Haßfurter Mammutprozess: Bewährung für den Ex-Kassier
Autor: Manfred Wagner
Haßfurt, Mittwoch, 07. Dezember 2016
Das Gericht in Haßfurt verdonnerte früheren Vereinsschatzmeister wegen Untreue.
Einen Mammutprozess hat das Schöffengericht am Amtsgericht Haßfurt nach vier Verhandlungstagen abschließen können: Der fast 20 Jahre für einen Verein im Maintal tätige ehemalige Kassier (58 Jahre) wurde wegen Untreue in 28 Fällen zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Zudem muss er innerhalb des nächsten halben Jahres von dem angerichteten Schaden 10 000 Euro an den Verein zurückzahlen. Da die Prozessbeteiligten eine Woche Zeit haben, um Berufung einzulegen, ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.
Nachdem am Vortag bereits der neue Vorsitzende den Angeklagten schwer belastet hatte, trat am letzten Verhandlungstag der federführende Beamte von der Kripo Schweinfurt in den Zeugenstand. Er schilderte, wie er akribisch in wochenlanger Arbeit mehr als 1000 Buchungsvorgänge beleuchtet hatte. Dabei ging es insbesondere um die Geldzu- und -abflüsse aus vier Konten, die dem Ex-Kassier oder seiner Ehefrau gehörten. Das Geld aus dem Vereinskonto hatte der Mann in seiner Eigenschaft als Kassenwart an sich selber überwiesen, angeblich für seine vor etlichen Jahren erbrachten Leistungen für den Verein. Der Ermittler berichtete, dass er 28 solche Überweisungsvorgänge herausgefischt habe, die nicht mit Rechnungen hinterlegt waren. Damit, so der Hauptkommissar, habe der Beschuldigte gegen einen elementaren Grundsatz der ordnungsgemäßen Buchführung verstoßen: keine Buchung ohne Beleg! Die 28 Überweisungen belaufen sich in der Summe auf über 80 000 Euro.
Geschickte Buchungen
Danach wurde nochmals der neue Kassenwart des Vereins, also der Nachfolger des Angeklagten, vernommen. Der Zeuge aus Schweinfurt konnte genau entschlüsseln, wie sein Vorgänger offenbar taktisch äußerst geschickt über mehrere Stationen Buchungsvorgänge gesteuert und auf diese Weise anderweitige Zahlungsempfänger und Verwendungszwecke vorgetäuscht habe. Auf diese Weise sei mit einem ausgeklügelten System vertuscht und verschleiert worden, dass die überwiesenen Gelder auf einem seiner eigenen Konten gelandet waren. Nach einem Rechtsgespräch unter Ausschluss der Öffentlichkeit gab der Verteidiger Peter Auffermann namens seines Mandanten eine Erklärung ab. In dieser Verlautbarung sieht der strafrechtlich unbescholtene Angeklagte ein, dass sein Verhalten nicht richtig war, und gesteht: "Mir ist bewusst, dass ich den Verein erheblich geschädigt habe und ich entschuldige mich dafür." Zugleich gibt er zu, dass er rund 15 000 Euro aus dem Vereinsvermögen nicht auf einem privaten Konto hätte "bunkern" dürfen. Er versichert, nach besten Kräften Schadensersatz leisten zu wollen, und verpflichtet sich, bis Ende Juni 2017 zumindest 10 000 Euro an den Verein zurückzuzahlen.
In seinem Plädoyer kreidete Staatsanwalt Peter Bauer dem Ex-Schatzmeister insbesondere seine kriminelle Energie an, die er aufgewandt habe, um die Zahlungen an sich selber zu verheimlichen: Der Angeklagte habe so gehandelt, dass "möglichst keiner was mitkriegen sollte", so der Ankläger. Dass er vielleicht wirklich frühere Leistungen nicht abgerechnet habe, wollte der Jurist nicht ausschließen. Aber sich nach vielen Jahren klammheimlich die Gelder am Vorstand vorbei auf diese raffinierte Weise einfach holen zu wollen, sei ein Akt der Untreue. Da sich der 58-Jährige bislang nichts habe zuschulden kommen lassen, forderte er eine Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren auf Bewährung.
Die Rechtsanwälte Auffermann und Martin Vollmert pflichteten dem Staatsanwalt insoweit bei, dass ihr Mandant sich falsch verhalten habe. Seine Einstellung sei die gewesen, dass er ursprünglich das Geld für die erbrachten Leistungen dem Verein habe schenken wollen. Als er es sich dann anders überlegt habe, hätte er seine Ansprüche spätestens beim neuen Vorstand offen anmelden müssen, sagten sie.
Nichtsdestotrotz sei er ein Ersttäter, der über lange Jahre ehrenamtlich seine Tätigkeit für den Club korrekt erledigt habe. Eine Bewährungsstrafe von zehn Monaten hielten die Verteidiger für angemessen.
In seinem letzten Wort betonte der während der vorangegangenen Tage ziemlich schweigsame Angeklagte, dass es ihm leid tue. Sein Motiv beschrieb er mit einem Satz: "Ich dachte einfach, das Geld steht mir zu."
In ihrer Urteilsbegründung wies die Vorsitzende Richterin Ilona Conver vor allem darauf hin, dass das eigenmächtige Finanzgebaren des Verurteilten ohne jegliche Ab- oder Rücksprache mit dem Vorstand "definitiv nicht in Ordnung" gewesen sei. In diesem Zusammenhang richtete sie einige kritische Anmerkungen an den Verein: Dieser habe es durch völlig unzulängliche Kontrollmechanismen dem Mann ausgesprochen leicht gemacht, die Vereins- und Vorstandsmitglieder hinters Licht zu führen.
Wenn der Verein weitere Schadensersatzforderungen geltend machen will, muss er Klage beim Zivilgericht einreichen.