Haßfurt will "Windgas" herstellen
Autor: Redaktion
Haßfurt, Sonntag, 15. Mai 2016
Die Städtischen Betriebe und der Ökoenergie-Anbieter Greenpeace Energy bauen und betreiben im Hafen eine Zwei-Millionen-Euro-Anlage.
Die Stadt Haßfurt und der Hamburger Ökoenergie-Anbieter Greenpeace Energy starten die nächste Ausbaustufe der Windkraft-Technologie: Mit einem neuartigen Elektrolyseur wollen die beiden Partner, wie sie in einer gemeinsamen Erklärung an die Medien mitteilten, von diesem Sommer an überschüssigen Strom aus erneuerbaren Energien in ein umweltfreundliches Gas umwandeln. Seit Donnerstag liegen den Angaben zufolge alle Genehmigungen für die Anlage im Hafengelände am Main vor, nun kann der Bau für den Elektrolyseur beginnen. Das ist das Gerät, das per Elektrolyse Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt.
Das Projekt entsteht auf dem Hafengelände in Haßfurt neben dem Betriebsgebäude der Mälzerei. Die Kosten belaufen sich laut Norbert Zösch, Leiter des Stadtwerks Haßfurt, auf rund zwei Millionen Euro. Etwa ein Drittel muss die Stadt aufbringen. Norbert Zösch geht davon aus, wie er unserem Portal auf Anfrage bestätigte, dass sich die Anlage in zehn Jahren amortisiert haben wird. Dann könne damit Geld verdient werden.
Nach dem Anschluss an das Strom- und Gasnetz wird der containergroße Elektrolyseur im Jahr rund eine Million Kilowattstunden "Windgas" genannten Wasserstoff für die Kunden von Greenpeace Energy ins Gasnetz einspeisen, wo er prinzipiell auch über lange Zeiträume gespeichert und später wieder verstromt werden kann.
"Die Technik ist serienreif, nun wollen wir sie noch effizienter machen", sagt Greenpeace-Energy-Vorstand Nils Müller, "deshalb erproben wir mit den Städtischen Betrieben Haßfurt, wie sich dieser Baustein für ein klimafreundliches Energiesystem sicher und sinnvoll betreiben lässt."
In Haßfurt stammt der Strom für den Elektrolyseur aus dem nahen Bürgerwindpark Sailershäuser Wald sowie weiteren Windenergie- und Solaranlagen, die ins lokale Stromnetz einspeisen. Wenn mehr erneuerbarer Strom ins Netz fließt als lokal verbraucht wird, nutzt ein Elektrolyseur die überschüssige Energie. Je mehr Strom im Zuge der Energiewende zukünftig aus Windkraft und Solaranlagen stammt, desto größer werden auch die Stromüberschüsse sein. Und desto wichtiger wird es, diese per Elektrolyse als erneuerbares Gas zu speichern. Damit können auch längere Phasen überbrückt werden, wenn die Sonne nicht scheint und Windflaute herrscht, meinen die beiden Betreiber. Die notwendige Kapazität dafür biete, so die Stadt und Greenpeace Energy, in Deutschland nur die Windgas-Technologie, denn sie kann das normale Gasnetz und unterirdische Lager als Speicher nutzen. "Windgas ist für die Energiewende unverzichtbar", betont Nils Müller, "denn nur so lassen sich die deutschen Klimaziele erreichen - und eine sichere Energieversorgung aus Erneuerbaren".
Der in der Stadt Haßfurt eingesetzte 1,25-Megawatt-Elektrolyseur gehört zur neuesten Generation: Per PEM-Elektrolyse (PEM = polymer electrolyte membrane) kann Wasserstoff erzeugt werden. Die reaktionsschnellen Anlagen bieten aber zusätzlichen Nutzen für die Energiewende: Sie können das Stromnetz stabilisieren, bei dem Erzeugung und Verbrauch immer im Gleichgewicht sein müssen. Dafür verändert der Elektrolyseur binnen Millisekunden automatisch seine Leistung, um die Frequenz im Netz zu stabilisieren und so beispielsweise Blackouts durch Netzüberlastung zu verhindern. Durch dieses Regelleistungsangebot können Elektrolyseure über die Wasserstoffproduktion hinaus Einnahmen erwirtschaften. Das wird in Haßfurt auch erprobt.
"Es ist ein Leuchtturm-Projekt, das zeigt, was auch Kommunen wie unsere für eine umweltfreundliche Energieversorgung leisten können", sagt Norbert Zösch. Dazu haben der Kommunalversorger und der bundesweit aktive Ökoenergie-Anbieter Greenpeace Energy die "Windgas Haßfurt GmbH & Co. KG" gegründet. Unter anderem testen die Partner, wie hoch der Wasserstoffanteil im Gasnetz sein kann. Die technischen Regularien beschränken ihn derzeit auf fünf Prozent, doch auch zehn Prozent hält Haßfurts Gasnetzbetreiber problemlos für möglich. Am Test nimmt zudem die nahe Mälzerei teil, die einen Teil des Gasgemischs in ihrem Blockheizkraftwerk verbrennen wird, das daraus wiederum Strom und Wärme erzeugt. "Wir leisten hier Pionierarbeit", sagt Norbert Zösch, "ohne das Engagement der Kommunen wird die Energiewende kaum erfolgreich sein. Wir hoffen, unser Beispiel findet Nachahmer."