Druckartikel: Harry Schmidt betreibt Freizeitzentrum mit Restaurant und Campingplatz

Harry Schmidt betreibt Freizeitzentrum mit Restaurant und Campingplatz


Autor: Eckehard Kiesewetter

Frickendorf, Donnerstag, 22. August 2013

Harry Schmidt, der aus dem Eberner Stadtteil Frickendorf stammt, hat am Chiemsee eine neue Heimat und dazu sein berufliches und privates Glück gefunden.
Harry Schmidt in seinem Reich. Am Ufer des Chiemsees bei Stöttham (Gemeinde Chieming) befindet sich die Freizeitanlage "Seehäusl".  Foto: Eckehard Kieseweetter


Was machen Lehrer in den großen Ferien? Und vor allem, was machen sie, wenn diese Ferien ein ganzes Sommerhalbjahr lang dauern? Harry Schmidt hat für sich eine Ideallösung gefunden. Der Pädagoge lebt und arbeitet dort, wo andere Menschen ihren Urlaub verbringen, am Chiemsee. In Stöttham (Gemeinde Chieming) führen er und seine Frau Marina ganzjährig ein Freizeitzentrum namens "Seehäusl" mit Restaurant und Campingplatz. Dazu stellt Schmidt klar: "Marina ist der Chef!"

Dort lebt der Mann aus Frickendorf in den Haßbergen all das, was er sich immer vorgestellt hat. Hier genießt er die Berge und den See. Urlaubsstimmung pur also. Hier hat er mit internationalen und weitgehend unkomplizierten Gästen zu tun, kann er sein handwerkliches Geschick austoben und nebenher auch noch seiner Leidenschaft für die Musik frönen. Denn immer wieder stehen im "Seehäusl" Konzerte auf dem Programm.

Mal treten Gastmusiker auf, mal greift Harry Schmidt selbst in die Tasten und singt dazu."Eigentlich wollte ich ja Musiker werden", sagt er.

Auch in den Haßbergen hat sich der Musikus einen Namen gemacht. Schmidt? - das ist doch, werden nun viele denken, dieser ambitionierte Musiklehrer und Leiter des Chors "Praising People". Die Antwort lautet Jein! Dabei handelt es sich nämlich um Bernd Schmidt, den acht Jahre älteren Bruder Harrys, der Franken treu geblieben ist.

Wie Bruder Bernd lernte er Hammondorgel spielen und im Eberner Gymnasium, wo er 1991 das Abitur ablegte, hat ihn Musiklehrer Manfred Viering gefördert. Dort sang er im Chor und spielte in der Bigband mit. Logisch, dass er wie sein großer Bruder im Studium das Lehramt mit Schwerpunkt Musik anstrebte, Bernd für Real-, Harry für Hauptschule, wie das damals noch hieß.

Erfolge mit "Elisabeth"

Bruder Bernd war immer das Vorbild gewesen, und mit seiner Unterstützung und der etlicher anderer Instrumentalisten und Sänger aus der Zeit am Eberner Gymnasium hat Harry Schmidt Ende der 1990er Jahre das Musical "Elisabeth" inszeniert. Zuerst wurde es mit großem Erfolg in Bayreuth aufgeführt, wo beide Brüder Musik studierten, dann aber auch in Haßfurt und Ebern. "Das war meine Abschlussarbeit", sagt der heute 41-Jährige. Mit versonnenem Blick fügt er an: "ein absolutes Highlight" und "echt genial".

Doch "Elisabeth" sollte sein einziges großes Projekt in diesem Genre bleiben, nicht nur weil man als Profimusiker "verdammt gut sein muss, um sich zu behaupten", sondern auch, weil ihm die Vereinigten Bühnen Wien Ärger machten. Sie besaßen die Aufführungsrechte für das Musical um die österreichische Kaiserin Sissi."Ich hab mich einfach unwissend gestellt," wischt der Frickendorfer die Geschichte beiseite. Zumindest hat er mitbekommen, wie berauschend Bühnenerfolg sein kann.

In der Schmiede daheim

Wenn es nach der Familientradition gegangen wäre, hätte Harry Schmidt eigentlich Handwerker werden müssen. Als Enkel des Frickendorfer Dorfschmieds Karl Langbein und Sohn von Kurt Schmidt, hat er in der Jugend nebenher eine Art Lehrlingsausbildung genossen - Fertigkeiten, die ihm nun auf dem Campingplatz trefflich zu passe kommen.

Schon mit den Eltern war Harry Schmidt öfter am Chiemsee gewesen und so zog es auch den Junglehrer dorthin, zunächst im Urlaub und irgendwann komplett. "Damals hat mich daheim jeder ausgelacht", berichtet er. Erste Station war Chieming. Hier lernte er seine Marina kennen, die in Waging ein Lokal betrieb.

Über den Segelverein und bei Nachhilfestunden kam er mit einem ziemlich heruntergekommenen Campingplatz am Seeufer in Berührung. "Das ,Seehäusl` muss der erste Campingplatz am Chiemsee gewesen sein," sagt Schmidt, "ziemlich alt und vergammelt, weil der Pächter zwischen 1972 und 2004 nichts mehr investierte". Er hatte seine Dauercamper und war damit zufrieden. Damals bereits gehörte eine Gaststätte zum Platz.

