Haßfurter Historiker dokumentiert jüdisches Kulturerbe

1 Min

Der Haßfurter Historiker Thomas Schindler erfasst im Zentralarchiv in Jerusalem Berge von Akten aus Franken. Die uralten Dokumente sind ein Spiegelbild des überaus reichen jüdischen Kulturerbes.

Die Namensgleichheit ist ein Zufall, und doch gibt es ein verbindendes Element zwischen Oskar Schindler und Thomas Schindler: Der deutsche Unternehmer wurde bekannt, weil er während des Zweiten Weltkriegs viele Juden vor dem Tod bewahrte. Steven Spielberg hat ihm ein filmisches Denkmal gesetzt: Schindlers Liste.

Bei den Listen von Thomas Schindler geht es nicht um Leben und Tod. Der Historiker aus dem unterfränkischen Haßfurt hilft dabei, das jüdische Kulturerbe zu bewahren. Seit Jahren arbeitet er sich jeden Sommer für einige Wochen im Zentralarchiv für die Geschichte des jüdischen Volkes in Jerusalem durch Berge von uralten Akten, Dokumenten und Briefen, die zum größten Teil aus Deutschland nach Israel gebracht und so vor Vernichtung und Vergessen bewahrt worden waren.

"Die einzelnen Bestände waren bislang gar nicht oder nur grob sortiert, was die gezielte Nachforschung erschwerte", sagt Schindler. Der Historiker hatte nach eigenem Bekunden "schon immer ein besonderes Interesse für die jüdische Geschichte". Bei seiner Arbeit in zahlreichen fränkischen Gemeindearchiven spielte die Geschichte der deutschen Juden stets eine bedeutende Rolle.

In Franken, und hier besonders in Unterfranken, waren die jüdischen Mitbürger über Jahrhunderte ein fester Bestandteil des Gemeinwesens. In Unterfranken gab es deshalb so viele jüdische Gemeinden (und bis heute besonders viele steinerne Zeugen der jüdischen Geschichte), weil Juden bei den wiederholten Verfolgungen und Vertreibungen den Schutz der Reichsritter und der Klöster suchten. Die waren in Unterfranken sehr viel zahlreicher als in Ober- und Mittelfranken. "Das mit dem Schutz war natürlich nicht uneigennützig", weiß Schindler. Die Schutzherren ließen sich ihre Dienste gut bezahlen. Umgekehrt brachten die jüdischen Händler Wohlstand in die Dörfer. "Dass kleine Dörfer wie etwa Burgpreppach das Marktrecht bekamen, hängt direkt mit dem Wachsen der jüdischen Gemeinde zusammen", schildert der Historiker.


Eine wahre Fundgrube

Wer Handel treibt und, ob freiwillig oder nicht, durch die Lande reist, hinterlässt viele Spuren, und das macht die jüdischen Gemeindearchive zu einer wahren Fundgrube, nicht nur für die jüdische Geschichte. Ein solches Fundstück hat Schindler gerade in Arbeit: In diesem Dokument ersucht ein Rabbi namens Bamberger, der aus Würzburg kam, um Aufnahme in die Stadt Haßfurt...

Etwa die Hälfte des Gesamtbestandes der Central Archives (Cahip) stammt aus dem deutschen Sprachraum und bildet mit mehr als 1000 Gemeinden die weltweit größte Sammlung von deutsch-jüdischem Gemeindematerial. Insgesamt umfasst das Material aus über 70 Ländern mehr als 60 Millionen Blätter aus 1600 verschiedenen Archiven, Organisationen und Privatsammlungen. Der Bestand setzt sich sowohl aus diesen Originaldokumenten als auch aus 13 Millionen Seiten in Mikrofilm zusammen. Außerdem gibt es riesige Sammlungen von Zeitschriften und Fotografien und eine umfangreiche Bibliothek.