"Ich war noch niemals in New York"
Autor: Sabine Weinbeer
Haßfurt, Freitag, 08. April 2016
Mit Kara Witherill ist erstmals ein Assistant Teacher im Landkreis tätig. Die US-Amerikanerin spricht über ihre Erfahrungen in den Haßbergen.
"Let"s talk about Brexit", sagt Kara Witherill und blickt erwartungsfroh in die Gesichter ihrer Schüler. Die steigen umgehend in die Diskussion ein. Kara Witherill ist die erste "Assistant Teacher" am Regiomontanus-Gymnasium Haßfurt - "und hoffentlich nicht die letzte", so Harald Riegel, der für den internationaler Austausch am Haßfurter Gymnasium zuständig ist.
Sprachanwendung trainieren die Gymnasiasten der letzten beiden Jahrgangsstufen mit Kara Witherill. Jeweils eine halbe Klasse nimmt sie mit in einen anderen Raum, und dann geht es um die unterschiedlichsten Themen - um den Brexit, also das Aussteigen Großbritanniens aus der EU, oder um den amerikanischen Vorwahlkampf.
Nicht nur bei diesem Thema werden kulturelle Unterschiede zwischen Deutschland und den USA deutlich - und das ist auch der eigentliche Auftrag von Assistant Teacher Kara Witherill: "es geht um Kulturaustausch, nicht um einen Lehrplan".
Und ganz nebenbei ist Diskussion und Konversation mit einer Muttersprachlerin natürlich eine gute Schule für die angehenden Abiturienten. Wobei Kara sehr angetan ist vom Englisch-Niveau ihrer Schüler "das ist wirklich beeindruckend", erklärt sie.
Kulturaustausch besonderer Art
Kara Witherill ist keine Lehrerin, sie studierte in den USA und Frankreich "global studies". Ihr Ziel ist eine Tätigkeit im internationalen Kulturaustausch und das Jahr als Assistant Teacher in Haßfurt nutzt sie, um Erfahrungen zu sammeln. Zwei Mal war sie während Schul- und Studienzeit in Deutschland. In den USA lernte sie an der High-School Deutsch, Spanisch und Französisch. Französisch sei ihr leichter gefallen, denn Deutsch als Fremdsprache ist sehr anspruchsvoll vor allem in der Grammatik. "Aber ich fühle mich im Deutschen mehr daheim".
Dieses "Daheim-Gefühl" habe sie auch sehr schnell in Haßfurt gehabt. Ihre Nachbarin, aber auch Harald Riegel und seine Frau Heike bescherten ihr gleich sehr intensive private Kontakte. So backt sie gerne mit der Nachbarin "Apfelstrudel und Schwarzwälder Kirschtorte" - und machte beim Besuch ihrer Eltern damit richtig Eindruck, denn "Amerikaner lieben Kaffee und Kuchen, auch die anderen Assistant Teacher schwärmen davon". Kara steht mit ihren Kollegen in anderen Bundesländern in Kontakt - und sie schreibt auch einen Blog für eine Schulklasse in den USA.
USA-Bild wie im Film
Darin berichtet sie über die Unterschiede, die sie auch
mit ihren deutschen Schülern bespricht. So hätten Schüler in Deutschland ein sehr Film-geprägtes Bild der amerikanischen High-School. Kara stammt aus Readfield im Bundesstaat Maine. "Meine High-School hatte keine Cheerleader und ich bin einfach über eine Wiese zur Schule gelaufen, das können manche deutsche Schüler gar nicht glauben", erzählt sie.
Der Truthahn darf nicht fehlen
Umgekehrt sei sie von der Herzlichkeit der Deutschen sehr überrascht worden, "bei uns gelten die Deutschen eher ein bisschen kalt". Am deutschen Gymnasium beeindruckt sie, wie erwachsen die Schüler wirken, sie seien auch viel stärker eigenverantwortlich für ihren Lernerfolg als in den USA.Für ihre Schüler hat Kara auch schon Erdnussplätzchen gebacken, einige Kollegen zum Thanksgiving und dem unvermeidlichen Truthahn eingeladen.
Ein besonderes Erlebnis war für sie Allerheiligen in Retzstadt mit Familie Riegel. "Essen und Trinken ist ein wichtiger Teil des Kulturaustauschs", ist Kara Witherill überzeugt. So zeigt sie, dass Amerikaner nicht nur Fast Food verspeisen und genießt deutsche Spezialitäten: "Ich esse hier viel mehr Wurst, das würde ich daheim nicht machen, man weiß ja nicht, was so drin ist."Im letzten halben Jahr hat sie auch viel von Europa gesehen, teils durch eigene Reisen, teils durch die Begleitung von Schüler-Austausch-Gruppen. So war sie in Prag, auf den Kanaren, in Österreich, der Schweiz, sah Berlin, Dresden und Hamburg. Und als die Eltern zu Besuch waren, stand die Süddeutschland-Tour mit den Königsschlössern auf dem Programm.
Grundsätzlich genießt sie die Kleinstadt Haßfurt, wo sie direkt von der Haustür zum Joggen in die Natur starten kann. Schließlich wuchs sie eher ländlich auf: "Ich war noch niemals in New York", erklärt die bei den Schülern sehr beliebte Frau: "Das ist das beste Jahr, das ich bisher erlebt habe" so Kara.
Ihre Erfahrungen will sie mit in einen Beruf nehmen, der sich mit internationalem Schüler- oder Sportaustausch beschäftigt, so Kara, die in den USA Kapitän im Ruder-Achter war. Sie wird andere ermutigen, ebenfalls als AssistantTeacher nach Deutschland zu gehen - und natürlich läuft das Programm "Fullbright" auch in umgekehrte Richtung. "Das ist auf jeden Fall r eine Bereicherung für unser Schulleben", sagt Harald Riegel.