Hörgenuss mit tiefem Hintergrund
Autor: Ulrike Langer
Haßfurt, Montag, 05. Februar 2018
Bernhard Pichl, Rudi Engel, Florian Kettler und Silke Straub vermittelten dem Haßfurter Publikum die Schönheit des in der NS-Zeit verpönten Jazz.
Musik überwindet alle Grenzen - sie ist eine universelle Sprache. Zumindest wird das heute so gesehen. Doch zur Zeit des Nationalsozialismus galten andere "Gesetze". Wie ambivalent jedoch die Meinung der Nazis in Bezug auf den Jazz und den Swing waren, erfuhren die Besucher der Reihe "Jazz mal anders" des Kulturamts Haßfurt live beim jüngsten Konzert mit Bernhard Pichl (Klavier), Rudi Engel (Bass), Florian Kettler (Schlagzeug) und der Sängerin Silke Straub.
Das Motto des Abends lautete "Swing - Tanzen verboten". Allerdings war diese Musik nie per Reichsgesetz verboten. Lediglich Reichssendeleiter Eugen Hadamovsky hatte 1935 den "Nigger-Jazz" im deutschen Rundfunk für "endgültig ausgeschaltet" erklärt.
Einblicke in die Problematik
Bernhard Pichl gab als Moderator des Abends tiefe Einblicke in die Problematik, die der Jazz dem Regime bereitete: "Zum einen wusste man nicht, wie man mit dieser Musik umgehen sollte. Zum anderen mussten Musiker und das Publikum Repressalien fürchten, und außerdem wurden der Jazz und der Swing für Propagandazwecke missbraucht", lautete sein Fazit.Für den Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels, war die Hauptaufgabe der Reichsmusikkammer, "die deutsche Musik von ausländischen Einflüssen zu reinigen und die sogenannte entartete Musik aus der Öffentlichkeit zu verbannen". Andererseits wurde zur musikalischen Untermalung der Propaganda-Sendung "Germany Calling" die Bigband "Charlie and his orchestra" gegründet, wobei der der Sänger Charlie (Karl Schwedler) neben den Originaltexten auch Texte zur politischen Propaganda mit antibritischem, antisowjetischem und antijüdischem Inhalt sang. 1942 gab Goebbels auch grünes Licht für das "Deutsche Tanz- und Unterhaltungsorchester", das überwiegend modern arrangierte Tanzmusik spielte (wenn auch so gut wie nie in der Öffentlichkeit), um die Kriegsmoral hochzuhalten.
Strafen für das Hören von Jazz
Daneben gab es aber auch drastische Strafen für das Hören von Jazz oder Swing auf den "Feindsendern". Die "Swing Kids", die hauptsächlich mit der Swing-Musik und dem Swing-Tanz gegen den Nationalsozialismus und die Hitlerjugend protestierten, wurden überwacht und landeten teils in Konzentrationslagern.Günter Discher, der als "Swingboy" ins Jugend-KZ Morningen kam und in dem unterirdischen Salzbergwerk der Munitionsfabrik Volpriehausen arbeiten musste, schrieb über die quälende Arbeit: "Der Swing hält uns über Wasser. Das Salzbergwerk hat eine fantastische Akustik. Auf den Holzkartons spielen wir Schlagzeug und mit den Stimmen wird improvisiert: ,Jeepers Creepers‘ oder ,A Tisket A tasket‘, was wir alle kennen, weil es das noch bis 1939 von Teddy Stauffer auf Telefunken gegeben hat."
Der tschechische Jazztrompeter Eric Vogel, der 1942 die "Ghetto Swingers" im Ghetto Theresienstadt gründete und das KZ überlebte, sagte später: "Ich glaube an die Botschaft des Jazz, die Botschaft von Brüderlichkeit und Verständnis. Er ist ein Symbol für Demokratie und freien Ausdruck."
Getarnte Songs
Zu den vielen Informationen und Original-Toneinspielungen hatten die Musiker die passende Musik ausgesucht: den Bilboa-Song von Bertolt Brecht und Kurt Weill, das Lied "Bei mir bist du schön" aus einem jüdischen Musical, den Song "Dinah", der als "Moosröschen", und den St.-Louis-Blues, der als "Blauer Ludwig" getarnt wurde, und "Jeepers Creepers". Aus dem Repertoire des Deutschen Tanz- und Unterhaltungsorchesters wählten sie "Du bist so lieb zu mir" und aus dem Film "Wir machen Musik" das Stück "Mein Herz hat heut Premiere". Zuletzt überraschten sie mit ihrer eigenen Version des Liedes "Lilli Marleen". Dabei zeigte sich die Qualität des Trios, das zusammen mit Silke Straub die bekannten Melodien in so wunderbare Improvisationen überführte, wieder einmal deutlich. Herausragend waren die filigranen Soli von Bernhard Pichl und Rudi Engel und der rhythmische Klang von Florian Kettler. Silke Straub wiederum faszinierte mit ihrer klaren, strahlenden, fast erhabenen Stimme, ihrer einzigartigen Artikulation und ihrer perfekten Intonation.Der Hörgenuss überzeugte das Publikum von der Schönheit des Jazz vollends. Als Zugabe nach dem begeisterten Beifall gab es zum Schluss noch die Moritat aus der Dreigroschenoper.