"Hass zwischen den Völkern entgegentreten"
Autor: Helmut Will
Ebern, Sonntag, 19. November 2017
Nach den Gottesdiensten in beiden Kirchen wurde in Ebern der Opfer von Krieg und Gewalt und der gegenwärtigen kriegerischen Auseinandersetzungen gedacht.
In einem Trauerzug begaben sich die Teilnehmer an der Gedenkfeier zum Volkstrauertag vom Rathaus zum Ossarium. Begleitet wurden der Zug und die Gedenkstunde vom Blasorchester Ebern sowie von Behördenvertretern und zahlreichen Vertretern von Vereinen mit sieben Fahnenabordnungen. Sowohl Pfarrer Bernd Grosser als auch Bürgermeister Jürgen Hennemann (SPD) zeigten sich von Akten der deutsch-französischen Freundschaft beeindruckt.
Das Stadtoberhaupt von Ebern sagte in seiner Ansprache, dass am Volkstrauertag ursprünglich der Kriegstoten aus dem Ersten Weltkrieg gedacht wurde, Soldaten aus der eigenen Gemeinde, die gefallen waren. "Niemand konnte voraussehen, dass fast 100 Jahre später ein deutscher Bundespräsident mit dem französischen Staatspräsidenten - früher waren die beiden Nationen Feinde - gemeinsam Kriegsopfern gedenken würden", sagte er, um auf die Eröffnung der ersten deutsch-französischem Gedenkstätte am "Hartmannswillerkopf" im Elsas einzugehen.
Als gutes Zeichen gegen das Vergessen wertete das Hennemann auch, dass deutsche und britische Fußballnationalspieler bei einem Freundschaftsspiel der Kriegstoten gedachten. Er zitierte den DFB-Präsidenten: "Ein Zeichen für Respekt, Toleranz und Menschlichkeit." Nicht vergessen dürfe man auch die Trauernden, die zurückgeblieben sind, sagte der Bürgermeister. In Erinnerung rufen müsse man auch, wofür die Menschen vor 100 Jahren gekämpft haben und wofür sie gestorben sind.
"Der Volkstrauertag ist ein Tag des Innehaltens, der Erinnerung, des Gedenkens. Er sollte aber auch Anlass zur Dankbarkeit dafür geben, dass wir seit 72 Jahren in unserem Land in Europa ohne Krieg leben, dass unsere Kinder in beiden Teilen Deutschlands seit der Wiedervereinigung in einer freiheitlich verfassten Demokratie aufwachsen können. Leider ist das nicht überall so", bedauerte Hennemann. Hier ging er auf die zahlreichen Spannungen in der Welt ein, mit insgesamt 226 gewaltsamen und kriegerischen Konflikten im Jahr 2016.
Der Bürgermeister warf die Frage auf, ob am Volkstrauertag die Frage erspart bleiben könne, ob die Toten, derer gedacht wird, unsere Erinnerung verdient hätten: "Sind sie für eine gute Sache gestorben, oder wenigstens - notfalls naiv - im guten Glauben? Diese beunruhigende Frage soll man nicht übergehen." Jeden Tag setzten Polizei, Feuerwehr und andere helfende Verbände immer wieder ihr Leben oder ihre Gesundheit für Dritte aufs Spiel, so wie Angehörige der Bundeswehr in Krisen- und Kriegsgebieten.
In sein Gedenken schloss der Bürgermeister auch jene ein, die aus Kriegsgebieten den gefahrvollen Weg über das Mittelmeer suchten, um Sicherheit zu finden. "Die Toten, auch die Opfer der heimtückischen Terroranschläge, verpflichten uns Lebende, dem Hass zwischen Völkern, Rassen und Religionen entgegenzutreten und uns aktiv für unsere Werte einzusetzen. Wir müssen die Unzufriedenen überzeugen, die Europafeinde und rechtsextremistischen Tendenzen zurückdrängen und unsere Demokratie stärken, damit wir nie wieder Tote aus Krieg und Gewalt zu beklagen haben. Lassen Sie uns für Frieden, Demokratie und Menschrechte eintreten, im Kleinen, im täglichen Umgang miteinander und im Großen, durch die Verurteilung von Hass, Krieg und Gewalt", schloss der Bürgermeister.
Pfarrer Bernd Grosser von der evangelischen Kirchengemeinde Ebern stellte das Wort Versöhnung über seine Ansprache. Dazu nannte er als aktuelles Beispiel das Treffen des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron und des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier vor einigen Tagen: "Sie lagen sich in den Armen, als sie im Elsas ein deutsch-französisches Museum besuchten, um dort einer grauenhaften Schlacht mit am Ende 30 000 toten Soldaten zu gedenken." Es sei ein hoffnungsvolles Zeichen, dass sich 100 Jahre später die Präsidenten beider ehemals verfeindeter Nationen an jener Stelle umarmten. "Diese herzliche Szene hat mich sehr berührt. So schaut Versöhnung aus: menschlich, herzlich, gefühlvoll und echt", sagte Grosser bewegt.
Er zeigte das kleine Nagelkreuz von Coventry, das derzeit in der Christuskirche in Ebern stehe und als Symbol der Versöhnung an die Nacht vom 14./15. November 1940 erinnere, als die englische Stadt von deutschen Bombern angegriffen und fast vollständig zerstört wurde. 600 Menschen fielen damals den Bomben zum Opfer. Das hierzu symbolisch entstandene "kleine Nagelkreuz" von Coventry sei auch eine Mahnung zur Versöhnung. "Versöhnung ist eine wichtige Friedensaufgabe, nicht nur für das politische Europa, sondern für die gesamte deutsche Gesellschaft, die momentan Fliehkräfte entwickelt, immer mehr auseinanderzustreben", mahnte der Geistliche. Und Versöhnung müsse jeder Generation neu aufgegeben werden.
Pfarrer Grosser weiter: "Im nächsten Jahr 2018 fallen in den Monat November zwei wichtige nationale Gedenktermine, 100 Jahre Ende des Ersten Weltkrieges und 80 Jahre Reichspogromnacht. Ich würde mir für Ebern sehr wünschen, dass wir im Sinne der Versöhnungs- und Erinnerungsarbeit beider Ereignisse öffentlich gedenken und das zusammen mit der jungen Generation tun. Da denke ich vor allem auch an die Schulen, denn die Versöhnungsarbeit darf nicht aufhören. Sie muss weitergehen. Hier in Ebern durch uns alle", schloss der Geistliche seine Mahnrede gegen das Vergessen.
Für die katholische Kirche trug die Vorsitzende des Pfarrgemeinderates, Sieglinde Krebs, Fürbitten vor. Pater Rudolf Theiler konnte an der Gedenkstunde gesundheitsbedingt nicht teilnehmen. Soldaten der Bundeswehr standen am Ossarium, und als das Blasorchester Ebern "Ich hatt einen Kameraden" spielte, verharrten die Teilnehmer der Gedenkfeier in Stille. Bürgermeister Hennemann, Vertreter der IG-Metall und des VdK-Ortsverbandes Ebern legten Kränze nieder, bevor nach der Nationalhymne der Rückmarsch des Ehrenzuges zum Rathaus erfolgte.