell nicht mehr vergessen. Ihr Chef höchstpersönlich, Toni Michels, brachte ihr das ausgedruckte Schreiben in die Küche: Beschwerde, so oder so ähnlich war wohl schon das Stichwort im Betreff. Der Kunde jammerte darüber, dass er neuerdings mehr spülen muss. Und dann stand da noch so was wie: Aber wenn unsere Mitarbeiter in die glücklichen Augen der Esser schauen, dann spülen alle gerne mehr. "Ich bekam sofort eine Gänsehaut", erinnert sich Reich.
Sie ist seit März 2014 Küchenchefin in der Großküche der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Ebern. Und lebt damit ihren absoluten Traumberuf. Sagt sie. Meint sie auch so. Während ihre Mitarbeiter - hauptsächlich Mitarbeiterinnen - um sie herumwuseln und 70 Grad heißes Essen transportfähig verpacken, gibt sie in aller Ruhe Einblick in ihre Arbeit. Während der Ausbildung im Krankenhaus in Ebern hat sie schon gelernt, was es bedeutet, vielen Menschen auf einmal warmes Essen zu servieren.
Gesund ist das Ziel
Die größte Herausforderung dabei sei keinesfalls der Kochvorgang an sich - mit einem überdimensionalen Kochtopf, Kippbratpfanne und Schneebesen in XXL geht das alles ähnlich wie daheim nur eben eine Nummer größer. Die Planung ist das Allesentscheidende. Jeder soll satt werden - auch wenn Simone Reich morgens nicht einmal genau sagen kann, wie viele Personen zum Beispiel in der Schulmensa am Silberfisch in Haßfurt zum Essen kommen werden - zu viel darf es aber auch nicht sein, sonst muss frisches Essen unnötig weggeschmissen werden. Deshalb verwaltet das 15-köpfige Team um die Küchenchefin Listen. "Was wir mittlerweile alles für Listen haben", schmunzelt Reich. In der einen können die Kindergärten und anderen Abnehmer über die aufgedruckten lächelnden und schmollenden Gesichter das Essen bewerten, dann gibt es noch die Farbtabelle, nach der die Thermokisten gepackt werden, damit die verschiedenen Portionen inklusive Sonderwünsche an Ort und Stelle ankommen.
Allergien und Unverträglichkeiten - das sind zum Beispiel solche Spezialaufträge, die in der Küche erfüllt werden. Wobei die 44-jährige Küchenchefin sowieso auf einiges achtet.
Hinter dem Motto "GeKo - Gesund Kochen" verbirgt sich der Ansatz, "keine Konservierungsstoffe, so weit es möglich ist" zu verwenden, die Kartoffeln werden selbst geschält, die Kinder bekommen auch frische Gemüsesticks mit Dips. Eier und Fleisch bezieht die Awo-Großküche über regionale Anbieter. Zusätzlich werde aber auch im Großmarkt bestellt, wenn zum Beispiel für 35 Bleche Kuchen Mehl benötigt wird. Mit dem Konzept werden "die Kinder so an das Frische herangeführt", sagt Reich.
Mehr als Pommes und Nudeln
Auch wenn die kleinen Esser auf Pommes abfahren und die Kinderwünsche hier und da berücksichtigt werden können in dem es zum Beispiel auch mal Pizzabrötchen gibt, führt Simone Reich ein dickes Buch und überlegt sich genau, was sie auf den Speiseplan setzt. Täglich gibt es zwei Menüs zur Auswahl - normal und vegetarisch. Dazu gibt es eine Tagessuppe, frischen Salat und Nachtisch. Die Kritik an Mensaessen kann Reich nicht verstehen. Ihr Argument ist schlichtweg: "Wir sind anders." Und fügt dann noch hinzu, laut lachend: "Wir sind die Besten." Und zumindest den Kindern, die sich in Haßfurt eine Stunde später von den Mitarbeitern in der Mensa die Teller beladen lassen, scheint es zu schmecken: Kann ich auch zwei Klöße haben? Fragt der eine Schüler. Der andere möchte lieber nur einen großen Salat.
Von Sandra Bertel, Renate Käßer und den anderen Mitarbeitern bekommen die Schüler genau so viel, wie sie an diesem Mittag essen wollen. Ein Konzept, das die Planung zusätzlich erschwert, den Schülern aber bis zur Mittagspause eine Wahlfreiheit ermöglicht. Am Dienstag und Donnerstag ist der Ansturm besonders groß, da haben viele Mittagschule. Ein eindeutiger Grund für Reich, mehr zu kochen. Bis zu 1100 Portionen verlassen mittlerweile die Großküche. Damit hat sich nicht nur bei den Essens-Abnehmern der Spülberg vergrößert, sondern auch die Portionenzahl in der ausgebauten Großküche vervielfacht. "Man kann es nicht jedem recht machen", weiß die Köchin. Aber solange die Bewertungszettel mit einem grinsenden Smiley nach der Auslieferung in ihrem Büro zurückkommen, hat Reich mit dem Team ihren Auftrag erfüllt.