Konzept setzt sich durch

Als der Pächter altersbedingt aufhörte, schlug die Stunde von Harry und Marina Schmidt: Sie erarbeiteten ein Konzept, wie es mit dem "Seehäusl" weitergehen könnte, und setzten sich damit bei der Eigentümerin, einer Brauerei gegen 40 andere Bewerber durch. Vor neun Jahren hatten sie den Pachtvertrag in der Tasche, der ihr Leben verändern sollte. Der Mittelschullehrer mit der Affinität zum Urlaub mit Zelt und Wohnwagen war plötzlich selbst Campingplatzbetreiber. Anfangs hat Harry Schmidt den Lehrerberuf und seine Beschäftigung am "Seehäusl" kombiniert. Heute führt er praktisch zwei Leben, denn seine eigentliche Profession führt er nur noch in Teilzeit und nur noch im Winterhalbjahr aus. Er spricht von einer "arbeitsmarktpolitischen Maßnahme".

Als mobile Reserve für ausgefallene Lehrer ist er an den Schulen im gesamten Landkreis Traunstein eingesetzt. Sein Status befreit ihn von der Verpflichtung, eine feste Klasse durchs Schuljahr zu führen. Das hat er sich nach eigenem Bekunden erkämpfen müssen. Sein heutiges Leben will der Wahl-Oberbayer nicht mehr missen.

Die "Camping-Perversion"

Der kleine Platz lebt von seiner idyllischen Lage und der Ruhe, abseits von ausgebauten Straßen und Zugverkehr. Er hat sich jenen Charme bewahrt, den man heute auf den großflächigen Massenplätzen mit Animation, Straßennamen und Einkaufszentren nicht mehr findet.

Schmidt spricht von einer "ADAC-geprägten Campingperversion", die inzwischen in kleinen Fernsehgeräten am WC gipfle. "Man muss nicht alles am Platz haben, das strengt nur an. Der Gast will sich erholen" , lautet sein Credo, wozu auch der bewusste Verzicht auf Schranken und Absperrungen nach außen gehöre. Für Ordnung in seinem Reich weiß der Pädagoge auch ohne Schilderwald und überall prangendes Regelwerk zu sorgen. Vor allem aber entwickeln die Camper nach seiner Erfahrung selbst Verantwortungsbewusstsein. So können die Gäste die Tretboote kostenlos nutzen und der Verkauf in einem unbewachten Minimarkt mit Selbstbedienung geschieht auf Vertrauensbasis. Und: Es funktioniert! Der 41-Jährige: "Die Leute wollen sich frei fühlen. Je mehr man sie reglementiert, desto eher versuchen sie auszubrechen."

Die Schmidts haben eine Menge Arbeit und Geld investiert, um eine moderne Anlage mit 50 Stellplätzen (30 Touristenplätze und - bislang noch - 20 für Dauergäste) und einem gut gehenden Restaurant im mediterranem Flair zu schaffen. Dort wuseln inzwischen acht bis zehn Mitarbeiter. Die Hilfe von Oma "Lisa" ist unverzichtbar, und selbst die dreijährige Anastasia ist schon eifrig mit unterwegs.

In den heißen Sommerwochen geben sich auf dem Platz die Gäste zwar nicht die Klinke, aber doch die hölzernen Täfelchen mit den Stellplatznummern in die Hand. Die hat Harry Schmidt eingeführt, falls er mal ausfallen sollte, wie vor drei Jahren, als er sich bei einem Treppensturz ein Bein brach. Damals schaffte er auch seinen Golf-Car an. Damit ist er heute fast überall gleichzeitig anzutreffen.

Ein anderes unersetzliches Fahrzeug ist der "Hoftrac" geworden, ein kleines Kraftpaket, mit dem Schmidt jedes Campingmobil zielgenau an die ideale Stelle platziert. Ein Service, den die Gäste zu schätzen wissen, denn "wenn man nur ein oder zwei Mal im Jahr mit solch einem Geschoss unterwegs ist, tut man sich mit den Ausmaßen schwer", weiß er zu berichten: "Das verhindert Sachschaden und zudem manchen Ehestreit."

Mit pädagogischem Geschick

Nebenher bringt Harry Schmidt - ganz der Pädagoge - neue Platznachbarn ins Gespräch. Überhaupt sucht er den Plausch mit seinen Gästen und ist für individuelle Wünsche offen. Unfreundliche Einweisungen per Lageplan hinter dem Tresen sind seine Sache nicht. "Und so was schreckt auch die Gäste ab. Du kannst das alles lenken", meint Schmidt, "wenn die Atmosphäre passt, dann fühlen sich die Leute wohl und dann erholen sie sich auch besser.

Heute kann das "Seehäusl"-Team auf ein weit gestreutes Publikum bauen. Immer wieder zieht es Prominenz auf den Platz. Olympia-Biathleten waren schon da, und Sascha Hehn, fällt Schmidt spontan ein. Auch TV-Produktionen und Werbefilme wurden vor der Kulisse gedreht, so beispielsweise für die Sat1 Krimi-Serie "Mit Herz und Handschellen" um den "letzten Bullen" Henning Baum.

Harry Schmidt und seine Marina haben es geschafft. Stolz verweisen sie auf die Bewertung einer großen Camping-Plattform im Internet, wonach zufriedene Gäste das "Seehäusl" unter die Top-Plätze Europas wählten. "Dahinter steckt schwere Arbeit", versichert der Eberner, dessen Arbeitstage 17 und mehr Stunden umfassen, und das sieben Tage die Woche. "Pausenlos kann man das hier nicht machen." So gibt es Situationen, in denen auch die dreijährige Anastasia schon nachahmt: "Die machen mich alle wahnsinnig!"

In ein paar Wochen ist es so weit. Dann spannen die Schmidts aus bzw. ihr eigenes Wohnmobil an und machen Urlaub vom "Seehäusl". Wo? Natürlich auf dem Campingplatz. Aber im sonnigen Griechenland.